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17.06.2022

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Konkretisierung der Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit – keine Berücksichtigung von Vertrauensschutz

Nach § 60a AO werden die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit, namentlich die Einhaltung der §§ 51, 59, 60 und 61 AO (sog. formelle Satzungsmäßigkeit), in dem besonderen Feststellungverfahren verbindlich attestiert. Durch die Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit wird Klarheit über den Status der Körperschaft geschaffen: dies ist vor allem relevant für die Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen (vgl. § 63 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO); zudem dient die Feststellung als Grundlagenbescheid für die Körperschaftsteuerfestsetzung (§ 60a Abs. 1 Satz 2 AO). Mit Urteil vom 26.08.2021 (V R 11/20) hat sich der BFH zu den Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung nach §§ 61 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO geäußert und nimmt Stellung zur Nichtberücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten bei einer erstmaligen negativen Feststellung gem. § 60a Abs. 1 AO. Insbesondere eine Satzungsänderung birgt insoweit besondere Brisanz, da sich hieraus die Verpflichtung zur Übernahme der Regelungen Mustersatzung nach Anlage 1 zu § 60 AO ergeben kann; erfolgt dann keine korrekte Festlegung der Vermögensbindung in der Satzung der Körperschaft, kann der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt werden – und dies bis zu zehn Jahre rückwirkend (§ 61 Abs. 3 AO). Mit Vorliegen von Mängeln in der Satzung ginge zudem die reguläre Besteuerung der Körperschaft einher.

Konkretisierung der Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit – keine Berücksichtigung von Vertrauensschutz

RAin Dr. Nicola van Lück
Associate bei Taylor Wessing, Düsseldorf

Entscheidung des BFH vom 26.08.2021

Der BFH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen eingehalten werden, wenn die satzungsmäßige Vermögensbindung nach §§ 61 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO die in § 52 Abs. 2 AO genannten gemeinnützigen Zwecke nicht selbstständig und ausdrücklich festschreibt. Der BFH urteilte, dass ein Gesellschaftsvertrag nicht den Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung genüge, wenn ausdrückliche Bestimmungen der Vermögensbindung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der Körperschaft fehlen.

Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung erfordere, dass der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall des bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung „so genau bestimmt ist“, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist (Anforderungen aus § 61 Abs. 1 AO).

Außerhalb der Satzung liegende Erwägungen seien zur Auslegung nicht heranzuziehen, da die Regelung über die Vermögensbindung bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks in der Satzung selbst getroffen werden müsse. Telos von § 61 AO sei, dass die Prüfung, ob ein steuerbegünstigter Zweck vorliegt, ausschließlich aufgrund der Satzung möglich sein müsse.

Auf die Frage der Übernahme der gesamten Mustersatzung nach Art. 97 § 1f Abs. 2 EGAO bei nur teilweisen Satzungsänderungen komme es nicht an. Die Regelung zur Vermögensbindung sei bereits vor dem 01.01.2009 verbindlich gewesen.

Die Berufung auf Vertrauensschutz scheide aus, da erstmals eine (negative) Feststellung nach § 60a AO durch das Finanzamt erlassen wurde. § 60a Abs. 3 – 5 AO setzen einen bereits erlassenen Feststellungsbescheid voraus und seien für einen Erstbescheid nicht anwendbar. Freistellungsbescheide für vorangegangene Veranlagungszeiträume begründeten keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Dies gelte auch dann, wenn das Finanzamt bei gründlicher Prüfung bereits für frühere Veranlagungszeiträume zum Nichtvorliegen der Freistellungsvoraussetzungen hätte kommen können. Eine Bindungswirkung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten trete nach erstmaligem Erlass des Feststellungsbescheids ein.

Anforderung an die Satzung im Feststellungsverfahren nach § 60a AO

Die Entscheidung unterstreicht einmal mehr, dass eine Übernahme der Regelungen der Mustersatzung nach Anlage 1 zu § 60 AO in die Satzung der jeweiligen Körperschaft einen i.d.R. problemlosen Durchgang im Feststellungsverfahren sichert. Die Mustersatzung sieht in § 5 vor, dass bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke das Vermögen der Körperschaft an eine bestimmt zu bezeichnende Körperschaft fällt und diese die Mittel für einen nach §§ 52 – 53 AO begünstigten Zweck zu verwenden hat oder zu einem bestimmten steuerbegünstigten Zweck einer nicht benannten Körperschaft übertragen wird. Zu beachten ist, dass bei einem Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung bei einer begünstigten Empfängerkörperschaft (im Falle der Auflösung oder Aufhebung einer begünstigenden Körperschaft), die Satzung der begünstigenden Körperschaft unverzüglich anzupassen und die Vermögensbindung abzusichern ist.

Weiterhin ungeklärt bleibt die Frage, in welchem Detailgrad eine Satzung an die Mustersatzung angepasste werden muss. Entschieden wurde instanzgerichtlich, dass die Mustersatzung nicht „Wort für Wort“ übernommen werden muss (FG Hessen vom 28.06.2017 – 4 K 917/16), was insbesondere für ausländische Körperschaften ansonsten eine größere Bürde darstellen dürfte.

Anpassung an die Mustersatzung – Bestandsschutz nur für Altfälle ohne Satzungsänderung

Für Altsatzungen vor Bekanntgabe der Mustersatzung besteht ein Bestandsschutz dahingehend, dass diese keine Anpassung an die Mustersatzung benötigen. Stichtag zur Einstufung einer Satzung als alt oder neu ist die Verkündung der Mustersatzung am 01.01.2009 nach Art. 97 § 1f Abs. 2 EGAO, wonach die Mustersatzung für alle Neugründungen und Satzungsänderungen gilt, die nach dem 31.12.2008 wirksam werden. Neu errichtete Körperschaften haben die Vorgaben der Mustersatzung sämtlich zu beachten. Deutlich hervorgehoben werden muss, dass eine Anpassung an die Mustersatzung zudem vorzunehmen ist, wenn die Satzung einer bestehenden Körperschaft geändert wird. Bei Satzungsänderungen sind die Vorgaben aus der Mustersatzung strikt zu beachten. Die eng an der Mustersatzung vorzunehmende Anpassung zeigt sich auch im entschiedenen Fall des BFH, der deutlich macht, dass nur das geschrieben Wort in der Satzung (von Reiner Fu, HFR 2022 S. 508, 519 als „Gebot des Buchnachweises“ bezeichnet) Beachtung findet und keine darüberhinausgehenden äußeren Umstände.

Eine daran anknüpfende Frage ist, wann eine Satzungsänderung überhaupt anzunehmen ist, d.h. ob auch bei kleinsten Veränderungen beispielsweise der Zeichensetzung eine Änderung angenommen wird. Dies ist weiterhin nicht abschließend geklärt und wird auch vom BFH ausdrücklich offengelassen. In der Praxis empfiehlt es sich, Satzungen im Vorfeld mit dem Finanzamt abzustimmen und hierbei im Fall von Altsatzungen auch abzuklären, ob aus Sicht des Finanzamts weitgehende Anpassungen an die Mustersatzung vorgenommen werden müssen.


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