Die bisherige Rechtslage
Im November 2022 änderte die Finanzverwaltung ihre fast 100-jährige Praxis bei der Besteuerung von Einkünften aus Rechten, die in einem deutschen Register eingetragen sind (z.B. deutsche Patent- und Markenrechte – Registerrechte). Seitdem unterliegen Veräußerungsgewinne sowie Lizenzvergütungen aus solchen Registerrechten auch dann der Besteuerung in Deutschland, wenn sämtliche beteiligten Vertragsparteien im Ausland ansässig sind. In diesen Fällen soll also bereits die bloße Registereintragung zur Begründung eines Besteuerungsrechts genügen (sog. Registerfälle).
Veräußert also ein im Ausland ansässiger Rechteinhaber ein Registerrecht (an einen im Ausland ansässigen Erwerber), ist der Veräußerungsgewinn in Deutschland grundsätzlich zu versteuern. Überlässt der ausländische Rechteinhaber das Registerrecht hingegen zur Nutzung im Wege einer Lizenz, ist der ausländische Lizenznehmer grundsätzlich verpflichtet, von der Lizenzzahlung einen Steuerabzug i.H.v. 15,825% vorzunehmen. Die Abzugsteuer ist an das BZSt abzuführen und elektronisch anzumelden.
Beispiel:
Das Unternehmen H, mit Sitz in Hongkong, hat eine neuartige Technologie entwickelt. Zum Schutz dieser Technologie hat H in zahlreichen Ländern und unter anderem auch in Deutschland ein Patent registriert. H gewährt dem Unternehmen U, mit Sitz in den USA, eine Lizenz zur Nutzung ihrer weltweiten (und damit auch deutschen) Patente. Obwohl diese Lizenzbeziehung mit Ausnahme der Registereintragung des deutschen Patents keinerlei Bezug zu Deutschland aufweist, unterliegen die von U an H gezahlten Lizenzgebühren der deutschen Besteuerung, soweit diese auf das deutsche Patent entfallen.
In Abhängigkeit vom Ansässigkeitsstaat des Veräußerers/Lizenzgebers werden diese Einkünfte nach den einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig von der Besteuerung ausgenommen. Allerdings wirkt diese Steuerbefreiung bei Lizenzzahlungen nicht „automatisch“. Die Freistellung wird vielmehr nur auf entsprechenden Antrag des ausländischen Lizenzgebers beim BZSt erteilt. Die Freistellung setzt jedoch voraus, dass dieser zusätzlich die umfangreichen Anforderungen des Einkommensteuerrechts (50d-Regelung) an seine wirtschaftliche Substanz (z.B. Mitarbeiter, Geschäftsräume, etc.) und Geschäftstätigkeit erfüllen kann. Bis zur Erteilung der Freistellung bleibt der Lizenznehmer zum Steuerabzug verpflichtet. Der Lizenzgeber kann sich etwaige einbehaltene Abzugsteuern anschließend auf Antrag (unter denselben Voraussetzungen wie für die Freistellung) erstatten lassen.
In der Praxis führt dieses formelle Freistellungsprozedere bei den Registerfällen zu erheblichen Problemen. Dies gilt insbesondere, da die Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung rückwirkend über mehrere Jahre (!) auf alle offenen Fälle anwendet. Entsprechend der damaligen Praxis wurden in diesen Fällen allerdings keine Steuerfreistellungen beantragt. Die betroffenen Unternehmen werden insofern vor erhebliche Herausforderungen gestellt, diese Fälle nachträglich aufzuarbeiten und nachzuerklären. In einigen Fällen bestehen auch faktische Schwierigkeiten, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nachträglich zu erbringen. Auch wurde die aus den Registerfällen resultierende Steuerbelastung in den Lizenzverträgen regelmäßig nicht geregelt, so dass es auch zu finanziellen Nachteilen für die betroffenen Unternehmen kommen kann. Die Besteuerung der Registerfälle führt insofern zu erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die weitere Historie der Registerfälle
Auch das BMF hatte erkannt, dass die Besteuerung der Registerfälle nicht „sachgerecht“ sei. Es hatte daher einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Besteuerung der Registerfälle vollständig aufgehoben werden sollte. Der Gesetzgeber vollzog demgegenüber eine Kehrtwende und setzte den entsprechenden Gesetzesentwurf nicht um. In der Folge bemühte sich das BMF zumindest die offenkundig nach einem DBA steuerbefreiten Fälle verfahrensrechtlich zu vereinfachen. Durch dieses vereinfachte Verfahren wurde die Nachmeldefrist für einen Übergangszeitraum verlängert und die Verpflichtung zum Steuerabzug bei entsprechender Nacherklärung faktisch ausgesetzt. Insbesondere bei Fällen zwischen fremden Dritten fehlten den betroffenen Vertragsparteien allerdings häufig die erforderlichen Informationen, um ihre steuerlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllen zu können. Das BMF verlängerte daher mehrfach den Übergangszeitraum, letztlich bis zum 30.06.2023.
Mit dem RefE zum JStG 2022 unternahm das BMF nunmehr einen weiteren Anlauf, die verfassungsmäßig fragwürdige Besteuerung der Registerfälle für die Zukunft (faktisch) vollständig aufzuheben. Für die Vergangenheit sollte (aus fiskalischen Gründen) nur noch die Besteuerung von Registerfällen zwischen nahestehenden Personen beibehalten werden. Für die Zukunft sei eine Besteuerung dieser Fälle nicht mehr erforderlich, da internationale Konzern ihre Lizenzbeziehungen zwischenzeitlich im Wesentlichen über DBA-Staaten strukturieren und in diesen Fällen künftig kein signifikantes Steuermehraufkommen zu warten sei.
Die Änderungen durch das JStG 2022
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren konnte sich das BMF mit dem Entwurf allerdings auch nicht vollständig durchsetzen. Zu groß waren offenbar die Sorgen vor einem etwaigen „Missbrauchspotenzial“, dass Konzerne ihre internen Lizenzbeziehungen künftig über nicht-DBA-Staaten – am deutschen Fiskus vorbei – strukturieren könnten. Durch das JStG 2022 bleibt es daher bei der Besteuerung der Registerfälle in zwei Szenarien:
- Mit Wirkung ab dem 01.01.2022 werden Registerfälle besteuert, bei denen der Veräußerer/Lizenzgeber in einer sog. nicht-kooperativen Jurisdiktion i.S.d. § 2 Steueroasen-Abwehrgesetz (Steueroase) ansässig ist. Die Einstufung von Staaten als Steueroasen erfolgt durch das BMF; betroffen sind derzeit 12 Staaten: Amerikanisch-Samoa, Anguilla, Bahamas, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, Turks- und Caicosinseln, Amerikanische Jungferninseln und Vanuatu. Diese Steueroasen spielen in der internationalen Praxis allerdings grundsätzlich keine Rolle, so dass diese Regelung faktisch leerlaufen dürfte.
- Entgegen der bisherigen Erwartung verleibt es allerdings noch grundsätzlich bei der Besteuerung von Registerfällen zwischen nahestehenden Personen (Konzernfälle). Dies sind im Wesentlichen Fällen, bei denen die Vertragsparteien über eine (un)mittelbare Beteiligung von mindestens 25% verbunden sind. Für Konzernfälle ab dem 01.01.2023 entfällt die Besteuerung jedoch zumindest in Fällen, in denen der Veräußerer/Lizenzgeber aufgrund eines DBA von der Besteuerung in Deutschland befreit ist und zusätzlich die Voraussetzungen der 50d-Regelung erfüllt. Das Besteuerungsrecht wird insoweit bereits auf Tatbestandsebene – d.h. „automatisch“ – ausgeschlossen. Bei Lizenzeinkünften sind in diesen Konzernfällen folglich Anträge auf Freistellung vom Steuerabzug künftig entbehrlich: Zudem entfallen sämtliche Verpflichtungen des Lizenznehmers zum Einbehalt und zur Anmeldung der Abzugsteuern. Besteht hingegen kein Freistellungsanspruch, verbleibt es in den Konzernfällen vollumfänglich bei der bisherigen Rechtslage; die Abzugs- und Anmeldungsverpflichtungen gelten insofern weiterhin fort.
In allen anderen Fällen, also bei Rechtsbeziehungen zwischen nicht-nahestehenden Personen außerhalb von Steueroasen (Drittfälle), wird die Besteuerung der Registerfälle vollständig abgeschafft. Dies gilt sowohl für (noch offene) Altfälle wie auch für künftige Rechtsbeziehungen. Dies ist überaus erfreulich, da hierdurch zahlreiche Praxisprobleme für die betroffenen Unternehmen beseitigt werden.
Fazit
Es ist zunächst zu begrüßen, dass die Besteuerung der Drittfälle (im Grundsatz) umfassend abgeschafft wird. Die betroffenen Unternehmen können aufatmen und ihre Lizenzbeziehungen mit den Vertragspartnern ohne steuerliche Komplikationen fortführen. Soweit eine Besteuerung in diesen Fällen noch bei Steueroasen in Betracht kommt, sollten diese Fälle in der Praxis keine große Relevanz spielen.
Leider hat der Gesetzgeber es allerdings erneut versäumt, die – im internationalen Steuerrecht überaus ungewöhnliche – Besteuerung der Registerfälle in Konzernfällen vollständig abzuschaffen. Soweit es noch bei einer Besteuerung verbleibt, lässt sich diese aus verfassungsrechtlichen Gründen und insbesondere aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch nicht rechtfertigen. Insbesondere sind keine sachlichen Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Konzernfälle und Drittfälle ersichtlich. Der Umstand, dass die erforderlichen Angaben für die Steuerbefreiung bzw. Ermittlung der Steuerhöhe in Drittfällen problematisch sind, vermag freilich keine abweichende Besteuerung zu begründen.
Die Besteuerung lässt sich auch unter dem Aspekt eines möglichen „Gestaltungsmissbrauchs“ im Konzern nicht rechtfertigen. So werden durch die Besteuerung der Konzernfälle nicht nur „missbräuchliche“ Gestaltungen erfasst. Betroffen sind beispielsweise auch „normale“ Konzernfälle mit Staaten, mit denen kein DBA existiert (z.B. Brasilien). Dies ist insbesondere in Lizenzfällen problematisch, bei denen die Abzugsteuer auf die Bruttoeinkünfte und nicht (!) auf den Gewinn veranschlagt wird. Sofern der Ansässigkeitsstaat die deutsche Abzugsteuer auf die lokale Steuer des betroffenen Unternehmens anrechnet (um das Unternehmen vor einer Doppelbesteuerung zu schützen), wird dem Ansässigkeitsstaat über die Besteuerung der Registerfälle faktisch eigenes Besteuerungssubstrat entzogen. Lässt der Ansässigkeitsstaat die Anrechnung aufgrund der unilateralen Besteuerungsmaßnahme Deutschlands hingegen nicht zu, resultiert die deutsche Abzugsteuer in einer erheblichen Doppelbesteuerung des Unternehmens. Dies verdeutlicht auch, dass die Besteuerung der Registerfälle mit internationalen Besteuerungsprinzipien nur schwer im Einklang zu bringen ist. Dies gilt speziell mit Blick auf die bevorstehende Einführung der Regelungen über die Mindestbesteuerung (Pilar 2) in der EU. Insofern stellt sich auch die Frage, ob der Gesetzgeber die mittelbaren Auswirkungen auf deutsche Unternehmen bzw. auf das deutsche Steuereinkommen bedacht hat, wenn die Besteuerung der Registerfälle international „Schule machen“ sollte und auch andere Staaten eine entsprechende Besteuerung einführen: Würde Deutschland tatsächlich etwaige ausländische „Registersteuern“ zur Entlastung der betroffenen Unternehmen in Deutschland und zu Lasten des deutschen Steueraufkommens anrechnen?
Der Gesetzgeber scheint diese Problematik derzeit offenbar aus rein fiskalischen Gründen zu akzeptieren. Die betroffenen Unternehmen stehen daher in vielen Konzernfällen auch weiterhin vor dem Problem, dass sie nachträglich die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht mehr nachweisen können oder sich einer potenziellen Doppelbesteuerung ausgesetzt sehen. Es sind daher zahlreiche Klagen gegen die Besteuerung zu erwarten. Die Fragen nach der Rechtmäßigkeit der Besteuerung der Konzernfälle werden daher letztlich die Gerichte in langjährigen Verfahren beantworten müssen.