Gelungen? Übers Ziel hinaus!
So sollen Arbeitgeber in bislang betriebsratslosen Betrieben gleichsam Werbeveranstaltungen für die Gründung eines Betriebsrats durchführen. Der Arbeitgeber hat demnach einmal im Kalenderjahr die Beschäftigten zu einer Betriebsversammlung während der Arbeitszeit einzuladen und dort über die Möglichkeit der Wahl eines Betriebsrats zu informieren. Auf diese Weise soll die Zahl der Betriebe mit Betriebsrat erhöht werden. Gewerkschaftsvertreter beklagen seit langem, dass die Existenz von Betriebsräten nur eine „atypische Erscheinung“ sei, weil nur in neun Prozent aller Betriebe ein Betriebsrat besteht, meist in Großunternehmen. Unverständlich bleibt jedoch, warum es künftig Aufgabe des Arbeitgebers sein soll, hieran etwas zu ändern. Auch die praktisch bedeutende Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten kommt auf den Prüfstand. So soll der ohnehin bereits umfassende Katalog der Mitbestimmungsrechte beträchtlich erweitert werden. Hervorzuheben sind hier Maßnahmen zum Schutz der Würde und der Persönlichkeit der Beschäftigten, Maßnahmen des betrieblichen Datenschutzes sowie Maßnahmen, die geeignet sind, dem Umwelt- und Klimaschutz zu dienen. Die Unbestimmtheit dieser Formulierungen würde erhebliche Rechtsunsicherheiten mit sich bringen, die über Jahre die Arbeitsgerichte beschäftigen würden. Zudem begegnet die Ausweitung der Mitbestimmung beim Datenschutz großen Bedenken. So monieren Unternehmen schon jetzt die Blockadehaltung vieler Betriebsräte bei der dringend erforderlichen Einführung neuer Softwarelösungen. Soweit der DGB die technologische Entwicklung im Blick gehabt haben sollte, wäre ein Vorschlag zu diesem häufigen Streitthema zu erwarten gewesen. Eine wesentliche Änderung ist auch für den Interessenausgleich vorgesehen, der insbesondere vor größeren (Teil-)Betriebsstillegungen erforderlich ist, um Art und Umfang der Maßnahme festzulegen. So soll laut DGB, falls – wie in der Regel – keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat möglich ist, die Einigungsstelle über den Inhalt des Interessenausgleichs entscheiden. Mit anderen Worten: Der oder die Vorsitzende der Einigungsstelle würde als betriebsfremder Dritter über den Umfang eines Personalabbaus entscheiden können – ein kaum zu rechtfertigender Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Eine Umkehrung der bisherigen Verhältnisse im Kündigungsschutz verbirgt sich unter der vorgeschlagenen Neuregelung zur Mitbestimmung bei Kündigungen. Der Entwurf sieht ein Verfahren vor, wo dem Betriebsrat die Rolle eines vorgelagerten Arbeitsgerichts zukäme. Hiernach würde der Betriebsrat künftig einer geplanten Kündigung widersprechen können, wenn aus seiner Sicht die ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Im Falle des Widerspruchs müsste der Arbeitgeber binnen zwei Wochen beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Zulassung der Kündigung stellen. Erst nach der arbeitsgerichtlichen Zulassung könnte der Arbeitgeber kündigen. Nach diesem Konzept gäbe es wohl weniger Kündigungsschutzklagen der Arbeitnehmer, dafür jedoch Kündigungszulassungsklagen der Arbeitgeber. Das Entgeltfortzahlungsrisiko der Arbeitgeber würde erheblich ausgeweitet, da das Entgelt bei einer Kündigung ohne Zulassung bis zum Abschluss des dann erforderlichen Kündigungsschutzverfahrens weiterzuzahlen und der Mitarbeiter in dieser Zeit unverändert zu beschäftigen wäre. Neben dieser Änderung des Kündigungsschutzes strebt der DGB mit seinem Entwurf offenbar einen umfassenden Beendigungsschutz an. Laut des Entwurfs sollen nämlich Aufhebungsverträge unwirksam sein, wenn der Betriebsrat vor ihrem Abschluss nicht unterrichtet wurde oder der Beschäftigte nicht auf das Recht zur Hinzuziehung eines Mitglieds des Betriebsrats hingewiesen wurde. Ähnlich systemfremd ist die vorgeschlagene Verankerung weiterer Individualrechte der Arbeitnehmer. Demnach sollen Beschäftigte mindestens eine Stunde pro Woche von der Arbeit freizustellen sein, um ihre Beteiligungsrechte in den sie betreffenden Angelegenheiten im Betrieb wahrnehmen zu können. Der DBG bezeichnet dies als sogenannte „Demokratiezeit“. Entgegen dem Grundsatz im deutschen Arbeitsvertragsrecht „ohne Arbeit kein Lohn“ würde dies auf ein Jahr hochgerechnet etwa eine Woche bezahlte Freistellung pro Mitarbeiter bedeuten. Welche Kosten dies für die Unternehmen verursachen würde, bedarf keiner Erwähnung.
Ausblick
Der DGB selbst versteht seinen Entwurf als Aufruf zur Diskussion. Ob dieser Aufruf auf fruchtbaren Boden fällt, ist schon aufgrund der allgemeinen politischen Lage zu bezweifeln, in der gegenwärtig andere Prioritäten herrschen. Auch der Koalitionsvertrag räumt dem Thema keine Dringlichkeit ein. Beim DGB mag man sich angesichts des Wahlausgangs gedacht haben: Wenn nicht jetzt, wann dann?