Was ist Steuerberatung?
Vereinfacht gesprochen könnte unter Steuerberatung verstanden werden:
1) die Interessensvertretung vor Behörden und Gerichten,
2) die Unterstützung bei der Erfüllung von Steuerdeklarationsangelegenheiten und
3) die individuelle Lösungsfindung für Einzelfälle.
In einem Rechtsstaat sollte 1) die Interessensvertretung keiner Rechtfertigung bedürfen. Auch 2) das Erstellen von Steuererklärungen in vollständiger und transparenter Art und Weise ist grundsätzlich unproblematisch. Die Kernfrage der Ethik, der (mögliche) Konflikt von Eigennutz und Moral, stellt sich vor allem bei 3), der Gestaltung von Einzelfällen. Komplexe steuerliche Einzelfallberatung benötigt neben hoher fachlicher Kompetenz auch Kreativität und Berufserfahrung. Gerade deshalb ist sie auch finanziell besonders einträglich. Und genau an diesem Punkt kann sich der steuerliche Berater in einem Dilemma wiederfinden, wenn eine „tolle Idee“ mit hohem Einnahmepotenzial im Graubereich dessen angesiedelt ist, was der sprichwörtliche „ehrbare Kaufmann“ möglicherweise nicht tut.
Wie umgehen mit dem Konflikt von Eigeninteresse und Moral?
Es wäre wirklichkeitsfremd anzunehmen oder zu fordern, Steuerberater sollten uneigennützig handeln. Ebenso wäre ein generelles Verbot von kreativer Steuerberatung unsinnig. Volkswirtschaften stehen miteinander im Wettbewerb und steuerliche Regelungen sind ein ziviler Teil des internationalen Wettbewerbs zwischen den Staaten. In Deutschland tätige Unternehmen benötigen hochklassige Steuerberatung. Die Nach-Steuer-Rendite ist eine kapitalmarktrelevante Kennziffer im Wettbewerb um Investoren, eine unnötige Doppelbesteuerung kann sich kein Unternehmer mehr leisten. Doch wie kann man dann den nächsten Cum-Ex-Skandal verhindern?
Aus unserer Sicht sind drei Dinge wichtig:
- In jedem Fall ist der Gesetzgeber gefragt, einen verlässlichen Rahmen zu schaffen, der fairen Wettbewerb und seriöse Beratung ermöglicht und die gesellschaftlich unerwünschten Formen grundsätzlich sanktioniert. Doch kann und soll dieser Rahmen nicht alles festlegen. Das bringt uns zum nächsten Punkt.
- Das Steuerberatungsgesetz verlangt ausdrücklich die unabhängige, eigenverantwortliche, gewissenhafte, verschwiegene und ohne marktschreierische Werbung auskommende Tätigkeit. Der Beruf des Steuerberaters ist ein freier Beruf und das bedeutet, dass sich der Berufsstand durch eine Kammerorganisation selbst verwaltet. Dazu gehört nach unserer Auffassung, dass ethische Standards formuliert und mit Leben gefüllt werden. Wer von der Gesellschaft Freiheit gewährt bekommen will, muss zeigen, dass er diese Freiheit verantwortlich gebraucht.
- Allerdings gibt es noch eine weitere Bedingung, damit verantwortliche Steuerberatung dauerhaft möglich ist: Klienten, die ihrerseits davon absehen, von Steuerberatern alles für sie herauszuholen, auch wenn es die Grenzen des Anständigen, wenngleich nicht unbedingt des Gesetzes, verletzt.
Ethische Steuerberatung ist möglich, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Nicht nur die Steuerberater selbst müssen dazu beitragen, dass sie möglich wird. Doch es darf als sicher gelten, dass sich diese Beiträge auf Dauer für alle lohnen.