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08.10.2024

Steuerboard

Neues zum § 7 Abs. 8 ErbStG – BFH-Urteile vom 10.04.2024 – II R 22/21 und II R 23/21 (NV)

Kurz nach dem am 01.08.2024 veröffentlichten Urteil des FG Münster vom 23.05.2024 zum Schenkungsteuertatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG (vgl. hierzu Bracken, Steuerboard vom 20.08.2024, DB1465502) veröffentlichte der BFH am 12.09.2024 zwei inhaltsgleiche Revisionsentscheidungen vom 10.04.2024 zu Urteilen des FG Sachsen aus dem Jahr 2021, welche ebenso § 7 Abs. 8 ErbStG betrafen. Nachdem die Diskussion zu § 7 Abs. 8 ErbStG mit der Anerkennung eines subjektiven Elements in § 7 Abs. 8 ErbStG durch das FG Münster für kurze Zeit eine erfreuliche Richtung erhalten hatte, ist nunmehr vieles wieder offen. Kurioserweise wurden die hier zu besprechenden Urteile des BFH vor der Entscheidung des FG Münster gefasst, jedoch erst danach veröffentlicht, sodass etwaige neue Erkenntnisse des BFH noch nicht vom FG Münster berücksichtigt werden konnten. Unglücklich ist dies vor allem vor dem Hintergrund, dass sich der BFH zu einem etwaigen subjektiven Element im Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG nicht so deutlich äußert, wie dies nach der Entscheidung des FG Münster wünschenswert wäre.

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RA/StB Dr. Dominik Graf von Armansperg
ist Senior Associate bei POELLATH in München

A. Sachverhalt

Die Entscheidung beruht auf einer Erbauseinandersetzung, wobei ein im Nachlass befindlicher Geschäftsanteil einer Familien-GmbH mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 10.10.2013 zu einem mittels Unternehmensbewertungen zum Stichtag 31.12.2009 bestimmten Wert an die GmbH selbst veräußert wurde. Im Rahmen der gesonderten Feststellung des Bedarfswerts der GmbH ermittelte das Finanzamt für den veräußerten Geschäftsanteil im Veräußerungszeitpunkt einen den Veräußerungserlös um das 6-Fache übersteigenden Bedarfswert.

Aufgrund dieses erheblichen Missverhältnisses zwischen Verkaufspreis und Bedarfswert des übertragenen Geschäftsanteils setzte das zuständige Finanzamt Schenkungsteuer gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG gegen die über eine Personengesellschaft mittelbar beteiligten Gesellschafter der Familien-GmbH fest. Hiergegen wendeten sich die Gesellschafter erfolglos mittels Einspruchs und Untätigkeitsklage zum FG Sachsen.

Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hat das FG Sachsen auf Tatbestandsebene als teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts des § 7 Abs. 8 ErbStG ein Bewusstsein zur Unentgeltlichkeit als subjektives Element vorausgesetzt. Im zu entscheidenden Fall hat das FG Sachsen dies im Ergebnis aber aufgrund des Festhaltens an der Unternehmensbewertung zum 31.12.2009 für die Übertragung im Jahr 2013 trotz des zwischenzeitlichen erheblichen Wertzuwachses als gegeben angesehen und den Schenkungsteuertatbestand damit bejaht.

Mit der Revision vor dem BFH machen die Kläger geltend, dass keine Leistung i.S.d. § 7 Abs. 8 ErbStG vorläge, die zu einer Werterhöhung der Geschäftsanteile an der GmbH führte. Begründet wird dies damit, dass keine Vermögensgegenstände auf die GmbH übertragen wurden, sondern sich ausschließlich die Beteiligungsquoten aufgrund der Entstehung eigener Anteile verschoben haben. Weiter machen die Kläger geltend, dass eine Schenkung auch deshalb ausscheiden müsse, da der Veräußerungspreis wie unter fremden Dritten ausgehandelt wurde und hilfsweise die Vorschonungsvorschriften gemäß §§ 13a ff. ErbStG eingreifen müssten. Abschließend bemängeln die Kläger eine mögliche Doppelbelastung, da der Vorgang vermutlich gleichzeitig eine steuerpflichtige verdeckte Einlage i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG darstellt.

B. Entscheidung

Der BFH hält die Revision der Steuerpflichtigen für begründet und stützt sich dabei insbesondere auf den Umstand, dass seitens des FG die tatsächliche Werterhöhung in den Geschäftsanteilen an der GmbH nicht festgestellt wurde. Die Werterhöhung in den Anteilen der GmbH ist nach Ansicht des BFH von dem Wert der jeweiligen Leistung an die GmbH zu unterscheiden, sodass es an einer „denklogischen“ Verbindung fehlt.

Vorab bezieht der BFH zum Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG insoweit Stellung, als dass er die Fiktion einer Schenkung in dem Mittelpunkt stellt und damit das Erfordernis einer freigebigen Vermögensverschiebung wie im Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ablehnt. Ferner wird der Leistungsbegriff weit auslegt, wobei stets die Perspektive des Zuwendenden maßgebend ist.

„Entscheidend ist allein, dass er – aus seiner Perspektive – einen verkehrsfähigen, werthaltigen Gegenstand hingibt.“

Daneben ist eine etwaige Doppelbelastung mit Einkommen- und Schenkungsteuer durch das gleichzeitige Auslösen des Besteuerungstatbestands des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG nach der Ansicht des BFH unbeachtlich.

Zur steuerpflichtigen Bereicherung im Sinne des § 7 Abs. 8 ErbStG stellt der BFH heraus, dass nach dem Wortlaut allein die Werterhöhung in den Anteilen der Kapitalgesellschaft maßgebend ist. Vor dem Hintergrund des Zwecks der Norm ist jedoch der gemeine Wert der Leistung des Zuwendenden an die GmbH als Obergrenze einer solchen Werterhöhung festzulegen, wobei dessen Wert wiederum durch Gegenüberstellung von Leistung und Gegenleistung zu ermitteln ist.

„Sind die Parteien in nachvollziehbarer Weise und unter fremdüblichen Bedingungen übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Leistungen insgesamt ausgeglichen sind, liegt eine Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG grundsätzlich auch dann nicht vor, wenn sich dies anhand später gewonnener besserer Erkenntnis als unzutreffend erweist. Die als zutreffend zugrunde gelegten Werte sind dann im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen, es sei denn, es liegt zwischen der Leistung und der Gegenleistung ein offensichtliches Missverhältnis vor.“

Da im Streitfall der Wertunterschied (1 zu 6) derart auffallend war, erübrigte sich eine nähere Prüfung. Der BFH stellte darüber hinaus klar, dass das Abstellen auf einen Verkehrswert zu einem Zeitpunkt knapp vier Jahre vor dem Vertragsschluss nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht.

Zur Feststellung der tatsächlichen Werterhöhung in den Anteilen ist ein Vergleich des Werts der Anteile der GmbH vor der Leistung an die GmbH und nach der Leistung an die GmbH vorzunehmen. Die Bewertung erfolgt in beiden Fällen nach den allgemeinen Grundsätzen, insbesondere § 11 BewG und der dort genannten Rangfolge der verschiedenen Bewertungsverfahren.

Abschließend weist der BFH darauf hin, dass eine Verschonung nach §§ 13a ff. ErbStG im Fall des § 7 Abs. 8 ErbStG ausscheidet, da der Zuwendungsgegenstand die bloße Werterhöhung als solche und nicht die Anteile an der Kapitalgesellschaft sind und eine analoge Anwendung mangels planwidriger Regelungslücke ebenfalls nicht herangezogen werden kann.

C. Einordnung der Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung ist zum einen positiv zu bewerten, da einige Anwendungsfragen des § 7 Abs. 8 ErbStG geklärt werden und jede zusätzliche Rechtssicherheit in diesem Zusammenhang willkommen ist. Dabei ist festzustellen, dass der BFH weitgehend der in den Erbschaftsteuer-Richtlinien niedergelegten Ansicht der Finanzverwaltung folgt (R E 7.5 Abs. 12, 13 ErbStR 2019). Andererseits sind noch immer viele Fragen offen bzw. stellen sich durch die Ausführungen des BFH auch neue Folgefragen.

1. Subjektives Element

Etwas bedauerlich ist die fehlende ausführliche Stellungnahme des BFH zu einem etwaigen subjektiven Element im Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG. Zwar hat der BFH in der Entscheidung das Vorliegen des Tatbestands ausschließlich mit den im Gesetz genannten objektiven Kriterien bejaht und herausgestellt, dass diese Fiktion „unabhängig von den Merkmalen des schenkungsteuerrechtlichen Grundtatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG“ besteht. Gleichwohl fehlt eine ausdrückliche Aussage, ob unter Umständen das Fehlen eines subjektiven Bewusstseins einer unentgeltlichen Vermögensverschiebung jedenfalls in gewissen Konstellationen den Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG ausschließen könnte, wie dies bspw. durch das FG Münster festgestellt wurde. Durch die Berücksichtigung der Vorstellungen der Parteien beim Vertragsschluss und zur Bewertung der Leistung sowie das Abstellen auf ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung als Teilentgeltlichkeitsvermutung stellt der BFH deutlich auf die allgemeinen Grundsätze zur gemischten Schenkung und damit auf subjektive Umstände ab. Unklar bleibt, ob auch hier die Grenze des „offensichtlichen Missverhältnisses“ im Regelfall bei 20% Wertunterschied zu ziehen ist, wie dies die Finanzverwaltung unterstellt (R E 7.5 Abs. 12 Satz 12 ErbStR 2019), oder welche weiteren Erwägungen unter Umständen eine Rolle spielen können. Damit bejaht der BFH m.E. jedenfalls auf der Rechtsfolgenseite mittelbar ein subjektives Element, welches die Bereicherung und damit den Tatbestand im weiteren Sinne ausschließen kann. Eine weitergehende Klärung bleibt dem BFH im Revisionsverfahren (II R 19/24) zur Entscheidung des FG Münster vorbehalten.

Für den Status quo gibt es daher insoweit zwei verschiedene Konstellationen:

  • Der Leistungsaustausch ist voll entgeltlich gewollt und wird auch nachvollziehbar wie unter fremden Dritten in diesem Sinne umgesetzt. In diesem Fall erscheint das Risiko einer Schenkungsbesteuerung für den Fall, dass sich später doch moderate Wertunterschiede herausstellen, eher gering.
  • Von Anfang an ist den Parteien ein objektives Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst. Insoweit ist die Anwendung von § 7 Abs. 8 ErbStG nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung des BFH wohl zwingend, auch wenn ein entsprechendes Vorgehen unter fremden Dritten in der individuellen Konstellation üblich sein mag und/oder ein Bereicherungswille im eigentlichen Sinne fehlt.

2. Bewertungsfragen

In Bezug auf die Ermittlung der steuerpflichtigen Bereicherung stellen sich ebenso Folgefragen. Eine Bewertung der betreffenden Kapitalgesellschaftsanteile vor und nach der jeweiligen Leistung an die GmbH kann in bestimmten Konstellationen zu identischen Ergebnissen führen. Bspw. ist bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen unter fremden Dritten innerhalb des letzten Jahres ein Wertunterschied in der juristischen Sekunde vor und nach der Leistung an die GmbH meines Erachtens im Grundsatz nicht denkbar, soweit auf den- oder dieselben Verkaufsfälle abgestellt wird. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist bei der – laut Gesetz vorrangigen – Bewertung durch Ableitung aus Verkäufen unter fremden Dritten im Grundsatz auch der Substanzwert, welcher durch die Leistung an die GmbH im Regelfall steigen dürfte, als Korrektiv ausgeschlossen (R B 11.5 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019). Soweit das Finanzamt jedoch zur Lösung dieses „Problems“ einfach den Wert der Leistung an die GmbH dem Anteilswert vor der Leistung an die GmbH hinzuaddieren würde, wäre man wieder am vom BFH verworfenen Ausgangspunkt der vorliegenden BFH-Entscheidungen angekommen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung und der BFH hierzu künftig positionieren.

D. Fazit

Die aktuellen Entscheidungen des BFH zu § 7 Abs. 8 ErbStG sind nur ein kleiner Schritt zur Herstellung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in diesem Zusammenhang, dem hoffentlich eine eindeutigere Folgeentscheidung im Revisionsverfahren zum FG Münster folgen wird. Vorerst bleibt festzuhalten, dass für die Praxis in vielen Konstellationen Vorsicht geboten ist. Die erste Euphorie in der Wissenschaft und Praxis nach der Entscheidung des FG Münster, dass § 7 Abs. 8 ErbStG einen gewissen Bereicherungswillen voraussetzt, ist durch den BFH wieder etwas eingefangen worden. Beim genaueren Hinsehen sind jedoch zumindest Tendenzen in diese Richtung weiter festzustellen. Es bleibt spannend.

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