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13.07.2018

Interview

Kryptowährungen im Unternehmen: Die Zukunft ist schon da

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Der Betrieb

Immer mehr Unternehmen akzeptieren Kryptowährungen als Zahlungsmittel oder halten diese als Investment in ihrem Betriebsvermögen. Neben der Frage, wie Kryptowährungen zu bilanzieren sind, spielen auch Sicherheitsfragen eine große Rolle sowie die Unsicherheit, ob die Bitcoin-Blase platzen könnte. Mario Keiling, M.Sc. und Dipl.-Kfm. Stephan Romeike, wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Financial Accounting der Technischen Universität München, klären auf.

DB: Welche Unternehmen akzeptieren bereits Kryptowährungen und für welche Vorgänge?

Romeike: „Insbesondere in den USA gibt es eine Reihe von Unternehmen, die Kryptowährungen und vor allem den Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren. Bei Subway konnte man beispielsweise bereits 2013 sein Sandwich mit Bitcoin bezahlen. Heute bieten zum Beispiel Microsoft und Expedia an, Einkäufe im Onlineshop bzw. Hotelbuchungen mit Bitcoin zu bezahlen.

Aber auch in der Luftfahrtbranche ist man auf den Zug aufgesprungen: Der Flughafen von Brisbane in Australien ist der erste weltweit, in dem man in Shops, Restaurants und Bars mit Kryptowährungen wie Ethereum, Litecoin und natürlich Bitcoin bezahlen kann. Am Flughafen Schiphol in Amsterdam wurde gerade erst im Juni ein Bitcoin-Geldautomat installiert. Und auch bei der Airline airBaltic kann man seine Online-Flugbuchungen mit Bitcoin bezahlen.

In Deutschland sind es hingegen hauptsächlich kleinere Onlineshops und lokale Geschäfte, die Bitcoin akzeptieren – hier hängen wir noch ein wenig nach. Das prominenteste Beispiel ist wahrscheinlich Lieferando, wo ich meine Pizza- oder Sushi-Bestellung mit Bitcoin bezahlen kann.“

DB: Offizielle Regeln, wie man Kryptowährungen bilanzieren sollte, gibt es derzeit noch nicht. Was raten Sie den Unternehmen?

Keiling: „Das ist richtig. Bisher beschränken sich Standardsetter und Gesetzgeber lediglich darauf, die Entwicklung von Kryptowährungen zu beobachten. Daher wird das Thema der Bilanzierung auch so kontrovers diskutiert. Es ist nicht einfach, hierzu eine pauschale Antwort zu geben. Zunächst einmal sollte man sich bewusst darüber sein, dass es neben dem Bitcoin eine Vielzahl weiterer Kryptowährungen gibt. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen Coins und Tokens. Coins sind digitale Währungen, die analog zu konventionellen Währungen als Zahlungsmittel genutzt werden sollen. Diese Coins sollten unseres Erachtens im HGB-Abschluss unter den sonstigen Vermögensgegenständen ausgewiesen werden, da kein anderer Bilanzposten einschlägig ist. IFRS-Bilanzierer sollten anhand der Zwecksetzung der Coins bilanzieren. Werden Coins rein zur Spekulation gehalten, sollten diese ergebniswirksam zum Fair-Value bewertet und zusammen mit Finanzinstrumenten ausgewiesen werden. Für den Fall, dass Coins als Zahlungsmittel genutzt werden, halten wir eine Bilanzierung analog zu Fremdwährungen für angemessen.

Tokens hingegen werden von Start-Ups im Rahmen von sogenannten Initial Coin Offerings ausgegeben. Dabei finanzieren Investoren die Start-ups in Form von z.B. Bitcoin und erhalten im Gegenzug Tokens des Start-Ups. Diese Tokens können wiederum verschiedene Rechte aufweisen. Hierzu zählen z.B. Stimmrechte und Gewinnbeteiligungsrechte, aber auch Rechte wie das Zugangsrecht zu der Plattform des Start-Ups. Dort können die erworbenen Tokens dann gegen Produkte und Dienstleistungen des Start-Ups eingetauscht werden. Bei der Bilanzierung muss man daher genau auf die Ausprägung der Rechte achten, was die Sache in einigen Fällen nicht ganz einfach macht. In den meisten Fällen wird es sich bei Tokens jedoch um immaterielle Vermögenswerte handeln.“

DB: Die meisten Kryptowährungen beruhen auf dem Konzept der Blockchain – einem virtuellen Netzwerk, in dem jede Transaktion transparent und dezentral auf vielen Rechnern verteilt gespeichert wird. Die Blockchain-Technologie gilt als sehr manipulationssicher. Wieso?

Romeike: „Um die Daten einer Blockchain zu manipulieren, müsste ein Zugriff auf mehr als 50 % der Rechenleistung im dezentralen Netzwerk erfolgen. Bei Blockchains mit großen Netzwerken ist das Risiko eher gering, wenn auch nicht ganz auszuschließen. Die Bitcoin Blockchain ist beispielsweise aktuell auf rund 9.600 Rechnern über die ganze Welt verteilt gespeichert. Hingegen bieten Kryptowährungen mit kleineren Netzwerken durchaus Angriffsflächen für Kriminelle. So wurden alleine in den letzten Monaten fünf Kryptowährungen angegriffen, indem sich Hacker Zugang zu mehr als 50 % der Rechenleistung verschafft und sich anschließend mit mehreren Millionen U.S. Dollar aus dem Staub gemacht haben.

DB: Ein größerer Problemfall mit Millionenschaden war ja auch der Hackerangriff auf die südkoreanische Handelsplattform Bithumb im Juni 2018. Was kann getan werden, um diese Plattformen „sicherer“ zu machen?

Romeike: „Klar, wo viel Geld im Internet liegt, sind auch Hacker meist nicht weit. Am bekanntesten ist wahrscheinlich der Angriff auf die Onlinebörse Mt. Gox im Jahr 2014, bei dem Bitcoin im Wert von knapp einer halben Milliarde U.S. Dollar gestohlen wurden. Aber seitdem haben sich die Onlinebörsen kontinuierlich weiterentwickelt. Insbesondere die großen Onlinebörsen wie Coinbase, Binance und Kraken beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Sicherheit und stellen teilweise Experten aus dem Bankensektor ein, die sich ausschließlich mit Aspekten wie Sicherheit, Infrastruktur und Compliance befassen. Wer ganz sicher gehen möchte, sollte seine Coins und Tokens jedoch auf ein Cold Wallet transferieren – also einer offline Geldbörse für Kryptowährungen.“

DB: Haben Kryptowährungen eine realistische Chance, anerkanntes Zahlungsmittel zu werden?

Keiling: „Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich nicht, dass Kryptowährungen in naher Zukunft als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt werden könnten. Dies liegt in erster Linie daran, dass Kryptowährungen derzeit komplett unreguliert sind. Außerdem sind die aktuell starken Kursschwankungen problematisch, weil Kryptowährungen so nicht als Wertaufbewahrungsmittel dienen können. Ob und in welcher Form Kryptowährungen als gesetzliches Zahlungsmittel genutzt werden können, wird sich möglicherweise bei einem Pilotprojekt der schwedischen Zentralbank zeigen. Dort wird testweise die sogenannte e-Krona als Alternative zum Bargeld eingesetzt.“

DB: Zu guter Letzt: Wann wird die Bitcoin-Blase platzen?

Keiling: „Hierzu gibt es die unterschiedlichsten Meinungen. Die Einen sprechen davon, dass Bitcoin in den nächsten Jahren den Wert von 1.000.000 U.S. Dollar erreichen wird. Andere sehen wiederum, dass die Bitcoin-Blase gerade dabei ist zu platzen wie einst bei der Tulpenmanie in Holland. Eine wirklich verlässliche Antwort auf Ihre Frage ist leider kaum möglich.“

Romeike: „Darüber hinaus kann man jedoch argumentieren, dass der Erfolg der Blockchain-Technologie nicht alleine von Bitcoin & Co. abhängt. Es gibt viele weitere Anwendungsfelder und ich bin überzeugt davon, dass die Blockchain-Technologie viele Prozesse innerhalb und zwischen Unternehmen grundlegend verändern wird – ob nun mit oder ohne Bitcoin.“

Vielen Dank für das spannende Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

 

Mehr erfahren:

Mehr über dieses Thema erfahren Sie im Fachbeitrag „Die Bilanzierung von Kryptowährungen – Wie Coins und Tokens im IFRS-Abschluss zu erfassen sind“, erschienen in KoR Nr. 06 vom 01.06.2018, S. 268 ff. sowie online unter KOR1261580


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