Für eine Anhebung der Untergrenze des gesetzlichen Mindestlohns ab 2017 gibt es verschiedene Orientierungsmarken. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Bereits ein Jahr nach der Einführung des Mindestlohns zeigt sich: Die neue Untergrenze hat das Lohngefüge verändert. Dabei haben vor allem weniger gut qualifizierte Arbeitnehmer aufgeholt – anders als in den Vorjahren. 2015 sind die Bruttostundenlöhne von Voll- und Teilzeitbeschäftigten gestiegen, im dritten Quartal um 2,0 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. In Ostdeutschland lag die Steigerung im Schnitt sogar bei 3,6 Prozent, in Westdeutschland bei 1,7 Prozent. Die stärksten Zuwächse erzielten ungelernte Frauen in Ostdeutschland mit 8,5 Prozent, bei Männern der gleichen Gruppe gab es ein Plus von 8,0 Prozent.
Anhebung des Mindestlohns auf 9 Euro?
Derzeit werde über die Anhebung des Mindestlohns diskutiert, so das WSI. Diese soll erstmals Anfang 2017 erfolgen. Als Orientierungsgröße für die Empfehlung der Mindestlohnkommission gilt die Entwicklung der Tariflöhne in den Vorjahren. Nach dem Tarifindex des Statistischen Bundesamtes stiegen die Tariflöhne 2014 und 2015 insgesamt um 5,5 Prozent. Das heißt für den Mindestlohn: Er müsste auf etwa neun Euro angehoben werden.
Forderung nach europaweit koordinierter Mindestlohnpolitik
Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob ein solches Mindestlohnniveau tatsächlich den im Gesetz geforderten „angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ gewährleistet, heißt es im WSI-Bericht. Für eine Abwägung sehen die Forscher verschiedene relevante Orientierungsmarken: So liegen die Mindestlöhne in Westeuropa derzeit alle oberhalb von neun Euro pro Stunde. Der französische Mindestlohn liegt sogar mehr als einen Euro über dem deutschen Niveau. Auch relativ betrachtet ist der deutsche Mindestlohn niedrig: Er entspricht weniger als 50 Prozent des Medianlohns in Deutschland. In den Diskussionen um eine europaweit koordinierte Mindestlohnpolitik werde oft eine Untergrenze von 60 Prozent des Medianlohns im jeweiligen Land als „angemessen“ betrachtet. Für Deutschland würde dies eine Erhöhung auf mehr als zehn Euro bedeuten. Oberhalb dieser Marke liegen auch die meisten tariflich vereinbarten Branchenmindestlöhne.
(Hans-Böckler-Stiftung, PM vom 29.01.2016/ Viola C. Didier)