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17.09.2024

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Inkongruente Gewinnausschüttungen: Neues BMF-Schreiben erweitert steuerlichen Anwendungsbereich

Nach inkongruenten, von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Gewinnausschüttungen besteht in der Praxis weiterhin ein starkes Bedürfnis. Die aus den unterschiedlichen Rechtsansichten des BFH und der Finanzverwaltung seit September 2022 resultierende Rechtsunsicherheit (vgl. Lührs, Neues vom BFH zu inkongruenten Gewinnausschüttungen, DB1440917) dürfte durch das neue BMF-Schreiben vom 04.09.2024 (DB 2024 S. 2320) zumindest teilweise der Vergangenheit angehören.

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Jannis Lührs, M.Sc.
ist Associate bei POELLATH in München

Dr. Christian Busmann
ist als Referendar bei POELLATH in München tätig

I. Hintergrund und Ausgangslage

In jüngerer Vergangenheit hat der BFH in zwei Urteilen weitere Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen aufgestellt.

1. BFH-Urteil zu gespaltener Gewinnverteilung

Mit Urteil vom 28.09.2021 – VIII R 25/19 (DB 2022 S. 230) entschied der BFH, dass eine gesellschaftsrechtlich zulässige gespaltene Gewinnverwendung wie eine zivilrechtlich wirksame, inkongruente Gewinnausschüttung grds. auch steuerlich anzuerkennen sei. In dem vorliegenden Fall waren Gewinnanteile an die Minderheitsgesellschafter ausgeschüttet worden. Der auf den Anteil des Mehrheitsgesellschafters entfallende Anteil am Gewinn war nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt worden. Aus Sicht des BFH führte die Einstellung in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage nicht zu Zuflüssen von Kapitalerträgen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG und folglich nicht zu einer Besteuerung des Mehrheitsgesellschafters.

2. BFH-Urteil zu punktuell satzungsdurchbrechenden GmbH-Beschlüssen

Der BFH hatte mit einem weiteren Urteil vom 28.09.2022 – VIII R 20/20 (DB 2023 S. 37) entschieden, dass auch punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss einer Besteuerung zugrunde zu legen seien, wenn diese nur punktuell, nicht aber mit Wirkung für die Zukunft satzungsdurchbrechend seien. Satzungsdurchbrechende Beschlüsse mit Dauerwirkung sind aus Sicht des BFH dagegen nichtig, solange nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung – insb. die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister nach § 53 Abs. 2 Satz 1, § 54 Abs. 1 GmbHG – eingehalten werden. Die Frage nach der Reichweite der Satzungsdurchbrechung wiederum sei anhand der hierzu ergangenen zivilgerichtlichen Rspr. zu entscheiden.

3. Abweichende Rechtsauffassung des BMF bis 2024

Dem gegenüber stand das bisher geltende BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (BStBl. I 2014 S. 63 = DB 2014 S. 23). Dieses setzte strengere Anforderungen an die steuerliche Anerkennung von inkongruenten Gewinnausschüttungen voraus. Eine steuerliche Anerkennung von inkongruenten Gewinnausschüttungen kam nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass die abweichende Gewinnverteilung zivilrechtlich wirksam ist. Dies war aus Sicht des BMF erfüllt, wenn

  •  im Gesellschaftsvertrag gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ein vom Verhältnis der Geschäftsanteile abweichender Gewinnverteilungsmaßstab angelegt ist,
  • eine nachträgliche Satzungsänderung zur Regelung einer ungleichen Gewinnverteilung mit Zustimmung aller beteiligten Gesellschafter nach § 53 Abs. 3 GmbHG vorgenommen wird oder
  • der Gesellschaftsvertrag eine Öffnungsklausel vorsieht, nach der mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig eine vom Verhältnis der Geschäftsanteile abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann.

Zur steuerlichen Anerkennung von gespaltenen Gewinnverwendungen schwieg das bisher geltende BMF-Schreiben hingegen.

II. Neuer Status quo durch das BMF-Schreiben vom 04.09.2024

1. Rezeption der BFH-Rspr. durch das BMF

Mit Schreiben vom 04.09.2024, welches das BMF-Schreiben vom 17.12.2013 (BStBl. I 2014 S. 63 = DB 2014 S. 23) ersetzt und in allen noch offenen Fällen Anwendung findet, übernimmt das BMF die Sichtweise des BFH und erweitert den steuerlichen Anwendungsbereich inkongruenter Gewinnausschüttungen um zwei weitere Fallgruppen ((3.) und (4.), siehe unten). Bei GmbHs erkennt das BMF nunmehr inkongruente Gewinnausschüttungen an, wenn diese zivilrechtlich wirksam beschlossen wurden, was insb. dann der Fall ist, wenn

1.  abweichende Regelungen zur Gewinnverteilung bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt sind oder durch Satzungsänderung unter der Zustimmung aller nachteilig betroffenen Gesellschafter aufgenommen werden,

2.  eine Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag besteht und der Gewinnverwendungsbeschluss mit den erforderlichen Zustimmungen der Gesellschafter und ggf. mit der in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Mehrheit gefasst wird,

3.  ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss gefasst wird, der von keinem Gesellschafter mehr angefochten werden kann, oder

4.  zivilrechtlich wirksam eine gespaltene Gewinnverwendung beschlossen wird.

In Bezug auf die bereits im BMF-Schreiben aus dem Jahr 2013 anerkannten Fallgruppen zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen ergeben sich geringfügige positive Änderungen. So wird aus Sicht der Verfasser im Rahmen abweichender Regelungen der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag der von der Zustimmungspflicht betroffene Gesellschafterkreis verringert. Denn das neue BMF-Schreiben verwendet mit der „Zustimmung derjenigen Gesellschafter (…), die von der Veränderung nachteilig betroffen sind“, einen anderen Wortlaut als im Schreiben aus 2013, in welchem von der „Zustimmung aller beteiligten Gesellschafter“ die Rede war.

2. Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO

Gänzlich aus dem kürzlich erschienenen BMF-Schreiben verschwunden sind hingegen jegliche Anmerkungen zur Anwendung der Grundsätze des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO. Der BFH hat mit seinem Urteil vom 28.09.2022 verdeutlicht, dass inkongruente Gewinnausschüttungen zwar grds. in den Anwendungsbereich des § 42 AO fallen können. Allerdings scheint der Anwendungsbereich nur noch wenige Fälle zu betreffen. Mit dem Argument des BFH, dass nahezu jede vGA eine inkongruente Ausschüttung darstellt, qualifizieren offene inkongruente Gewinnausschüttungen quasi erst recht als „missbrauchsfrei“. Daher ist zu vermuten, dass aus Sicht des BMF der verbleibende Anwendungsbereich so gering erschien, dass § 42 AO nicht mehr gesondert zu erwähnen war.

III. Ausblick

Im Vergleich zu den Aussagen der BFH-Urteile hält sich der Erkenntnisgewinn durch das BMF-Schreiben insgesamt in Grenzen. Begrüßenswert ist der hierdurch erfolgte Gleichlauf zwischen Finanzverwaltung und aktueller Rspr. und die damit einhergehende größere Rechtssicherheit für den Rechtsanwender. Das BMF-Schreiben selbst spricht zwar nur von Vorabausschüttungen, dies ist aber insofern konsequent, als dass das Schreiben Bezug nimmt auf das BFH-Urteil vom 28.09.2022, welches konkret Vorabausschüttungen betrifft. Warum die Grundsätze nur für Vorabgewinnausschüttungen, nicht aber ebenfalls für andere Gewinnausschüttungen gelten sollten, erschließt sich nicht zwangsläufig. Eine Klarstellung diesbezüglich wäre wünschenswert.

Da der BFH bereits in einer aktuellen Entscheidung zum Carried Interest (vgl. BFH vom 16.04.2024 – VIII R 3/21, DB 2024 S. 1861) ebenfalls festgehalten hat, dass zivilrechtlich wirksame Gewinnverteilungsabreden steuerrechtlich anzuerkennen seien, wenn sie im Gesellschaftsverhältnis begründet sind und einem Fremdvergleich standhalten, wäre diesbezüglich eine Klarstellung im neuen BMF-Schreiben denkbar gewesen, um weitere Rechtssicherheit zu schaffen und die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen möglichst allumfassend festzuhalten. Dies bleibt für die Zukunft abzuwarten.

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