Bisher wenig Konsens über steuerliche Bewertung
Verschiedene Landesfinanzverwaltungen hatten sich in der Vergangenheit schon zu einzelnen Aspekten geäußert; das BMF hatte sich bisher nur hinsichtlich der Umsatzsteuer zu Wort gemeldet. Auch vor den Finanzgerichten sind erste Verfahren anhängig – bisher besteht zwischen Berlin (13 V 13100/19) und Nürnberg (3 V 1239/19) bei summarischer Prüfung im vorläufigen Rechtsschutz nicht einmal Einigkeit, ob es sich bei Krypto Token um ein Wirtschaftsgut handelt. Kurzum: in der Praxis besteht bisher wenig Konsens über die steuerliche Bewertung der sich rasant entwickelnden Blockchain-Technologie. Mit dem BMF-Schreiben soll ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer einheitlichen Besteuerung von Krypto Token getan werden – auch um die Blockchain-Strategie der Bundesregierung voranzutreiben, wonach Deutschland ein attraktiver Standort für die Entwicklung von Blockchain-Anwendungen und Investitionen in ihre Skalierung sein soll.
Der Entwurf des BMF ist zweigeteilt. Der erste Teil enthält eine Beschreibung der Blockchaintechnologie, der wesentlichen Konsensmechanismen, einiger Eigenheiten der Technologie wie Forks oder dem Einsatz von Airdrops. Im zweiten Teil werden diese Sachverhalte steuerlich eingeordnet. Die einleitende Sachverhaltsdarstellung ist insofern von besonderer Bedeutung für die zutreffende steuerliche Beurteilung.
Klare Trennung von Mining und Staking erforderlich
Kritisch zu bewerten ist, dass zum Teil grundlegende technische Eigenheiten nicht ausreichend berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Unterscheidung des „Minings“ im Proof-of-Work-Verfahren und des „Stakings“ im Proof-of-Stake-Verfahren. Beide Verfahren stellen sog. Konsensmechanismen dar. Während beim Mining unter hohem Ressourceneinsatz aufwändige kryptographische Aufgaben zu lösen sind (Stichwort: Serverfarm), ist dies beim Staking entbehrlich – es genügt ein alter Laptop. Das Staking zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass vorhandene Krypto Token als Sicherheit zur Verfügung gestellt werden. Schon diese stark vereinfachte Darstellung zeigt die erheblichen Unterschiede zwischen beiden Verfahren.
Diese schlagen sich auch in der steuerlichen Einkünftequalifikation nieder. Der Miner wird regelmäßig gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG) erzielen. Dies ergibt sich bereits aus den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für eine gewerbliche Tätigkeit. Nicht recht zu überzeugen vermag es daher, wenn das BMF im Erlasswege eine eigene Gewerblichkeitsvermutung aufstellt – zumal der Entwurf keine Ausführungen dazu enthält, wie der Steuerpflichtige die Vermutung widerlegen kann. Hinzu kommt, dass die Finanzämter auf der anderen Seite explizit angehalten werden, die Gewinnerzielungsabsicht zu prüfen, wenn der Steuerpflichtige aufgrund der hohen Kosten für spezielle Hardware und der hohen Energiekosten zunächst Verluste aus dem Mining erzielt. Das BMF sollte hier nicht den Weg einschlagen, Gewinne möglichst der (Gewerbe-)Besteuerung zu unterwerfen, Verluste hingegen der steuerlich irrelevanten privaten Sphäre zuzuordnen.
Insbesondere: Staking von Krypto Token
Der Entwurf behandelt das Staking zum Teil als Unterfall des Minings. Insbesondere die Abgrenzung zur Gewerblichkeit und wohl auch die Gewerblichkeitsvermutung sollen grundsätzlich auf das Staking übertragen werden. Schon aufgrund der wesentlichen, technischen Unterschiede zwischen beiden Konsensmechanismen ist dieser Einordnung entschieden zu widersprechen. Das Staking zeichnet sich gerade nicht durch einen hohen Ressourceneinsatz aus: es wird in der Blockchainpraxis als klimafreundlichere Alternative zum Mining gesehen und soll künftig etwa auf der bedeutenden Ethereum Blockchain zum Einsatz kommen. Das Kriterium des (hohen) Ressourceneinsatzes ist daher nicht geeignet, um das Staking steuerlich einzuordnen.
Beim Staking ist richtigerweise eine differenzierte Betrachtung erforderlich. In neueren Blockchain-Netzwerken hat sich eine gewisse Rollenteilung etabliert (etwa beim sog. Delegated Proof of Stake). Derjenige Nutzer, der Transaktionen verifiziert und einen neuen Block erstellt (sog. Validator), ist dabei nicht mit demjenigen Nutzer personenidentisch, der seine Krypto Token als Sicherheit zur Verfügung stellt (sog. Staker). Sowohl Validator als auch Staker erhalten für ihre Mitwirkung im Konsensmechanismus eine Belohnung in Form von sog. Reward Krypto Token. Diese werden automatisch vom Netzwerk zwischen Validator und Staker aufgeteilt. Der Staker beschränkt sich darauf, eine Sicherheit gegen Entgelt stellen. Das BMF ordnet dieses Entgelt – in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in vergleichbaren Fällen – den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 3 EStG) zu (vgl. BFH vom 14.04.2015 – IX R 35/13, DB 2015 S. 1447). Gleichwohl wäre hinsichtlich der Abgrenzung zu den gewerblichen Einkünften eine Klarstellung wünschenswert. Das gleiche gilt für die Einkünfte eines Validators. Die Abgrenzung sollte anhand der von der Rechtsprechung entwickelten, allgemeinen Kriterien erfolgen – die für das Mining entwickelte, bereichsspezifische Ausformung passt inhaltlich nicht.
„Anschaffungsvorgänge“ im Privatvermögen
Nach dem BMF-Entwurf sind auch die Gewinne aus der Veräußerung von Reward Krypto Token steuerpflichtig, wenn sie innerhalb eines Jahres nach ihrer Zuteilung veräußert werden (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Diese Auffassung widerspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH und sollte daher revidiert werden. Ein Anschaffungsvorgang setzt einen derivativen Erwerb eines bereits bestehenden Wirtschaftsgutes voraus. Es genügt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht, dass das Wirtschaftsgut erst zur Entstehung gebracht wird (BFH vom 30.11.2010 – VIII R 58/07, DB 2011 S. 795). Diese Rechtsprechung überzeugt. § 23 EStG grenzt im Rahmen der Überschusseinkünfte die steuerbare von der nicht steuerbaren Sphäre ab. Grundsätzlich sind Veräußerungsgewinne von im Privatvermögen gehaltenen Wirtschaftsgütern nicht steuerbar. Ebenfalls nicht steuerbar sind nach der dem EStG zugrunde liegenden Markteinkommenstheorie Eigenleistungen (sog. imputed income). Es ist daher folgerichtig, dass allenfalls solche Veräußerungsgewinne steuerbar sind, die auf zuvor entgeltlich angeschaffte (im Privatvermögen gehaltene) Wirtschaftsgüter entfallen.
Weder beim Mining noch beim Staking kommt es zu einem solchen Anschaffungsvorgang. Beim Mining erschafft der Miner die Reward Token selbst. Sie sind Teil des von ihm neugeschaffenen Blocks der Blockchain. Es fehlt insofern an einer Anschaffung. Anders als im BMF-Entwurf dargestellt werden sie auch nicht im Wege des Tausches angeschafft. Zwar wertet der BFH auch den Tausch zweier (bestehender) Wirtschaftsgüter als Anschaffung. Der BFH-Rechtsprechung lässt sich aber nicht entnehmen, dass ein Tausch auch dann tatbestandlich sein soll, wenn das „angeschaffte“ Wirtschaftsgut noch nicht besteht. Diese Grundvoraussetzung einer Anschaffung hat auch für einen Tausch ihre Gültigkeit.
Auch innerhalb des Proof-of-Stake-Verfahrens fehlt es am Erwerb bereits bestehender Reward Krypto Token. Weder der Staker noch der Validator erwirbt einen bestehenden Reward Krypto Token. Die Reward Krypto Token werden vielmehr systemseitig erst nach erfolgreicher Validierung erstellt. Ein Anschaffungsvorgang liegt darin nicht begründet.
Fazit
Der Entwurf des BMF sorgt für eine lang erwartete Einordnung der Besteuerung von Blockchain-basierten Geschäftsmodellen durch die Finanzverwaltung. Erfreulich ist, dass sich das BMF nicht bloß auf ausgewählte Fragestellungen zurückzieht, sondern eine umfassende steuerliche Beurteilung vornimmt. Naturgemäß sind neuere Phänomene wie die Besteuerung von sog. Liquidity Providern im Decentralized Finanance (DeFi) Sektor noch nicht behandelt. Gleichwohl sind aus Sicht der Praxis zum einen Klarstellungen erforderlich – etwa die klare Trennung von Mining und Staking. Zum anderen sollten auch einige materiell-rechtliche Einordnungen differenziert gewürdigt werden, etwa „Anschaffungsvorgänge“ von Reward Krypto Token im Privatvermögen. Diese Themen werden sicherlich auf der Agenda für die Diskussionsveranstaltung zwischen BMF und Stakeholdern stehen.