Die Zeitarbeit sieht sich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, prekäre Beschäftigung zu fördern und für Lohndumping zu sorgen. Die Ergebnisse der aktuellen IAW-Studie, über die die F.A.Z. zuerst exklusiv berichtete, rücken dieses Bild nun gerade.
Keine Lohnlücke in der Zeitarbeit
Grundlage der Studie sind Daten aus der jüngsten Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamts. Diese weisen auf den ersten Blick eine deutliche Lücke aus: Zeitarbeitnehmende verdienen im Schnitt mehr als 20 % weniger als Beschäftigte in Direktanstellung. Doch entscheidende Rahmenbedingungen wie Alter, Qualifikation oder Art der Tätigkeit bleiben in der “unbereinigten” Darstellung unberücksichtigt. Genau hier setzt die IAW-Analyse an: Die Tübinger Forscher haben die Vergleichbarkeit der Beschäftigten hergestellt, unter anderem durch statistische Verfahren wie lineare Regression, Matching und Blinder-Oaxaca-Dekomposition.
Das Ergebnis ist eindeutig: Sobald Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichen Alters, gleicher Qualifikation und vergleichbarer Tätigkeit gegenübergestellt werden, schrumpft die vermeintliche Lohnlücke auf nahezu null und kehrt sich teilweise sogar um. In einem der Modelle übertreffen die Stundenlöhne von Zeitarbeitnehmenden die ihrer festangestellten Kolleginnen und Kollegen um bis zu 11 %. Die Studie widerlegt damit fundiert das verbreitete Bild einer strukturellen Benachteiligung von Zeitarbeitskräften.
Zeitarbeit als Arbeitsmarktmotor
Erstellt wurde die Untersuchung im Auftrag des Gesamtverbands der Personaldienstleister (GVP), der sich seit Jahren für eine faktenbasierte Auseinandersetzung mit der Zeitarbeit einsetzt. Die Wahl des IAW als Studienersteller ist dabei nicht zufällig: Das Institut ist bekannt für seine wissenschaftliche Unabhängigkeit und erstellt regelmäßig Gutachten für das Bundesarbeitsministerium. Die Studienergebnisse sind daher als belastbare Grundlage für eine differenzierte Debatte zu werten.
Die IAW-Studie bestätigt, was viele Branchenkenner schon lange beobachten: Zeitarbeit ist kein Lohndumpingmodell, sondern ein moderner Bestandteil eines funktionierenden Arbeitsmarktes. GVP-Verbandspräsident Christian Baumann fordert daher, das Potential der Zeitarbeit als Beschäftigungsmotor stärker zu nutzen. „Wer Wachstum will, muss die Zeitarbeit entfesseln“, sagt er. Auch die IAW-Studie hebt deren Rolle als „Sprungbrett“ für Arbeitssuchende und als Produktivitätsfaktor für die Wirtschaft hervor. Vor diesem Hintergrund fordern nicht nur der GVP, sondern auch Zeitarbeitsunternehmen Erleichterungen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen.
Das bestätigt auch die Lünendonk-Studie „Zeitarbeit in Deutschland“, die sich intensiv mit den Herausforderungen für die Dienstleister auseinandersetzt. Die strengen regulatorischen Rahmenbedingungen, sektorale Verbote und das Beschäftigungsverbot für Drittstaatsangehörige stellen nach wie vor erhebliche Einschränkungen dar. Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels bleibt die Politik hier hinter den Anforderungen und Erwartungen des Marktes zurück.