Ausgangslage und Urteilsfall
Von den Anschaffungskosten für ein vermietetes Objekt kann nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG nur der Teil abgeschrieben werden, der auf das Gebäude entfällt. Insofern liegt es im Interesse des Käufers, einen möglichst hohen Anteil der Anschaffungskosten auf den Gebäudeanteil zu allokieren. Inwieweit eine vertragliche Kaufpreisaufteilung von der Finanzverwaltung akzeptiert werden muss, hatte der BFH in einem Fall zu entscheiden, bei dem der Kläger eine Eigentumswohnung und anteilig Miteigentum am Grundstück erwarb.
Im Kaufvertrag wurde eine Kaufpreisaufteilung vereinbart, nach der auf das Gebäude ca. 81 % entfielen. Das Finanzamt ermittelte mit Hilfe der Arbeitshilfe des BMF eine eigene Bewertung des Gebäudeanteils von nur ca. 30 % des Kaufpreises. Nach den Vorgaben der Arbeitshilfe wurde dabei der Bodenwert anhand des Bodenrichtwertes und der Gebäudewert mittels typisierter Herstellungskosten ermittelt und anschließend der restliche Kaufpreis anteilig zugeordnet. Im Einspruchs- und Klageverfahren wandte sich der Kläger gegen die Festsetzung des Finanzamtes mit der Begründung, dass die Arbeitshilfe des BMF nicht die tatsächlichen Wertverhältnisse abbilde, da diese allein von typisierten Schätzungen ausgehe, ohne die Besonderheiten der Lage oder des Gebäudes zu berücksichtigen – im Sachverhalt lag das Objekt zwischen einer S-Bahn-Strecke und der Autobahn, das Gebäude hingegen wurde mit hohen Aufwendungen renoviert. Das FG Berlin-Brandenburg als Vorinstanz beurteilte die Wertermittlung gemäß der Arbeitshilfe des BMF als sachgerecht und wies die Klage mit Urteil vom 14.08.2019 (3 K 3137/19, EFG 2020 S. 182) ab. Infolge dieses FG-Urteils wurde die Finanzverwaltung in der Praxis ermutigt, Kaufpreisaufteilungen streitig zu stellen und sich auf die mittels der Arbeitshilfe ermittelten Werte zu berufen.
Die Entscheidung des BFH
Vor dem BFH hatte der Kläger hingegen Erfolg. Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zurück. Die Entscheidung enthält dabei mehrere für die Praxis erfreuliche Aussagen.
Zunächst bestätigt der BFH seine Rechtsprechung, dass eine im Kaufvertrag geregelte Kaufpreisaufteilung für die Besteuerung grundsätzlich zugrunde zu legen ist. Eine Korrektur sei danach nur geboten, wenn im Einzelfall nennenswerte Zweifel bestünden, dass die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt wurden und die Aufteilung wirtschaftlich nicht haltbar erscheinen lassen. Hierbei rechtfertige allein die bloße Abweichung von den Bodenrichtwerten und den Wertmaßstäben der Arbeitshilfe des BMF noch keine Korrektur der vertraglichen Kaufpreisaufteilung. Es handele sich dabei lediglich um ein Indiz, welches durch weitere Indizien, wie besondere Ausstattungsmerkmale, Renovierungen oder eine eingeschränkte Nutzbarkeit belegt oder entkräftet werden kann. Im Entscheidungsfall lagen nennenswerte Zweifel vor, da der anteilige GuB-Anteil im Kaufvertrag den Bodenrichtwert erheblich unterschritt (um ca. 75 %).
Zudem dürfe, so der BFH, das Finanzgericht im Falle eines streitigen Aufteilungsmaßstabs bei der Beurteilung nicht auf die Berechnungsmethode der Arbeitshilfe des BMF abstellen, da diese keine für den Einzelfall geeigneten und zutreffenden Bewertungen liefern könne. Die Arbeitshilfe gewährleiste keine Beurteilung des realen Verkehrswertes, u.a. da insbesondere die Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und des Bewertungsrechts keine entsprechende Berücksichtigung fänden. Als Folge müsse bei einer streitigen Grundstücksbewertung immer eine Einzelfallbetrachtung durch das Finanzgericht erfolgen. Das FG genüge seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung aber nur, wenn es ein eigenes Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen einhole. Im konkreten Fall wurde die Sache daher an das FG zur erneuten Prüfung zurückverwiesen.
Auch wenn der BFH im Urteil an sich die Restwertmethode (Gebäudewert als Differenz aus Kaufpreis und Bodenwert) ablehnt, ermöglicht er ihre Anwendung durch das Urteil erfreulicherweise dennoch, da er eine Kaufpreisallokation dann nicht als die realen Wertverhältnisse grundsätzlich verfehlend ansieht, wenn der GuB-Anteil dem Bodenrichtwert entspricht.
Bedeutung für die Praxis
Die Feststellungen des BFH sind sehr positiv für die Praxis und geben klare Leitlinien für die Kaufvertragsgestaltung. Jedoch bleibt die Reaktion des BMF auf das Urteil abzuwarten. Denkbar wäre eine Überarbeitung der Arbeitshilfe oder eine Nichtveröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt. In jedem Fall ist die Hürde für das Finanzamt, einen solchen Sachverhalt streitig zu stellen, durch das Urteil deutlich erhöht und dadurch die Position der Steuerpflichtigen in der Betriebsprüfung gestärkt worden. Das Finanzamt trägt neben einem deutlich erhöhten Begründungs- und Rechtfertigungsaufwand nunmehr stets ein Prozessrisiko, da der vom Gericht bestellte Sachverständige zu von der Arbeitshilfe (oder einem vom Finanzamt eingeholten Gutachten) abweichenden Ergebnissen gelangen kann.
Die Arbeitshilfe des BMF mit ihren „typisierten Herstellungskosten“ führt zu unrealistisch niedrigen Gebäudewerten und damit zu niedrigen Kaufpreisanteilen. So führt sie selbst beim Erwerb von 8- bis10-geschossigen Neubauten in Großstädten häufig zu Gebäudeanteilen von deutlich unter 50 %. Ein wichtiger Faktor ist dabei, dass sie die hohen Verkehrswertsteigerungen der letzten Jahre im Ergebnis weitgehend dem GuB-Anteil zuallokiert, da die „typisierten Herstellungskosten“ nur mit ca. 1,5 % p.a. indexiert werden. Demgegenüber steigen die Bodenrichtwerte, insbesondere in größeren Städten wesentlich schneller und können sich binnen 10 Jahren vervielfachen.