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21.04.2021

Steuerboard

Kein Gestaltungsmissbrauch bei Veräußerung wertloser Aktien

Die Frage, wie steuerlich mit wertlos gewordenen Aktien bzw. anderen Wertpapieren umzugehen ist, war immer wieder Zankapfel zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung und auch schon mehrfach Gegenstand von Beiträgen. Nunmehr hat der BFH in seinem Urteil vom 29.09.2020 – VIII R 9/17 (DB 2021 S. 599) dem FG München (Urteil vom 17.07.2017 – 7 K 1888/16) unter Verweis auf seine ständige Spruchpraxis in vollem Umfang zugestimmt und geklärt, dass die Veräußerung von wertlosen Aktien weder von der Höhe der Gegenleistung abhängt, noch zu einem Gestaltungsmissbrauch durch den Steuerpflichtigen führt.

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RA Gerald Herrmann, Attorney-at-Law
, Partner bei POELLATH, München

Sachverhalt

Im Jahr 2011 erwarb der Revisionsbeklagte (Kläger) Aktien an einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Nach Betrugsvorwürfen gegenüber dieser Gesellschaft verloren die Aktien erheblich an Wert und wurden schließlich von der ausländischen Börsenaufsicht vom Handel ausgeschlossen. Der Kläger veräußerte daraufhin seine (nunmehr wertlosen) Aktien an eine für ihn fremde Dritte und verpflichtete sich im Gegenzug von ihr andere wertlose Aktien zu kaufen. Daraufhin wurden die Aktien der Gesellschaft aus dem Depot des Klägers aus- und in das Depot der Käuferin eingebucht. Aufgrund dieses Depotübertrags behandelte die Bank des Klägers den Vorgang als Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und behielt Kapitalertragsteuer ein. Der Kläger begehrte nun mit seiner Einkommensteuererklärung die Berücksichtigung seines Veräußerungsverlustes, d.h. der Differenz zwischen Verkaufserlös (hier: 10 €) und seiner ursprünglichen Anschaffungskosten (hier: 4.685 €).

Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Veräußerungsverluste ab. Es vertrat im Einspruchs- und im anschließenden Klageverfahren vor dem FG München (a.a.O.) die Auffassung, dass durch die Veräußerung objektiv wertloser Aktien zu einem lediglich symbolischen Preis (0,01 €/Aktie) keine Einnahmen erzielt wurden. Der Kläger habe die Aktien lediglich verkauft um sich dadurch einen gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil (nämlich die Berücksichtigung der Veräußerungsverluste) zu verschaffen; die Gestaltung sei damit rechtsmissbräuchlich (§ 42 AO).

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurück und bestätigte damit die Rechtsauffassung des Klägers.

Vorliegen einer Veräußerung unabhängig von der Höhe der Gegenleistung

Die Übertragung der Aktien vom Depot des Klägers in das Depot der Käuferin gegen ein Entgelt (hier: 10 €) führe für diesen zu negativen Kapitaleinkünften aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Eine „Veräußerung“ setze lediglich die entgeltliche Übertragung des (zumindest) wirtschaftlichen Eigentums auf einen Dritten voraus. Das sei hier aufgrund des mit dem Depotübertrag verbundenen Rechtsträgerwechsels vom Kläger auf die Käuferin der Fall. Eine weitere Voraussetzung an eine „Veräußerung“ stelle das Gesetz nicht auf.

Keine entgegenstehenden Aspekte

Weder habe das Finanzamt konkrete Aspekte dafür vorgetragen, noch ist nach den Feststellungen des FG München ersichtlich, dass die Übertragung nur zum Schein erfolgte (§ 41 AO). Es bestand zwischen dem Kläger und der Käuferin auch kein Näheverhältnis, sodass die Vereinbarung über den Verkauf der Aktien als entgeltliche Veräußerung zwischen fremden Dritten zu behandeln sei. Unerheblich sei weiter, dass die Veräußerung der Aktien durch den Kläger mit der Bedingung verknüpft sei, dass dieser im Gegenzug ebenfalls wertlose Aktien von der Käuferin erwarb, denn insoweit komme es lediglich auf den durch den Depotübertrag veranlassten Rechtsträgerwechsel an. Nicht anders wäre der Fall steuerlich zu behandeln, wenn der Kläger und die Käuferin statt zweier Kaufverträge einen Tauschvertrag abgeschlossen hätten.

Keine Relevanz der bereits (länger) bestehenden Wertlosigkeit

Auch sei dem Umstand, dass die Aktien der Gesellschaft durch den Kursverfall schon länger wertlos waren, steuerlich keine Bedeutung beizumessen. Allein der Kursverfall der Aktien und deren Ausschluss vom Handel an der Börse („Delisting“), aber ohne Ausbuchung aus dem Depot des Klägers, führe nicht zu einer Realisierung des Aktienverlustes. Dieser sei erst dann steuerlich zu berücksichtigen, wenn die Aktien veräußert werden oder ein gesetzlich normierter Ersatztatbestand (§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG) für die Veräußerung erfüllt werde.

Kein Gestaltungsmissbrauch durch den Kläger

Der Kläger habe auch lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, diese aber nicht missbraucht (§ 42 AO). Er verfolgte mit seinem Verkauf lediglich das Ziel, sich von den nahezu wertlosen Aktien der Gesellschaft durch Übertragung auf einen Dritten zu trennen. Dieses Ziel sei – so der BFH – sinnvoll nicht anders als durch eine Veräußerung zu erreichen. Das Gesetz sieht die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ausdrücklich vor und unterwirft sie der Besteuerung. Der Kläger habe daher nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern im Gegenteil lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass im konkreten Fall ein Verlustgeschäft vorliegt, denn auch Veräußerungsverluste werden vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst. Es stehe dem Kläger frei, ob, wann und an wen er seine Gesellschaftsanteile veräußert.

Auch der Umstand, dass die Übertragung der wertlosen Aktien des Klägers im konkreten Fall mit der Verpflichtung des Erwerbs wertloser Aktien verknüpft wurde führe zu keinem anderen Ergebnis. Die gewählte Art der Veräußerung stelle eine durch das Gesetz eingeräumte Möglichkeit dar, die nicht gegen vom Gesetzgeber vorgegebene Wertungen verstoße, zumal mögliche Kurssteigerungen der vom Kläger im Gegenzug erworbenen Aktien steuerverstrickt seien.

Fazit

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer hat sich der Gesetzgeber für die Substanzbesteuerung entschieden. Die Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten ist damit lediglich die logische Folge dieser Substanzbesteuerung. Die Besprechungsentscheidung zeigt dabei erneut, dass kein Gestaltungsmissbrauch durch den Steuerpflichtigen vorliegt, wenn dieser lediglich von gesetzlich vorgesehen Möglichkeiten (hier: dem Verkauf) gebrauch macht, auch wenn dies für ihn im konkreten Fall zu einem Steuervorteil (hier: Berücksichtigung der Veräußerungsverluste) führt. Die eindeutigen Formulierungen, mit denen der BFH den Leser durch die Urteilsgründe führt, haben offenbar auch das BMF veranlasst die Entscheidung in Kürze zur Veröffentlichung im BStBl. II vorzusehen. Das ist erfreulich für den Steuerpflichtigen, da die Finanzbehörden somit zugleich die Entscheidung allgemein anwenden.


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