Unter dem Strich hat der Mindestlohn in Deutschland bislang keine negativen Arbeitsmarkteffekte gebracht und auch Preissteigerungen sind gesamtwirtschaftlich nicht spürbar. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung.
Im Gegensatz zur internationalen Forschung waren sich viele deutsche Wirtschaftswissenschaftler weitgehend einig – der gesetzliche Mindestlohn werde Beschäftigung kosten, je nach Modellrechnung bis zu 1,5 Millionen Jobs. Doch die Analyse von Dr. Claudia Weinkopf und Dr. Thorsten Schulten, Mindestlohnexpertin vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen und der Forscher der Hans-Böckler-Stiftung, zeigt: Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen hat seit Jahresbeginn weiter zugenommen. Die kräftigsten Zuwächse verzeichnen Branchen, die besonders stark vom Mindestlohn betroffen sind. Laut der Studie, die auf Daten der Bundesagentur für Arbeit und des Statistischen Bundesamts fußt, ist die Zahl der Arbeitslosen zwischen Dezember 2014 und Juni 2015 saisonbereinigt um 55.000 oder 2 Prozent gesunken. In Ostdeutschland – wo anteilig mehr Beschäftigte vom Mindestlohn profitiert haben dürften – war der Rückgang mit 3,4 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Westen.
Mindestlohn sorgt für Kaufkraftgewinn
Spürbare Kaufkraftzuwächse hat unlängst die Bundesbank in ihrem Monatsbericht dokumentiert: Danach sind im ersten Quartal 2015 die Stundenverdienste von un- und angelernten Arbeitnehmern deutlich überdurchschnittlich angestiegen. Besonders begünstigt waren Beschäftigte in Ostdeutschland. Dieser Kaufkraftgewinn habe laut Studie die Inlandsnachfrage gestärkt und damit die Entstehung neuer Beschäftigung gefördert.
Zusammenhang zwischen Preisentwicklung und Mindestlohn
Während die prophezeiten Jobverluste mithin nicht nachweisbar sind, halten die Autoren einen Zusammenhang zwischen der Preisentwicklung in einigen wenigen Branchen und dem Mindestlohn für plausibel. Dass landwirtschaftliche Produkte wie Obst und Gemüse um bis zu 11,5 Prozent, die „Personenbeförderung im Straßenverkehr“ um 10,1 Prozent und Zeitungen und Zeitschriften um 4,2 Prozent teurer geworden sind, könnte demnach zumindest teilweise der neuen Lohnuntergrenze geschuldet sein. Allerdings vermuten Schulten und Weinkopf in der Landwirtschaft und bei der Zeitungszustellung daneben auch nennenswerte „Mitnahmeeffekte“ – schließlich gelten in beiden Branchen gesonderte Mindestlöhne, die noch deutlich unter 8,50 Euro liegen. Zudem seien die isolierten Preissteigerungen gesamtwirtschaftlich nicht spürbar: „Der durchschnittliche Anstieg der Verbraucherpreise war mit 0,4 Prozent äußerst gering, was vor allem an den immer noch rückläufigen Energiepreisen liegt.“
(Hans-Böckler-Stiftung / Viola C. Didier)