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21.02.2024

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Keine Einkommensteuerpflicht bei Veräußerung einer Immobilie durch einen Miterben nach Erwerb eines Erbteils

Die Veräußerung einer geerbten Immobilie stellt Erben regelmäßig vor eine Reihe von Herausforderungen. Dies gilt insbesondere im Fall einer Erbengemeinschaft. Dabei müssen sich die Miterben neben organisatorischen, zivilrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Aspekten der Nachlassabwicklung auch mit den einkommensteuerlichen Folgen einer solchen Veräußerung auseinandersetzen. In Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung hat der BFH nun in einem kürzlich veröffentlichen Urteil entschieden, dass bei Veräußerung einer Immobilie durch einen Miterben nach vorherigem Erwerb der übrigen Erbteile kein einkommensteuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vorliegt.

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RAin Caroline Ruschen
ist Associate bei POELLATH in Frankfurt/M.

Hintergrund

Liegen zwischen Anschaffung und Veräußerung einer Immobilie nicht mehr als zehn Jahre, unterliegt der Veräußerungsgewinn grds. der Einkommensteuer (§ 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Nach Ablauf dieser sogenannten Spekulationsfrist ist die Veräußerung einkommensteuerfrei möglich. Hat der Erblasser eine Immobilie angeschafft und vererbt diese anschließend, tritt der Erbe für Zwecke der Spekulationsfrist in die „Fußstapfen“ des Erblassers. D.h. es gilt nicht der Erwerb von Todes wegen als Anschaffung, sondern die Anschaffung durch den Erblasser ist maßgeblich. Der Erbe kann die Immobilie daher nach Ablauf von zehn Jahren seit Anschaffung durch den Erblasser einkommensteuerfrei veräußern. Bei Nutzung der Immobilie zu eigenen Wohnzwecken kann die Frist im Einzelfall verkürzt sein.

Geht die Immobilie von Todes wegen auf eine Erbengemeinschaft über, ist die einkommensteuerliche Beurteilung komplexer. Die Immobilie geht zunächst in das gemeinschaftliche Eigentum der Erbengemeinschaft über. Setzen sich die Miterben anschließend auseinander, hängt die einkommensteuerliche Behandlung davon ab, ob die Auseinandersetzung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt (BMF vom 14.03.2006, BStBl. I 2006 S. 253, Tz. 32 ff.). Erhält ein Miterbe die in der Erbengemeinschaft befindliche Immobilie gegen eine Abfindungszahlung, handelt es sich insoweit grds. um einen (teil-)entgeltlichen Anschaffungsvorgang des Miteigentumsanteils. Die zehnjährige Spekulationsfrist beginnt in diesem Fall grds. mit dem Zeitpunkt der Auseinandersetzung erneut.

Anstatt im Rahmen der Auseinandersetzung die Immobilie gegen Abfindungszahlung auf einen Miterben zu übertragen, kann ein Erbteil des einen Miterben (A) auf den anderen Miterben (B) übertragen werden. Übertragen wird in diesem Fall nicht der Miteigentumsanteil an einem konkreten Nachlassgegenstand, sondern der gesamte Erbteil als solcher. In der Folge findet Anwachsung bei dem Miterben (B) statt. Veräußert Miterbe (B) anschließend die Immobilie an einen Dritten, stellt sich für Zwecke der Spekulationsfrist die Frage, ob er die Immobilie mit Erwerb des Erbteils vom Miterben (A) „angeschafft“ hat. In diesem Fall würde für ihn die zehnjährige Spekulationsfrist insoweit erneut beginnen, auch wenn die Anschaffung durch den Erblasser bereits über zehn Jahre her ist.

Mit dieser Frage befasste sich der BFH in dem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 26.09.2023 (IX R 13/22, DB 2024 S. 160)

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war der Kläger neben zwei weiteren Miterben (A und B) Teil einer Erbengemeinschaft. Zum Nachlassvermögen gehörte unter anderem eine Immobilie. Die Miterben (A und B) veräußerten nach dem Erbfall ihren Erbteil jeweils an einen Dritten, woraufhin der Kläger von seinem Vorkaufsrecht (§ 2034 Abs. 1 BGB) Gebrauch machte. Der Dritte übertrug die beiden Erbteile anschließend auf den Kläger, womit sich sämtliche Erbteile bei dem Kläger vereinigten.

Das Finanzamt setzte für den Veräußerungsvorgang der Immobilie Einkommensteuer zulasten des Klägers fest. Es vertrat die Ansicht, dass in dem Erwerb der Erbteile durch den Kläger eine anteilig entgeltliche Anschaffung der Immobilie im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG stattgefunden habe. Da der Kläger die Immobilie anschließend innerhalb von zehn Jahren veräußert habe, läge ein einkommensteuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vor. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos. Mit seiner Revision wandte sich der Kläger gegen die Entscheidung des Finanzgerichts und rügte die Annahme eines einkommensteuerpflichtigen Veräußerungsgeschäfts.

Entscheidung des BFH

Der BFH hielt die Revision des Klägers für begründet und hob die Entscheidung des FG München auf.

Fehlende wirtschaftliche Identität
Der BFH begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der sogenannten Nämlichkeit, wobei Nämlichkeit als Identität im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen sei. Dies bedeute, dass das innerhalb der Spekulationsfrist angeschaffte Wirtschaftsgut wirtschaftlich identisch mit dem veräußerten Wirtschaftsgut sein müsse. Teilidentität sei grds. ausreichend. Das Vorliegen einer wirtschaftlichen Identität müsse im Rahmen eines wertenden Vergleichs der Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festgestellt werden. Maßgebliche Kriterien seien Gleichartigkeit, Gleichwertigkeit und Funktionsgleichheit.

Im Fall der Erbengemeinschaft ergebe diese Abwägung, dass der Miteigentumsanteil an einem einzelnen Nachlassgegenstand nicht wirtschaftlich identisch mit dem Erbteil eines Miterben als gesamthänderische Beteiligung sei. Ein Anschaffungsvorgang der Immobilie durch den Kläger habe daher im einkommensteuerlichen Sinn nicht stattgefunden. Für Zwecke der Spekulationsfrist sei weiterhin die Anschaffung durch die Erblasserin maßgeblich.

Erbengemeinschaft gilt nicht als Personengesellschaft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Grundsatz, dass die Anschaffung oder Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft als anteilige Anschaffung oder Veräußerung der Wirtschaftsgüter in der Personengesellschaft gelte (§ 23 Abs. 1 Satz 4 EStG). Eine direkte Anwendung dieser Regelung auf die Erbengemeinschaft scheide aus, da sie für diese Zwecke nicht als Personengesellschaft qualifiziere. Eine analoge Übertragung auf die Erbengemeinschaft scheide ebenfalls aus. Der Gesetzgeber habe die wirtschaftliche Zurechnung der Wirtschaftsgüter abschließend für den Fall der Personengesellschaft geregelt. Damit habe er eine Spezialvorschrift geschaffen, welche die Heranziehung der allgemeinen Zurechnungsnorm (§ 39 Abs. 2 S. 2 AO) ausschließe.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stellt eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung des IX. Senats des BFH dar. Dieser vertrat bisher die Ansicht, der entgeltliche Erwerb eines Erbteils des anderen Miterben führe insoweit zu Anschaffungskosten hinsichtlich des zum Nachlass gehörenden Grundstücks (BFH vom 20.04.2004 – IX R 5/02, BStBl. II 2004 S. 987). Dies entsprach ebenfalls der bisherigen Handhabung durch die Finanzverwaltung (BMF vom 14.03.2006, BStBl. I 2006 S. 253, Tz. 43).

Die Entscheidung erleichtert die einkommensteuerliche Situation bei Übertragung von Immobilien im Kontext der Erbengemeinschaft und eröffnet neue Gestaltungs- und Planungsmöglichkeiten. Teilweise wird bereits die Frage aufgeworfen, ob die Entscheidung auch auf andere im Nachlass befindliche Gegenstände übertragbar sei, z.B. auf Anteile an Kapitalgesellschaften. Dagegen dürfte sprechen, dass das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Nämlichkeit grds. keine Anwendung auf Ebene des § 17 EStG für Kapitalgesellschaftsanteile findet. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung und der Gesetzgeber auf die Entscheidung reagieren.

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