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07.08.2018

Interview

Legal Tech: Digitale Revolution am Rechtsmarkt

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„Gerade in Zeiten von Datenschutz und Cyber Security wird immer mehr auf nationale Anbieter gesetzt, vor allem im Legal Tech-Bereich.“

Am 18. und 19. Juni 2018 fanden in Berlin die vom Handelsblatt jährlich ausgerichteten Legal Transformation Days statt. Dort gab es einen Legal Tech Live Pitch Contest. Gewonnen hat Clarity Score – ein intelligentes Analyse-Tool, was in der Lage ist, das Risiko von Verträgen einzuschätzen und zu bewerten, um mögliche rechtliche Implikationen schneller zu klären. Über das Projekt, Zukunftsaussichten und Herausforderungen erzählt Mitgründer und Jurato-Geschäftsführer Philipp von Bülow.

DB: Herr von Bülow, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des diesjährigen Pitch Contest. Was bietet Clarity Score denn genau?

v. Bülow: „Mit Clarity Score sind beispielsweise Angestellte in einem Unternehmen in der Lage, Verträge von Kunden – beispielsweise Lieferantenverträge oder Geheimhaltungsvereinbarungen – selbstständig einfach und schnell zu prüfen, ohne direkt die Rechtsabteilung damit zu beauftragen. Die Verträge werden einfach per Drag and Drop in das Tool gezogen, wo Klauseln, Sätze und Schlüsselwörter analysiert werden. Die Daten werden dann automatisch evaluiert und bewertet und Handlungsempfehlungen für rechtliche Anpassungen werden vorgeschlagen. Kennt das Tool die jeweiligen Klauseln und stuft die rechtlichen Implikationen als gering ein, schaltet die Ampel auf Grün und der Vertrag kann unterschrieben werden. Ist eine Klausel nicht bekannt, so schaltet die Ampel jeweils auf Orange und die Rechtsabteilung bewertet die jeweilige Klausel anschließend, bevor sie mit in die Datenbank mit aufgenommen wird. Ist die Klausel bekannt und dem Unternehmen blüht beispielsweise eine hohe Vertragsstrafe, schaltet die Ampel auf Rot. Hier muss die Rechtsabteilung nochmal nachverhandeln bzw. der Vertrag wird nicht unterschrieben.“

DB: Klingt wie eine Revolution in der Rechtsberatung. Kann dieses Tool künftig den klassischen Rechtsanwalt als Berater und Vertragsprüfer bald vollständig ersetzen?

v. Bülow: „Wir denken, dass zumindest einige Standard-Verträge nicht mehr der Prüfungen eines Rechtsanwalts bedürfen. Komplizierte und individuelle Verträge werden allerdings weiterhin von Rechtsanwälten geprüft werden müssen.“

DB: Clarity Score soll sich weiterentwickeln, hieß es beim Pitch. In welche Richtung?

v. Bülow: „Wir haben einen ersten Anwendungsfall aus der Automobilindustrie, hier geht es u.a. um Einkaufsbedingungen und Lieferantenverträge – sehr spannend. Schritt eins ist dabei natürlich, das System mit Daten anzureichern, hier werden dem Unternehmen bekannte Verträge genommen. Je mehr Daten, desto besser – umso genauer arbeitet der Algorithmus. Und das System lernt ebenfalls kontinuierlich dazu; Klauseln, die nicht bekannt sind, werden mit aufgenommen und verarbeitet. Aber Clarity Score wäre ebenfalls für Privatkunden spannend: Jede E-Mail, die rechtliche Implikationen hat, könnte das System zukünftig prüfen – ein riesiger Markt mit viel Potenzial.“

DB: Hat Clarity Score internationale Konkurrenz? Was ist das Alleinstellungsmerkmal?

v. Bülow: „Ja, es gibt LawGeex aus Tel Aviv/New York, die vor ein paar Jahren mit einem ähnlichen Ansatz gestartet sind. Was wir allerdings generell immer wieder merken: dass unsere Kunden aus Deutschland eine deutsche Lösung präferieren. Gerade in Zeiten von Datenschutz und Cyber Security wird immer mehr auf nationale Anbieter gesetzt, vor allem im Legal Tech-Bereich.“

DB: Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee zu Clarity Score und wo stehen Sie mit Clarity Score mittlerweile?

v. Bülow: „Nachdem ich mit Jurato vor fünf Jahren ein Unternehmen gegründet habe, das rechtliche Workflows für Unternehmen und Privatpersonen digital abbildet, befasst sich Clarity Legal mit dem gleichen Thema für die Rechts- und Finanzfunktionen großer Unternehmen. Clarity Score entstand im Zuge des Legal Hackathons in Berlin – die Idee hatten wir allerdings schon vorher. Wir arbeiten momentan mit zwei Kunden zusammen und entwickeln das Tool weiter.“

DB: Ihr  Flaggschiff Jurato,  eine Plattform für die Vermittlung und Verwaltung von Rechtsfällen, ist ja auch eine Art Revolution. Wie schwer ist es, am bislang wenig digitalisierten Rechtsmarkt überhaupt Rechtsanwälte zu finden, die mit Jurato kooperieren?

v. Bülow: „Die ersten zwei Jahre waren damals nicht einfach für uns. Viele Rechtsanwälte waren sehr skeptisch und es war schwer, die ersten Kunden auf die Plattform zu bekommen. Mittlerweile haben wir eine starke Marke mit Jurato aufgebaut und die Kunden vertrauen uns.“

DB: Es gibt nun aber auch andere Anwalts-Plattformen in Deutschland. Was unterscheidet Jurato von der Konkurrenz?

v. Bülow: „Jurato ist praktisch das eBay der Rechtsbranche – nachdem das Rechtsproblem bei uns beschrieben wurde, erhält der Mandant transparente Beratungsangebote von unseren Kooperationsanwälten. Hier beschreiben die Anwälte ihre Leistungen und bepreisen diese. Der Mandant entscheidet sich im nächsten Schritt für eine Kanzlei bzw. Rechtsanwalt und kann dann rechtliche Angelegenheiten direkt online klären – inklusive Videochat, Online-Akte und Bezahlsystem – schnell, direkt und unkompliziert. Als wir damals mit dem Konzept starteten, waren wir alleine auf dem Markt, mittlerweile gibt es auch Konkurrenz mit ähnlichen Konzepten.“

DB: Platzhirsch anwalt.de, die anwalt.de services AG aus Nürnberg, hat kürzlich 100% der Anteile von Jurato übernommen. Wie kam es dazu und wie sieht nun die Zukunft von Jurato aus?

v. Bülow: „Wir konnten mit Jurato die letzten Jahre kontinuierlich wachsen und unsere Marke in Deutschland positionieren. anwalt.de war besonders an der Software von Jurato interessiert. Die Marke und die dahinterstehende GmbH werden fortgeführt und ich bin nach wie vor Geschäftsführer. Bei anwalt.de bin ich Head of Business Development und entwickele die Plattform mit meinem Team stetig weiter.“

DB: War der Jurato-Verkauf von Anfang an anvisiert?

v. Bülow: „Ja, unsere Vision war immer, ein Exit anzustreben. Zusammen mit anwalt.de haben wir spannende Jahre vor uns.“

DB: Herr von Bülow, was werden Sie in Zukunft machen? Neue Projekte am Rechtsmarkt?

v. Bülow: „Bei anwalt.de habe ich Anfang August mit dem Team anwalt.jobs lanciert. anwalt.jobs richtet sich an alle, die ein Stellenangebot im juristischen Bereich ausschreiben oder annehmen möchten. Mit dem Jobportal finden Kanzleien neue Anwälte, Fachpersonal wie Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte oder Auszubildende. Wir wollen in den nächsten Jahren der größte Online-Stellenmarkt für die Rechtsberatungsbranche im deutschsprachigen Raum werden – es wird also nicht langweilig und gibt viel zu tun!“

DB: Vielen Dank für das spannende Interview, Herr von Bülow!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

 

Zur Person

Philipp v. Bülow ist Geschäftsführer bei Jurato und Head of Business Development bei anwalt.de. 2017 hat er ebenfalls mit anderen Legal Tech Experten Clarity Legal ins Leben gerufen – eine Legal Tech Beratung mit dem Fokus Rechtsabteilungen zu digitalisieren, hier ist er im Beirat.

Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Berlin absolvierte er zwei Masterstudiengänge an der Copenhagen Business School und der Bocconi Universität Mailand. Anschließend arbeitete er u.a. als Entrepreneur bei Kids & Trees in Madrid und baute Glossybox, ein Rocket Internet Venture, in Berlin mit auf.

 


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