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09.12.2022

Interview

Nachhaltige Vorstandsvergütung: „one team, one dream, one planet“

Umweltaspekte, soziale Verantwortung und Fragen einer guten Governance – kurz ESG-Aspekte – gewinnen immer mehr an Bedeutung, nicht zuletzt wegen der Anforderungen von Investoren und Aufsichtsbehörden. Lassen Unternehmen ESG-Kriterien auch in die Vergütung von Vorständen einfließen, setzt dies ein starkes Signal nach außen an alle Stakeholder. Wie eine nachhaltige Vorstandsvergütung gestaltet werden kann und was es dabei zu beachten gibt, erklären Dr. Jens Massmann, Partner und Spezialist für Vorstandsvergütung bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, und Wolfgang Hardt, Partner bei EY Hamburg und Experte für Arbeitsrecht, im Interview.

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Jens Massmann und Wolfgang Hardt

DB: Nachhaltigkeit hat immens an Bedeutung gewonnen – die Mehrzahl der Unternehmen hat bereits Nachhaltigkeitskriterien umgesetzt. In der Vorstandsvergütung werden bislang jedoch kaum ESG-Kriterien angewendet. Wieso?

Jens Massmann: Das ist so nicht ganz richtig. Wir sehen zunehmend, dass ESG-Kriterien Eingang in die Vorstandsvergütung finden und das sogar als eigenständige Leistungsindikatoren – nicht zuletzt, da dies neben der Öffentlichkeit und der eigenen Belegschaft auch der Gesetzgeber und die Investoren verstärkt einfordern. Ich möchte diesen Trend gerne kurz in Zahlen veranschaulichen: Während 2019 nur fünf der DAX30-Unternehmen ESG-Ziele in der Vorstandsvergütung verankert hatten, sind es 2021 bereits 93 % – und die Tendenz geht sogar dahin, dass sowohl in der kurz- als auch in der langfristigen variablen Vergütung ESG-Ziele verankert werden.

DB: Dann scheint die Richtung also klar … aber welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, um die Vergütung von Vorständen „nachhaltig“ zu gestalten?

Wolfgang Hardt: Bei der ganzen Diskussion darf man nicht vergessen, dass vor allem in der Vergangenheit unter nachhaltiger Unternehmensentwicklung vor allem langfristiger und nachhaltiger finanzieller Erfolg verstanden wurde. Diese Wahrnehmung hat sich jedoch wesentlich auf die Dimensionen ESG erweitert – vor allem auch deshalb, da sich der Fokus von § 87 Abs. 1 S. 2 AktG („Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.“) von langfristig auf nachhaltig verschoben hat und unter Nachhaltigkeit in der Praxis ESG-Kriterien verstanden werden.

Primär kann die Vorstandsvergütung also nachhaltig gestaltet werden, indem sie neben den finanziellen Zielen auch die ESG-Kriterien abbildet. Inwiefern die Verlagerung des Fokus der Gesetzgebung jedoch als fakultative oder zwingende Einbeziehung der ESG-Kriterien in die Vorstandsvergütung zu verstehen ist, wird in der Praxis noch breit diskutiert.

Jens Massmann: Übrigens werden marktüblich die ESG-Kriterien nicht nur auf der Ebene der Vorstände in die Vergütung verankert, sondern auch auf die nächsten Führungsebenen kaskadiert. Das unterstützt auch die Awareness in der gesamten Belegschaft des Unternehmens und unterstreicht den „One team, one dream, one planet“-Gedanken. Dies ist elementar dafür, dass derzeit ganze Unternehmenskulturen in Hinblick auf Nachhaltigkeit geschärft werden.

DB: Kann es passieren, dass die Struktur der Vorstandsvergütung das ESG-Programm des Unternehmens konterkariert?

Jens Massmann: Das Gegenteil ist der Fall. Die Einbindung von ESG-Zielen soll vielmehr deren Bedeutung weiter unterstreichen und gezielte sowie wirksame Anreize setzen, um die ESG-Strategie des Unternehmens voranzutreiben und die vereinbarten Ziele zu erreichen. Dies deckt sich mit den regulatorischen Rahmenbedingungen sowie mit den genannten Anforderungen der institutionellen Investoren. Hier gibt es die klare Anforderung, dass die in der Vorstandsvergütung verankerten ESG-Ziele aus dem Geschäftsmodell inklusive der Nachhaltigkeitsstrategie abzuleiten sind.

DB: Wie sollten Unternehmen die ESG- gegenüber den finanziellen Kriterien gewichten?

Wolfgang Hardt: Rechtlich sind weder die finanziellen Kriterien den ESG-Kriterien übergeordnet noch ist dies umgekehrt der Fall. Als die Implementierung von ESG-Zielen in der Vorstandsvergütung noch in ihren Kinderschuhen steckte, waren Unternehmen eher zurückhaltend bei der Gewichtung der ESG-Ziele.

Jens Massmann: Genau. Vorherrschende Marktpraxis war, ESG-Ziele als Korrekturfaktor, einen sogenannten diskretionären Faktor oder Multiplikator, auf die Gesamtzielerreichung der finanziellen Ziele ex post anzuwenden. Dieser betrug oftmals zwischen 0,8 und 1,2. Aufgrund der steigenden Relevanz dieses Themas hat man den Multiplikatoren jedoch zunehmend den Rücken gekehrt – ein Korrekturfaktor wirkt oft eher nebensächlich. Inzwischen sehen wir eine klare Tendenz zur Implementierung von eigenständigen, quantifizierbaren und spezifischen ESG-Zielen.

Im Jahr 2021 haben sich mehr als zwei Drittel der DAX40-Unternehmen für die Verankerung eigenständiger ESG-Ziele, meist mit einer geringeren, jedoch spürbaren Gewichtung als finanzielle Ziele entschieden. Oftmals tragen die ESG-Ziele zwischen 10 % und 25 % zur Gesamtzielerreichung bei. Übrigens sind auch die Unterschiede in den Zielerreichungen der finanziellen und der ESG-Ziele sehr interessant. Während im Geschäftsjahr 2020 die ESG-Ziele mit einer durchschnittlichen Zielerreichung von rund 120 % klar übererfüllt wurden, lag die durchschnittliche Zielerreichung der finanziellen Ziele bei nur rund 80 %. Im zurückliegenden Geschäftsjahr hat sich dieses Bild gedreht und die ESG-Ziele hatten mit 107 % eine rund 19 Prozentpunkte geringere durchschnittliche Zielerreichung als die finanziellen Ziele. Neben der Coronapandemie haben sicher die neuen Anforderungen an die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der ESG-Ziele eine Rolle gespielt.

DB: Werden die Nachhaltigkeitsziele in den kurzfristigen Short Term Incentives (STI) verankert oder in den langfristigen Long Term Incentives (LTI)?

Jens Massmann: Auch hier können wir einen klaren Trend erkennen: Zwar ist es momentan noch so, dass der Großteil der DAX40-Unternehmen ESG-Ziele eher in der kurzfristigen variablen Vergütung implementiert. Mittlerweile finden die ESG-Ziele auch Anwendung in der langfristigen variablen Vergütung. Damit werden Nachhaltigkeit und Langfristigkeit, wie vom Gesetzgeber gefordert, miteinander verknüpft. Jedoch ist nicht jedes ESG-Ziel für die Einführung in der langfristigen variablen Vergütung geeignet. Bei der Auswahl der ESG-Ziele und der Entscheidung, ob diese in die kurz- oder langfristige variable Vergütung implementiert werden sollen, ist der Zeithorizont beziehungsweise Messzyklus ausschlaggebend. Oftmals werden daher eher langfristige Nachhaltigkeits- beziehungsweise Umweltziele wie zum Beispiel die Reduktion von CO2-Emissionen (Scope 1, 2 und 3) eher in der langfristigen variablen Vergütung widergespiegelt. ESG-Ziele wie zum Beispiel Mitarbeiterzufriedenheit oder die Reduktion von Arbeitsunfällen, deren Umsetzung und Messung kurzfristiger erfolgen kann, finden dagegen häufig Eingang in die kurzfristige variable Vergütung. Bei neuen Zielsetzungen ist es leichter, zunächst kurzfristige Ziele zu verankern, da längerfristige Zeithorizonte noch schwer zu greifen sind. Die jetzt verstärkte Implementierung von ESG-Zielen in der langfristigen variablen Vergütung zeigt den Lernprozess.

DB: Spielen ESG-Kriterien in der Vorstandsvergütung auch eine Rolle mit Blick auf den Zugang zu Finanzierungen?

Jens Massmman: Absolut! Für institutionelle Investoren rückt der Klimawandel und seine negativen Auswirkungen auf die langfristige Wertentwicklung ihrer Investitionen in den Fokus. Daher wird zunehmend die Berücksichtigung von ESG-Zielen in der variablen Vergütung gefordert. Übrigens sind ESG-Kriterien auch ein großes Thema für Stimmrechtsberater. Unternehmen sind daher gut beraten, diesen Forderungen zu folgen, da sich diese auch in niedrigeren Kapitalkosten und einem besseren Kapitalmarktzugang niederschlagen – nicht zuletzt, um negative Abstimmungsergebnisse zum Vorstandsvergütungssystem auf der nächsten Hauptversammlung zu vermeiden. Ferner ist die Orientierung an nachhaltigen Zielen abseits des Kapitalmarkts ein essenzielles Thema, beispielsweise bei der Gewinnung von neuen Mitarbeitenden, die dem Thema Nachhaltigkeit eine gesteigerte Bedeutung beimessen.

DB: Haben Sie Best-Practice-Empfehlungen zur Verknüpfung von ESG und Vorstandsvergütung?

Jens Massmann: Meine Best-Practice-Empfehlung ist, dass die Einführung von ESG-Zielen in die Vorstandsvergütung nach dem „Gießkannenprinzip“ nicht zielführend ist. Es ist wichtig, die ESG-Ziele auf jedes Unternehmen individuell zuzuschneiden und die Synchronität mit der Nachhaltigkeitsstrategie sicherzustellen. Das gewährleistet, dass das unternehmerische Handeln des Vorstands und die ESG-Ziele der variablen Vorstandsvergütung effizient miteinander verknüpft werden. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass es für die Unternehmen nach wie vor eine große Herausforderung darstellt, geeignete ESG-Ziele zu identifizieren, zu kalibrieren und messbar zu machen.

Wolfgang Hardt:  Zugleich kann die Vorgabe (zu) bestimmter ESG-Ziele konkurrierenden Unternehmen auch Rückschlüsse auf die langfristige und strategische Ausrichtung ermöglichen. Deshalb sollte vor der Auswahl von ESG-Zielen ein sorgfältiger Abwägungsprozess stehen.

DB: Vielen Dank für das Interview!


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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