Sachverhalt und Streitfrage
Der Kläger gab zum 01.03.2014 seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auf und zog zur Umsetzung einer Geschäftsidee nach Dubai. Zwischen dem 01.03.2014 und dem 31.12.2015 verfügte der Kläger im Inland weder über einen Wohnsitz, noch hatte er dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Zum Zeitpunkt seines Wegzugs war der Kläger an verschiedenen Kapitalgesellschaften zu mehr als 1% beteiligt. Mit Abgabe der Einkommensteuererklärung 2014 zeigte der Kläger dem Finanzamt mit einem gesonderten Schreiben Ende 2015 an, dass die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht lediglich auf einer vorübergehenden Abwesenheit i.S.d. § 6 Abs. 3 AStG beruhe. Das Finanzamt veranlagte beim Kläger für das Wegzugsjahr 2014 dennoch fiktive Veräußerungsgewinne gem. § 6 Abs. 1 AStG i.V.m. § 17 Abs. 1 EStG. Ab dem 01.01.2016 hatte der Kläger wieder seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und machte das rückwirkende Entfallen des Steueranspruchs geltend.
Das Finanzamt vertrat in der Folge entsprechend der Verwaltungsanweisung (Ziff. 6.4 AEAStG) die Auffassung, dass der Wegzug des Klägers nicht nur vorübergehend gewesen sei, da dies allein anhand der sog. „subjektiven Theorie“ zu beurteilen sei. Danach sei § 6 Abs. 3 AStG bei Rückkehr innerhalb von fünf Jahren nur dann erfüllt, wenn bereits im Zeitpunkt des Wegzugs eine Rückkehrabsicht bestanden habe. Für die Annahme einer vorübergehenden Abwesenheit habe der Steuerpflichtige daher schon im Zeitpunkt seines Wegzugs seinen unbedingten Rückkehrwillen gegenüber der Finanzverwaltung anzuzeigen und glaubhaft zu machen.
Argumentation des FG Münster
Das FG Münster schloss sich dieser Sichtweise überwiegend an. Nach seiner Auffassung gelte § 6 Abs. 3 AStG nicht für gescheiterte oder abgebrochene Auswanderungen und sei daher keine „Reparaturvorschrift“ für steuerlich „missglückte“ Wegzüge.
Zwar gesteht das FG den Vertretern der „objektiven Theorie“ zu, dass es für die Wahrung der Interessen des Fiskus ausreichend wäre, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht wieder begründet und die wesentliche Kapitalgesellschaftsbeteiligung wieder steuerverstrickt wird. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 AStG müsse die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht jedoch gerade auf einer vorübergehenden Abwesenheit „beruhen“. Dies weise im Sinne einer Motivlage auf einen bereits bei Wegzug gefassten Entschluss zur Rückkehr hin.
Daneben spreche § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG in gesetzessystematischer Hinsicht für die Maßgeblichkeit eines subjektiven Elements in Form eines Rückkehrwillens. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG kann das zuständige Finanzamt die Frist zur Rückkehr um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit maßgebend sind und seine Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht. Aus dem Erfordernis, eine „fortbestehende“ Absicht zur Rückkehr glaubhaft zu machen, wenn eine Verlängerung der Rückkehrfrist verlangt wird, folge, dass eine solche Absicht des Steuerpflichtigen bereits bei Wegzug bestanden haben müsse.
Für diese Sichtweise spreche auch die Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 3 AStG. Das Merkmal der „vorübergehenden Abwesenheit“ sei vom Gesetzgeber bewusst aufgenommen worden. Er habe dies damit begründet, dass der Steueranspruch nur dann entfallen solle, wenn der Steuerpflichtige nach beruflich bedingter vorübergehender Abwesenheit innerhalb von fünf Jahren wieder unbeschränkt steuerpflichtig werde. Hieraus werde deutlich, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers die Rückkehr auch auf einer bestimmten subjektiven Motivlage beruhen sollte, auch wenn die „beruflichen Gründe“ nicht ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen worden seien.
Ausblick und Empfehlung für die Praxis
Das FG Münster hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in den nächsten Jahren die Gelegenheit zur Entscheidung erhält. Eine endgültige Klärung dieser Streitfrage durch den BFH wäre zu begrüßen.
Angesichts der Entscheidung des FG sollte bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Streifrage nicht darauf vertraut werden, dass bei Rückkehr innerhalb von fünf Jahren die Steuer rückwirkend entfällt. Es bietet sich daher in diesem Zusammenhang an, die Grundlagen für eine Rückkehrabsicht umfassend zu dokumentieren. Nur in diesem Fall dürfte ausreichend glaubhaft gemacht werden können, dass der Wegzug bloß vorübergehender Natur war. Dabei dürfen aber nach Auffassung des FG Münster die Anforderungen an den Nachweis nicht überspannt werden. So sei es nicht erforderlich, die Rückkehrabsicht bereits bei Wegzug gegenüber dem Finanzamt darzulegen und glaubhaft zu machen. Es dürfte jedoch dennoch sinnvoll sein, die Rückkehrabsicht bereits bei Wegzug anzuzeigen, um dem Finanzamt im Streitfall keine Angriffsfläche zu bieten.
Angesichts der Entscheidung des FG Münster sei allerdings darauf hingewiesen, dass § 6 Abs. 3 AStG nicht in jedem Fall das Vorliegen einer subjektiven Komponente erfordert. Erwirbt eine in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person (Rechtsnachfolger) im Wege eines Erbfalls von dem unbeschränkt steuerpflichtigen Erblasser Anteile i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG, unterliegt der Erwerb gem. §§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG, 17 Abs. 1 EStG grundsätzlich wie ein fiktiver Wegzug gleichermaßen der Besteuerung. Sofern der Rechtsnachfolger jedoch innerhalb von fünf Jahren nach Entstehung des Steueranspruchs (= Erbfall) unbeschränkt steuerpflichtig wird, entfällt der Steueranspruch, soweit die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG vorliegen (§ 6 Abs. 3 Satz 3 AStG). Es wird insoweit nicht auf die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht aufgrund „vorübergehender Abwesenheit“, sondern auf den Erbfall abgestellt.
Ausweislich des Wortlauts kommt es hier gerade nicht auf ein subjektives Merkmal in der Form einer Rückkehrabsicht an. Vielmehr ist alleine die objektive Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland maßgeblich. In diesem Fall kommt für den Rechtsnachfolger daher sehr wohl eine „Reparatur“ einer bereits ausgelösten Wegzugsbesteuerung in Betracht.