I. Einführung
Steuergestaltungen sind gegenwärtig bereits dann anzeigepflichtig, wenn sie einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen. Gesetzlich ist dies in den §§ 138d–k AO verankert. Hintergrund war die RL (EU) 2018/822 des Rates vom 25.05.2018 zur Änderung der RL 2011/16/EU (sog. DAC 6-Richtlinie), mit der die Mitgliedstaaten zur Einführung entsprechender Mitteilungspflichten verpflichtet worden sind. Mit dem nun vorliegenden Referentenentwurf des BMF soll eine diesen Regelungen ähnelnde Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen eingeführt und damit die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausweitung der bestehenden Mitteilungspflicht umgesetzt werden (Koalitionsvertrag 2021, S. 166). Diese Regelungen sollen ab dem 01.01.2025 in Kraft treten, aber bereits solche Gestaltungen erfassen, deren erster Schritt nach dem Tag der Verkündung des Wachstumschancengesetzes und vor dem 31.01.2025 umgesetzt worden ist.
Erklärtes Ziel der Novelle ist es, Gesetzeslücken früher als bisher aufzuspüren und hierauf reagieren zu können. Darüber hinaus sollen die Finanzämter hierdurch in die Lage versetzt werden, die aus den Mitteilungen gewonnenen Informationen veranlagungsunterstützend auszuwerten und so die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu fördern (RefE vom 17.07.2023, S. 181).
II. Vorliegen einer mitteilungspflichtigen innerstaatlichen Steuergestaltung
Liegt eine innerstaatliche Steuergestaltung vor, ist diese dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) anzuzeigen. Für das Vorliegen einer entsprechenden Gestaltung müssen verschiedene Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein.
Eine meldepflichtige Steuergestaltung ist danach jede Gestaltung,
- die keine grenzüberschreitende Steuergestaltung i.S.d. § 138d Abs. 2 i.V.m. § 138e AO ist,
- die eine Steuer vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer zum Gegenstand hat,
- die mindestens ein Kennzeichen i.S.d. Absatzes 3 aufweist und
- von der ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes entsteht.
Allerdings handelt es sich nicht bei jeder Gestaltung um eine Steuergestaltung im vorbenannten Sinne. So liegt eine Steuergestaltung etwa dann nicht vor, wenn ein Steuerpflichtiger lediglich den Ablauf einer gesetzlichen Frist oder eines Zeitraums abwartet, nach welchem er eine Transaktion steuerfrei oder nicht steuerbar realisieren kann. Unerheblich ist auch, ob die Gestaltung modellhaft angelegt ist.
Liegen diese und damit eine innerstaatliche Steuergestaltung im Ergebnis vor, führt dies für sich allein genommen noch nicht zu einer Mitteilungspflicht. Hinzutreten muss mindestens ein sog. nutzerbezogenes oder ein sog. gestaltungsbezogenes Kriterium.
Keine grenzüberschreitende Steuergestaltung
Bei der vorliegenden Steuergestaltung darf es sich nicht um eine grenzüberschreitende, sondern ausschließlich um eine solche mit rein innerstaatlichem Anknüpfungspunkt handeln. So sollen Doppelmeldungen vermieden werden.
Betroffenheit der Steuer
Die Steuergestaltung muss sich auf Steuern vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer auswirken. Andere Steuern (z.B. Grundsteuer) sind von einer Mitteilungspflicht ausgenommen.
Kennzeichen
In § 138l Abs. 3 AO-E werden abschließend Kennzeichen aufgezählt, die bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen eine Mitteilungspflicht begründen. Die Norm deckt sich größtenteils mit den Kennzeichen der mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Neu ist jedoch die Einfügung folgender drei – nur für innerstaatliche Steuergestaltungen geltende – Kennzeichen:
- Derselbe steuererhebliche Sachverhalt wird mehreren Nutzern oder anderen Steuerpflichtigen oder einem Nutzer oder Steuerpflichtigen mehrfach zugeordnet. Dies betrifft etwa Konstellationen, die zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Mehrfachberücksichtigung und so zu einer Verringerung von Steueransprüchen führen können.
- Durch aufeinander abgestimmte Rechtsgeschäfte werden zweckgerichtet steuerwirksame Verluste und ganz oder teilweise steuerfreie Einkünfte erzeugt. Hier will der Gesetzgeber insbesondere sog. Kopplungsgeschäfte erfassen.
- Ein an der Gestaltung Beteiligter unternimmt unangemessene rechtliche Schritte, um für sich oder einen Dritten einen steuerlichen Vorteil im Bereich des Steuerabzugs vom Kapitalertrag zu erzeugen. Dies betrifft vor allem solche Gestaltungen, die aus aufeinander abgestimmten Rechtsgeschäften bestehen und das Ziel haben, Steuern zu sparen oder gänzlich zu vermeiden.
Main-benefit-test
Wie schon bei den grenzüberschreitenden Steuergestaltungen führt das Vorliegen eines Kennzeichens nur dann auch zu einer Meldepflicht der innerstaatlichen Steuergestaltung, wenn der zu erwartende Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Steuergestaltung aus der Sicht eines objektiven Dritten die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist (sog. main-benefit-test). Demnach muss bei der Gestaltung die günstige Auswirkung des Steuervorteils im Vordergrund stehen. Durch das Darlegen zwingender außersteuerlicher (insbesondere wirtschaftlicher) Gründe kann dies allerdings widerlegt werden.
Ausnahme: Es ist auch bei den innerstaatlichen Steuergestaltungen vorgesehen, dass das BMF in einem im Bundessteuerblatt zu veröffentlichenden Schreiben für bestimmte Fallgruppen das Vorliegen eines steuerlichen Vorteils verneinen kann (sog. white-list). In diesen Fällen besteht also keine Mitteilungspflicht. Für grenzüberschreitende Steuergestaltungen hat das BMF (Schreiben vom 29.03.2021 – IV A e – S 0304/19/10006 :010, S. 70) bereits eine solche white-list veröffentlicht und darin unter anderem Güterstandsklauseln oder den Abschluss von Poolverträgen zur Herstellung der erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Kapitalgesellschaftsanteilen von einer Meldepflicht ausgenommen.
Vorliegen eines nutzerbezogenen/gestaltungsbezogenen Kriteriums
Liegen die Voraussetzungen einer innerstaatlichen Steuergestaltung vor, führt dies nur dann zu einer Meldepflicht, wenn entweder ein sog. nutzerbezogenes oder ein gestaltungsbezogenes Kriterium erfüllt ist.
Das nutzerbezogene Kriterium ist etwa dann erfüllt, wenn der Nutzer der innerstaatlichen Gestaltung in mindestens zwei der drei Kalenderjahre oder Wirtschaftsjahre, die dem Kalenderjahr vorausgehen, in dem das die Meldefrist begründende Ereignis eingetreten ist, z.B.
- umsatzsteuerbare Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 UStG i.H.v. mehr als 50.000.000 € pro Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr erzielt hat (Umsatzschwelle) oder
- eine Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG einschließlich der nach § 32d EStG dem gesonderten Steuertarif unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen von mehr als 2.000.000 € im Kalenderjahr (Einkünfteschwelle) erzielt hat oder
- ein Einkommen nach § 8 Abs. 1 KStG erzielt und dieses, erhöht um die nach § 8b KStG außer Ansatz bleibenden Bezüge und Gewinne und vermindert um die nach § 8b Abs. 3 und 5 KStG nicht abziehbaren Betriebsausgaben, mehr als 2.000.000 € im Wirtschaftsjahr (Einkommensschwelle) beträgt.
Ein gestaltungsbezogenes Kriterium liegt etwa bei Steuerplanungen vor, die zum Gegenstand haben, dass entweder durch Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung Vermögen übertragen wird, dessen Wert voraussichtlich mindestens 4.000.000 € betragen wird. Dieser Schwellenwert bezieht sich auf den Wert des gesamten Vermögens, das übertragen wird. Daher ist das gestaltungsbezogene Kriterium bereits dann erfüllt, wenn ein Erblasser von Todes wegen Vermögen von voraussichtlich mindestens 4.000.000 € auf mehrere Erben überträgt und die einzelnen Erben jeweils Vermögen unterhalb des Schwellenwerts von 4.000.000 € erhalten. Aber auch sog. „Share-Deal“-Modelle im Grunderwerbsteuerrecht sollen von einer Mitteilungspflicht erfasst sein. Dem Gesetzgeber geht es hierbei um das Aufspüren unbekannter „Share-Deal“-Modelle, um diese einer „gerechten Besteuerung“ zuführen zu können.
III. Persönliche Meldepflicht
Meldepflichtig ist grundsätzlich der Intermediär. Der Nutzer ist dagegen (subsidiär) meldepflichtig, wenn es keinen meldepflichtigen Intermediär gibt oder er die innerstaatliche Steuergestaltung für sich selbst konzipiert hat. Darüber hinaus ist der Nutzer meldepflichtig, wenn es um personenbezogene Angaben geht und der Intermediär einer Verschwiegenheitspflicht unterliegt oder hiervon nicht durch den Nutzer befreit wurde.
IV. Meldeverfahren und Sanktionen
Die Meldung ist gegenüber dem BZSt innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Ablauf des Tages vorzunehmen, an dem das erste der nachfolgenden Ereignisse eintritt:
- die innerstaatliche Steuergestaltung wird zur Umsetzung bereitgestellt,
- der Nutzer der innerstaatlichen Steuergestaltung ist zu deren Umsetzung bereit oder
- mindestens ein Nutzer der innerstaatlichen Steuergestaltung hat den ersten Schritt der Umsetzung dieser Steuergestaltung getan.
Nach Eingang der Mitteilung weist das BZSt dem Mitteilenden eine DE-Registrierungs- und Offenlegungsnummer zu, welche in der Steuererklärung anzugeben ist, in der sich der steuerliche Vorteil erstmals auswirken soll. Bei einem Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten drohen Bußgelder i.H.v. bis zu 10.000 €.
V. Fazit
Sollte der Referentenentwurf hinsichtlich der Meldeplicht für innerstaatliche Steuergestaltungen in Gesetzesform gegossen werden, bedeutet dies einen erheblichen zeitlichen und bürokratischen Aufwand nicht nur für die Finanzverwaltung, sondern vor allem auch für die Steuerpflichtigen und deren steuerliche Berater. So sind allein zu den grenzüberschreitenden Steuergestaltungen bisher 26.921 Meldungen beim BZSt eingegangen (Stand 31.03.2023; BT-Drucks. 20/6734, S. 2). Eine Ausweitung der Mitteilungspflicht auf innerstaatliche Steuergestaltungen würde daher zu einem erheblichen und entsprechend kostenintensiven Mehraufwand führen und die bestehende staatliche Überregulierung weiter ausbauen.