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30.09.2022

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Kündigung von Mitarbeitern in der Insolvenz bzw. im Schutzschirmverfahren

Erst vor kurzem haben der Toilettenpapierhersteller Hakle und die Schuhhandelskette Görtz Insolvenz angemeldet. Vor dem Hintergrund stark steigender Energiepreise und der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung der Verbraucher, kann im Herbst bzw. Winter mit weiteren Unternehmensinsolvenzen gerechnet werden. Dabei stellt sich auch die Frage, was für arbeitsrechtliche Folgen ein Insolvenzverfahren bzw. das diesem vorgelagerte Schutzschirmverfahren für die Mitarbeiter dieser Unternehmen haben kann. Droht Mitarbeitern insolventer Unternehmen ein Verlust des Arbeitsplatzes? Inwieweit ist eine Kündigung in der Insolvenz überhaupt zulässig?

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RA/FAArbR Volker Serth
Kanzlei FPS, Frankfurt/M.

Grundsätzliche Fortgeltung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften

In der Insolvenz des Arbeitgebers gilt grundsätzlich das allgemeine Arbeitsrecht. Allerdings wird dieses durch einige arbeitsrechtliche Sonderregelungen in der Insolvenzordnung ergänzt. Die Insolvenzeröffnung wirkt sich im Grundsatz weder auf den Bestand noch auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses aus. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet folglich nicht automatisch das Arbeitsverhältnis. Vielmehr sind auch in der Insolvenz beide Vertragsparteien zur Erbringung der wechselseitigen Leistungen verpflichtet. Dabei übernimmt der Insolvenzverwalter kraft Gesetzes die Funktion des Arbeitgebers mit allen damit korrespondierenden Rechten und Pflichten. Auch bleibt es in der Insolvenz bei den allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Die Insolvenz als solche dagegen rechtfertigt weder eine außerordentliche, fristlose Kündigung noch stellt sie für sich genommen einen ordentlichen Kündigungsgrund dar. Damit gelten auch für Kündigungen in der Insolvenz die allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzvorschriften. Eine ordentliche Kündigung kann insbesondere nur dann ausgesprochen werden, wenn hierfür ein betriebs-, personen- oder verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorliegt. Im Fall einer Insolvenz kommt oftmals eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen in Betracht, wenn sich der Insolvenzverwalter für Rationalisierung oder Betriebsstillegung entscheidet. Wird nur ein Teil der Arbeitnehmer entlassen, muss der Insolvenzverwalter nach § 1 Abs. 3 KSchG bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers eine Sozialauswahl vornehmen. Die Sozialauswahl soll, aus dem Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer denjenigen bestimmen, der unter sozialen Kriterien eine Kündigung am ehesten verkraften kann. Dabei sind die Kriterien für die Sozialauswahl beschränkt auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers.

Arbeitsrechtliche Sonderregelungen der Insolvenzordnung

Allerdings sind die insolvenzspezifischen Sonderregelungen für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zu beachten. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei vor allem die Vorschrift des § 113 Insolvenzordnung (InsO). Dabei enthält Satz 1 der Vorschrift die Möglichkeit, dass das Arbeitsverhältnis unabhängig von einer vereinbarten Vertragsdauer oder eines Ausschlusses des Recht zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden kann. Damit wird eine durch eine Befristung oder eine Vereinbarung bestehende ordentliche Unkündbarkeit überwunden. Gem. § 113 Satz 2 InsO gilt dann eine abgekürzte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende. Folge einer Insolvenz eines Unternehmens sind häufig Betriebsänderungen im Sinne des § 111 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). So kann es beispielsweise vorkommen, dass der Betrieb oder wesentliche unrentable Betriebsteile eingeschränkt oder stillgelegt werden. In solchen Fällen hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Personal über einen mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich mit Namensliste gem. § 125 InsO abzubauen. Das führt zum einen dazu, dass der betriebsbedingte Kündigungsgrund vermutet wird. Der Insolvenzverwalter hat damit lediglich vorzutragen, dass die Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt und dass ein wirksamer Interessenausgleich mit Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer vorliegt. Weitere Tatsachen zur Rechtfertigung der Kündigung braucht er dagegen nicht vorzutragen. Hat der Insolvenzverwalter die Vermutungsgrundlage dargelegt, so liegt es beim Arbeitnehmer den Nachweis zu führen, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Dieser Nachweis wird letzterem aber regelmäßig nicht gelingen. Zum anderen ist  bei einem Interessausgleich mit Namensliste die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit hin überprüfbar. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass Mitarbeitern insolventer Unternehmen nicht per se eine Kündigung und damit ein Arbeitsplatzverlust droht. Vielmehr ist eine Kündigung in der Insolvenz – wie auch sonst – grundsätzlich nur unter den allgemeinen und besonderen  Kündigungsschutznormen zulässig. Dabei stellt die Insolvenz selbst keinen Kündigungsgrund dar. Allerdings führen einige arbeitsrechtliche Sonderregeln in der Insolvenzordnung dazu, dass Mitarbeitern im Insolvenzverfahren unter erleichterten Bedingungen ordentlich gekündigt werden kann.


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