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19.08.2019

Steuerboard

Keine wirtschaftliche Auslegung des Tätigkeitsortsprinzips bei Dienstreisen im Rahmen von Arbeitnehmerentsendungen

Die am 08.08.2019 veröffentlichte BFH-Entscheidung vom 16.01.2019 (I R 66/17) betrifft die Zuordnung des abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts für den auf Dienstreisen entfallenden anteiligen Arbeitslohn im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung. Streitig war, welchem Staat das Besteuerungsrecht für Arbeitslohnzahlungen zusteht, die auf Tätigkeitszeiten des Arbeitnehmers im Rahmen von Dienstreisen in den abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers und sog. Drittstaaten entfallen. Die praktische Relevanz der Entscheidung ergibt sich daraus, dass das BMF-Schreiben vom 03.05.2018 (BStBl. I 2018 S. 643) zur Behandlung des Arbeitslohns nach den DBA hierzu nicht ausdrücklich Stellung nimmt.

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Entsendung eines in Frankreich ansässigen Arbeitnehmers nach Deutschland:

Der Streitfall weist die typischen Merkmale einer Arbeitnehmerentsendung auf. Bei dem Kläger handelte es sich um einen bei einem französischen Arbeitgeber angestellter Arbeitnehmer, der für vier Jahre an eine deutsche Tochtergesellschaft entsandt wurde; mit der deutschen Tochtergesellschaft erfolgte der Abschluss eines Arbeitsvertrages. Auf Grund der Anmietung einer inländischen Zweitwohnung unterlag der Arbeitnehmer in Deutschland in den Streitjahren 2010 und 2011 der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht. Den französischen Familienwohnsitz und damit die abkommensrechtliche Ansässigkeit (und unbeschränkte Steuerpflicht) in Frankreich behielt der Arbeitnehmer während der Entsendung bei.

Während der Entsendung übte der Arbeitnehmer seine Tätigkeit überwiegend für die deutsche Tochtergesellschaft im Inland aus. Von den 229 Arbeitstagen des Streitjahres 2010 wurde der Arbeitnehmer an 50 Arbeitstagen im Rahmen von Dienstreisen in seinem Ansässigkeitsstaat und in Drittstaaten (also weder in seinem Ansässigkeitssaat noch in seinem Haupttätigkeitsstaat Deutschland) tätig. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 2010 erklärte der Kläger 50/229 des Arbeitslohns (also den auf Arbeitstage in Frankreich und in Drittstaaten entfallenden Arbeitslohn) als nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich in Deutschland steuerfrei zu stellenden Arbeitslohn. Ausgezahlt und wirtschaftlich getragen wurde der Arbeitslohn des Klägers von der deutschen Tochtergesellschaft, die den auf Auslandsdienstreisen des Klägers entfallenden anteiligen Arbeitslohn nicht vom Lohnsteuerabzug freigestellt hatte.

Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, dass Deutschland auch das Besteuerungsrecht für Arbeitslohnzahlungen zustehe, der auf Tätigkeitszeiten im Ansässigkeitsstaat Frankreich und in Drittstaaten im Rahmen von Dienstreisen entfalle. Dies ergebe sich daraus, dass Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich dem Staat das Besteuerungsrecht zuweise, in welchem die persönliche Tätigkeit, „aus der die Einkünfte herrühren“, ausgeübt werde. Auch der auf Arbeitstage im Rahmen von Auslandsdienstreisen entfallende Arbeitslohn „rühre“ aus dem Arbeitsverhältnis mit dem inländischen Arbeitgeber. Deutschland stehe daher auch für den auf Auslandsdienstreisen entfallenden (anteiligen) Arbeitslohn gem. Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich das Besteuerungsrecht zu, da der Arbeitslohn von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt werde. Die Vorinstanz – FG Niedersachsen vom 10.01.2017 – 13 K 10148/15 – hat die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich durch das beklagte Finanzamt bestätigt.

Keine wirtschaftliche Auslegung des abkommensrechtlichen Tätigkeitsortsprinzips

Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich weist das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat des Arbeitnehmers zu (Tätigkeitsortsprinzip). Das vorrangige Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates wird v.a. in den Fällen des Art. 13 Abs. 4 DBA-Frankreich zu Gunsten des Ansässigkeitsstaates des Arbeitnehmers durchbrochen (Nichterfüllung der 183-Tage-Regelung und Arbeitslohn wird nicht durch einen im Tätigkeitsstaat ansässigen wirtschaftlichen Arbeitgeber/Betriebsstätte getragen). Art. 13 DBA-Frankreich unterscheidet sich damit von Art. 15 OECD-MA, der ein vorrangiges Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates begründet, dass unter bestimmten Voraussetzungen durch eine Arbeitsausübung in dem anderen Vertragsstaat durchbrochen wird.

Der BFH hat sich der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht angeschlossen. Der BFH kommt vielmehr zu dem zutreffenden Ergebnis, dass auch die Zuordnung des Besteuerungsrechts für den auf Auslandsdienstreisen in den Ansässigkeitsstaat bzw. in Drittstaaten (also Tätigkeiten, die weder im Ansässigkeitsstaat Frankreich noch in dem gewöhnlichen Tätigkeitsstaat Deutschland erfolgen) entfallenden anteiligen Arbeitslohn nach Maßgabe des Tätigkeitsortsprinzips zu erfolgen hat. Dabei ist für die Bestimmung des Tätigkeitsortes ausschließlich darauf abzustellen, an welchem Ort sich der Arbeitnehmer physisch zur Arbeitsausübung aufhält.

Unter Berücksichtigung des so angewendeten Tätigkeitsortsprinzips steht Frankreich als dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das ausschließliche Besteuerungsrecht für die anteiligen Arbeitslohnzahlungen zu, die auf Arbeitstage in Frankreich im Rahmen von Dienstreisen entfallen. Die Zuordnung des Besteuerungsrechts für Arbeitslohnzahlungen, die auf Auslandsdienstreisen in Drittstaaten entfallen, bestimmt sich hingegen nach Art. 18 DBA-Frankreich. Denn die Anwendung von Art. 13 DBA-Frankreich setzt die Ausübung einer Tätigkeit in Deutschland oder in Frankreich voraus. Hieran fehlt es bei Ausübung einer Tätigkeit in einem Drittstaat. Nach Art. 18 DBA-Frankreich steht ebenfalls ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu.

Fazit

Die Bedeutung der BFH-Entscheidung ist darin zu sehen, dass sich der BFH der von der Vorinstanz und dem Beklagten Finanzamt vertretenen wirtschaftlichen Auslegung des Tätigkeitsortsprinzips nicht angeschlossen hat.

Es bleibt vielmehr dabei, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich (nach Maßgabe des Tätigkeitsortsprinzips) dem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zusteht, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich physisch tätig wird. Fehlt es bei einer Auslandsdienstreise an der Ausübung der Tätigkeit in Deutschland, dann reicht ein bloßer „Anlasszusammenhang“ zwischen dem Arbeitsverhältnis mit einem inländischen Arbeitgeber und der Gehaltszahlung zur Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts für das auf Auslandsdienstreisen entfallende anteilige Gehalt nicht aus.

Die Formulierung des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich, „aus der die Einkünfte herrühren“, weicht von dem OECD-Musterabkommen ab und ist in keinem anderen von Deutschland abgeschlossenen Länderabkommen anzutreffen. Durch die BFH Entscheidung wird klargestellt, dass das Arbeitsortsprinzip – anders als der Begriff des Arbeitgebers – einer wirtschaftlichen Auslegung nicht zugänglich ist. Unter diesem Aspekt ist die Entscheidung auch für Art. 15 OECD-MA entsprechende Länderabkommen von Bedeutung.


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