Der Fall Walmart
Dem geneigten Arbeitsrechtler kommen bei diesem Vorhaben wahrscheinlich gleich die Compliance-Regeln von Walmart in Erinnerung. Schon 2005 wurden die in Deutschland nach US-Vorbild übernommen Verhaltensregeln bei Walmart von deutschen Gerichten kassiert und als unwirksam erachtet. Die Compliance-Regeln bei Walmart hatten damals vorgesehen, dass ein Mitarbeiter nicht mit jemandem ausgehen oder eine Liebesbeziehung eingehen dürfen, der Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen kann oder deren Arbeitsbedingungen von der anderen Person beeinflusst werden könnte. Das LAG Düsseldorf hatte die Unwirksamkeit dieser Verhaltensregel festgestellt. Die Unwirksamkeit ergibt sich aus einem Verstoß gegen das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. An der damaligen Auffassung des LAG Düsseldorf von 2005 ist bis heute nicht besonders viel Kritik geübt worden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass diese Auffassung weiterhin von der Rechtsprechung bestätigt werden wird. Für Unternehmen wird es daher weiterhin nicht möglich sein, Beziehungsverbote zwischen den Angestellten durchsetzen zu können.
Rechtlicher Hintergrund
Rechtlich stellen Verhaltensregeln oder neudeutsch „Compliance-Regeln“ Arbeitsanweisungen dar. Eine Arbeitsanweisung ist nur dann rechtmäßig, wenn auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Bei dieser Interessenabwägung kann der Arbeitgeber für ein Verbot jedenfalls ins Feld führen, dass durch ein solches Verbot sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verhindert werden soll. In der Praxis scheitern Kündigungen wegen sexueller Belästigung oft daran, dass die Opfer nicht ihre Ablehnung gegen die ungewollten sexuellen Avancen deutlich genug gemacht haben. Dies ist insbesondere dann öfters der Fall, wenn Vorgesetzte ihre Machtpositionen missbrauchen und untergebene Mitarbeiter sich nicht trauen gegen ihren Chef vorzugehen. Ein klares Verbot jeglicher sexueller Beziehungen im Betrieb kann hier jedenfalls helfen und den etwaigen Ausreden der Täter bereits vorgreifen. Zudem dient ein solches Verbot auch dem Entgegenwirken von Interessenkonflikten am Arbeitsplatz sowie etwaiger unsachlicher Begünstigungen oder Vorteilsgewährungen aufgrund von Liebesbeziehungen. Auch hier können Arbeitnehmer effektiv vor entsprechenden Machtmissbrauch ihrer Vorgesetzten geschützt werden. Trotz der anerkennenswerten Ziele des Arbeitgebers wird ein pauschales Verbot von Beziehungen nicht angemessen sein. Die Intimsphäre der Arbeitnehmer ist durch deren Persönlichkeitsrecht grundgesetzlich geschützt. Es kann niemandem vorgeschrieben werden, welche sexuellen Partner er wählt bzw. mit welchem Partner eine Liebesbeziehung aufgenommen wird. Auch wenn Grundrechte nur gegenüber dem Staat wirken, sind sie auch bei Rechtsbeziehungen zwischen Privaten zu berücksichtigen und wirken sich daher insbesondere bei Interessenabwägungen aus. Die Ankündigung des Springer-Konzerns, dass bei Verstößen gegen die neuen Compliance Regeln auch Kündigungen drohen, wird daher in den meisten Fällen nicht durchsetzbar sein. Rechtlich möglich wären allerdings Regelungen, nach denen nur die Offenlegung von Beziehungen gegenüber dem Arbeitgeber verlangt werden kann. Wenn also nur Auskunftspflichten formuliert werden, ohne Beziehungen pauschal zu verbieten, dann könnte ein solches Anliegen des Arbeitgebers durchaus gerechtfertigt sein. Denn der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht wird hier wesentlich verringert. Der Arbeitgeber kann sich darauf berufen, dass die Auskünfte erforderlich sind, um möglichen Machtmissbrauch oder Interessenkonflikten entgegen zu wirken. Der Arbeitgeber könnte nämlich in solchen Fällen Liebespaare durch Versetzungen trennen (jedenfalls im Betrieb). Ob dann allerdings eine falsche Auskunft des Arbeitnehmers zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen kann, hängt vom Einzelfall ab. Arbeitgebern ist jedenfalls eine maßvolle Umsetzung der amerikanischen Regeln zu raten, da in den meisten Fällen die Liebe siegen wird.