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29.08.2023

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Mitarbeiterbeteiligung als neues Zukunftsmodell?

Mittlerweile liest und hört man es überall: Der Wirtschaftsstandort Deutschland verliert im internationalen Vergleich immer mehr an Bedeutung. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sollen neue gesetzliche Regelungen das Gründen und Wirtschaften in Deutschland attraktiver machen. Entsprechend hat die Bundesregierung am 16.08.2023 den Entwurf des sog. Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) beschlossen. Wesentlicher Bestandteil des ZuFinG ist die Modernisierung der Mitarbeiterbeteiligung, die auf die Vermögensbildung der Mitarbeiter und ihre Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abzielt. In vielen Ländern gelten Mitarbeiterbeteiligungen bereits als ein zentraler Schlüssel für ein dynamisches Wirtschaftswachstum wie beispielsweise im Silicon Valley. In Deutschland besteht hier noch ein deutlicher Aufholbedarf.

Mitarbeiterbeteiligung als neues Zukunftsmodell?

StBin Nikola Hertel
ist Associate bei POELLATH in Berlin

I. Formen der Mitarbeiterbeteiligung

Die international in vielfacher Ausprägung bestehenden Mitarbeiterbeteiligungsprogramme können im Wesentlichen in zwei Gruppen eingeteilt werden: die „echten“ Anteilsbeteiligungen und die virtuellen Anteilsbeteiligungen.

Über die „echte“ Anteilsbeteiligung wird der Mitarbeiter direkt am Kapital beteiligt und ist somit Mitgesellschafter. Als Mitgesellschafter stehen ihm nicht nur eine Beteiligung am Gewinn des Unternehmens, sondern auch weitreichende Informations-, Kontroll- und Mitbestimmungsrechte zu. Für das Unternehmen bzw. die bisherigen Gesellschafter führt die „echte“ Anteilsbeteiligung typischerweise zu einem erhöhten bürokratischen Aufwand.

Zu einer Untergruppe der „echten“ Anteilsbeteiligungen gehören die Optionsrechte auf Unternehmensanteile. In diesem Fall steht dem Mitarbeiter ein schuldrechtlicher Anspruch zu, Anteile zu einem zuvor bestimmten Ausübungspreis unter festgelegten Bedingungen zu erhalten. Erst bei Ausübung der Option erhält der Optionsinhaber „echte“ Anteile an dem Unternehmen, die den bei der „echten“ Anteilsbeteiligung beschriebenen Gesellschafterrechten entsprechen.

Über die virtuelle Anteilsbeteiligung wird dem Mitarbeiter dagegen keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung, sondern eine rein schuldrechtlich vermittelte wirtschaftliche Beteiligung eingeräumt. Auch wenn der Mitarbeiter somit kein Gesellschafter ist, wird er durch den Bezug von Gewinnbeteiligungen und möglichen Exit-Erlösen monetär so gestellt, als wäre er direkt beteiligt. Der für das Gesellschaftsrecht entstehende Kosten- und Verwaltungsaufwand entfällt.

II. Steuerliche Behandlung von „echten“ und virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen

1. Übertragung von „echten“ Anteilen

Die Übertragung von „echten“ Anteilen führt bei unentgeltlicher oder auch nur vergünstigter Übertragung einer Beteiligung grundsätzlich als geldwerter Vorteil zu einer Versteuerung als Arbeitslohn. Die Lohnsteuer wird hierbei bereits zum Zeitpunkt der Übertragung der Beteiligung bzw. der Ausübung des Optionsrechts fällig, ohne dass dem Mitarbeiter insoweit liquide Mittel zugeflossen sind. Um den Nachteil dieser sog. „Dry-Income“-Besteuerung zu reduzieren, gibt es seit Einführung des § 19a EStG zum Juli 2021 durch das sog. Fondsstandortgesetz für Mitarbeiter von kleinen und mittleren Unternehmen („KMU“) die Möglichkeit eines Besteuerungsaufschubs. Statt der Besteuerung im Jahr der Übertragung unterliegt der gesamte Arbeitslohn erst dann der Lohnsteuer, wenn

  1. die Vermögensbeteiligung ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird (auch bei Einlagen in ein Betriebsvermögen),
  2.  seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung zwölf Jahre vergangen sind oder
  3. das Dienstverhältnis zu dem bisherigen Arbeitgeber beendet wird.

Dabei wird zum Vorteil des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Nachversteuerung eine mögliche Werterhöhung der Vermögensbeteiligung nicht berücksichtigt, während eine betrieblich veranlasste Wertminderung einzubeziehen ist.

Da die insgesamt in § 19a EStG aufgeführten Voraussetzungen für die Nutzung des Besteuerungsaufschubs jedoch für viele Unternehmen eine große Hürde darstellen und sich die Attraktivität von Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland hierdurch kaum erhöht hat, sollen die Voraussetzungen durch den Regierungsentwurf des ZuFinG erleichtert werden. Entsprechend sollen zum 01.01.2024 im Wesentlichen die folgenden Anpassungen in Kraft treten:

  • Erhöhung des Freibetrags für den geldwerten Vorteil von 1.440 € auf 5.000 € und Möglichkeit einer Entgeltumwandlung bis 2.000 € nach § 3 Nr. 39 EStG;
  • Möglichkeit der Übertragung einer Beteiligung auch an verbundenen Unternehmen des Arbeitgebers;
  • Verdopplung des maximalen Jahresumsatzes auf 100 Mio. € und der maximalen Jahresbilanzsumme auf 86 Mio. € sowie Vervierfachung der maximalen Mitarbeiterzahl auf 1.000 für KMU;
  • Erweiterung des Zeitraums für die maximal zurückliegende Unternehmensgründung von 12 auf 20 Jahre;
  • Erweiterung des Zeitraums für die zurückliegende Übertragung der Vermögensbeteiligung von 12 auf 20 Jahre als Zeitpunkt der Nachversteuerung sowie
  • Möglichkeit eines weiteren Besteuerungsaufschubs bis zur Veräußerung der Anteile, wenn der Arbeitgeber bereit ist, die Haftung für anfallende Lohnsteuer im Falle eines Wechsels des Arbeitgebers (Leaver-Fälle) oder bei Ablauf von 20 Jahren ab Ausgabe der Geschäftsanteile (Long-Stop Date) zu übernehmen.

2. Übertragung von virtuellen Anteilen

Anders als bei „echten“ Anteilsbeteiligungen führt nicht schon die Übertragung virtueller Anteilsbeteiligungen zum Anfall von Lohnsteuer. Hierin liegt ein entscheidender Vorteil von virtuellen Anteilsbeteiligungen: Ihre Übertragung umgeht die „Dry-Income“-Problematik, da ein Mitarbeiter erst bei entsprechendem Liquiditätszufluss besteuert wird. Somit bedarf es keiner Stundungsregelung wie für die Übertragung einer „echten“ Anteilsbeteiligung durch § 19a EStG. Dafür unterliegen alle Zuflüsse aufgrund von virtuellen Anteilen (d.h. Gewinnbeteiligungen oder Exit-Erlöse) der Lohnsteuer, da sie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 EStG darstellen. Sollte der Wert des Unternehmens in der Zwischenzeit steigen, würde entsprechend zum Nachteil des Steuerpflichtigen ein größerer Teil des Gesamtwerts der Lohnsteuer unterliegen.

III. Mitarbeiterbeteiligungen bei der Unternehmensnachfolge

Durch die demografische Entwicklung ist eine erhebliche Zunahme von Unternehmensübertragungen zu erwarten. Das Institut für Mittelstandsforschung schätzt, dass allein im Zeitraum 2022 bis 2026 etwa 190.000 Unternehmen zur Übergabe bereitstehen. Um die vom Generationswechsel betroffenen Unternehmen und die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze zu erhalten, kann auch hier die Mitarbeiterbeteiligung ein sinnvolles Instrument darstellen. So können im Vergleich zu einer Übernahme durch unternehmensfremde Investoren nicht nur die Interessen von Alteigentümern und Mitarbeitern besser bedacht, sondern mögliche Firmennachfolger bereits langfristig an die unternehmerische Verantwortung herangeführt werden.

IV. Fazit

Auch wenn die Anpassungen der Voraussetzungen durch den Regierungsentwurf zum ZuFinG ein guter Anfang sind, besteht weiterer Handlungsbedarf.

So besteht nach wie vor eine Bewertungsproblematik der übertragenen Anteile, da oft mangels Marktreife kein geeigneter Marktwert zur Verfügung steht oder die gängigen Bewertungsverfahren zu einem unzutreffenden Unternehmenswert führen. Somit sollte dem Arbeitgeber der Anspruch eingeräumt werden, sich den Anteilswert vor der Übertragung „echter“ Anteile verbindlich durch das Finanzamt bestätigen zu lassen; derzeit ist dies nach § 19a Abs. 5 EStG nur nachträglich möglich.

Weiterhin sollte der Anwendungsbereich des § 19a EStG auf Unternehmen aller Größenklassen ausgeweitet werden. So können Mitarbeiterbeteiligungsprogramme für Unternehmen jedweder Größe und in jedweder Unternehmensphase bis hin zur Unternehmensnachfolge ein sinnvolles Instrument sein, um hoch qualifizierte Talente zu gewinnen, zu motivieren und stärker an das Unternehmen zu binden.

Es bleibt zu hoffen, dass im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens noch entsprechende Anpassungen vorgenommen werden. An einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm interessierte Unternehmer und Mitarbeiter sollten sich jedenfalls frühzeitig mit den verschiedenen Möglichkeiten der Ausgestaltung und den jeweils damit verbundenen Chancen und (steuerlichen) Risiken auseinandersetzen, um das für sie geeignetste Modell zu finden.

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