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01.02.2021

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Homeoffice-Pflicht durch die Hintertür? Mit neuer SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung droht Unternehmen neue Rechtsunsicherheit

Kaum war der Bundesarbeitsminister mit dem Vorhaben gescheitert, ein gesetzliches Recht auf Homeoffice einzuführen, liefert die sich weiter verschärfende Covid-19-Pandemie die Steilvorlage für eine im Arbeitsschutzrecht verankerte Pflicht, Heimarbeit anzubieten, wo immer dies möglich ist. Zwar soll die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) nur befristet gelten – sie bedeutet dennoch eine Zeitenwende für die Organisation der Arbeit in Betrieben.

Homeoffice-Pflicht durch die Hintertür?  Mit neuer SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung droht Unternehmen neue Rechtsunsicherheit

Prof. Dr. Ulrich Tödtmann
ist Partner bei RITTERSHAUS Rechtsanwälte in Mannheim

Dr. Andreas Notz
ist Partner bei RITTERSHAUS Rechtsanwälte in Mannheim

Zentrales Ziel der am 27. Januar 2021 in Kraft getretenen verschärften Arbeitsschutzverordnung ist es, das Ansteckungsrisiko von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am Arbeitsplatz weiter zu verringern, indem Kontakte noch stärker als bisher reduziert werden. Der Gesundheitsschutz der Beschäftigten mache es erforderlich, die Arbeitgeberseite zu verpflichten, im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Homeoffice anzubieten. Zudem gelten strengere Regeln für den Infektionsschutz am Arbeitsplatz, die von Seiten des Arbeitgebers zu beachten und umzusetzen sind. Wegen der Tragweite dieses Eingriffs ist die Regelung zunächst bis zum 15. März 2021 befristet – eine Verlängerung aber keinesfalls ausgeschlossen.

Heimarbeit muss ermöglicht werden

Wichtigste Neuerung der Verordnung stellt die Pflicht des Arbeitgebers dar, seinen Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese in ihrer Wohnung auszuführen, wenn dem keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Das Unternehmen ist also verpflichtet, die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen. Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen. Die zuständige Arbeitsschutzbehörde ist befugt, vom Arbeitgeber die erforderlichen Auskünfte und die Überlassung von Unterlagen zu verlangen, wenn er Homeoffice weiterhin nicht ermöglicht. Wird eine entsprechende Anordnung der zuständigen Behörde dann nicht innerhalb einer gesetzten Frist oder eine für sofort vollziehbar erklärte Anordnung nicht sofort ausgeführt, kann die Behörde die von der Anordnung betroffene Arbeit nach § 22 ArbSchG untersagen. Die Beschäftigten sind jedoch nicht verpflichtet, das Angebot, die Arbeitstätigkeit von zu Hause aus zu erledigen, anzunehmen. Für die Umsetzung – so die amtliche Begründung wörtlich – ist es erforderlich, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung der Beschäftigten gegeben sind und dass zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten eine Vereinbarung bezüglich Homeoffice getroffen wurde.

Homeoffice kann nicht eingeklagt werden

Liegen betriebliche Gründe dafür vor, dass eine Tätigkeit im Homeoffice nicht möglich ist, muss der Arbeitgeber der Behörde die Gründe dafür darlegen. Ein subjektives Klagerecht von Beschäftigten soll – wie im Arbeitsschutzrecht üblich – damit nicht verbunden sein. Ein Arbeitnehmer kann also nicht darauf klagen, ab sofort auf Grundlage der Corona-Arbeitsschutzverordnung nur noch im Homeoffice zu arbeiten. Nicht übersehen werden darf, dass es hier nicht um die seit Jahren geführte Diskussion um die Einführung einer allgemeinen Pflicht des Arbeitgebers geht, Homeoffice anzubieten. Es soll lediglich für einen eng begrenzten Zeitraum dafür gesorgt werden, „das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus bei der Arbeit zu minimieren und Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu schützen“ (§ 1 Abs. 1 der Verordnung). In der Praxis wird es vor allem darum gehen, was unter zwingenden Gründen, die einer Verlagerung von Tätigkeiten ins Homeoffice entgegenstehen, zu verstehen ist. Zwar besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Arbeitnehmer kein subjektives Klagerecht auf Homeoffice hat, was auch Ansprüche auf eine arbeitsgerichtliche einstweilige Verfügung ausschließen dürfte. Nach den Vorstellungen der Verordnung und den Erklärungen des Bundesministers Heil in einem Videostream vom 20. Januar 2021 soll sich ein Arbeitnehmer, der meint, im Homeoffice arbeiten zu können, dessen Arbeitgeber indes anderer Auffassung ist, zunächst an den Arbeitgeber, an den Betriebsrat oder die Arbeitsschutzbehörden der Länder oder die Berufsgenossenschaft wenden. Damit die Arbeitsschutzbehörde sich ein eigenes Bild von der Homeoffice-Tauglichkeit der Beschäftigung machen kann, hat sie ein Besichtigungs- und Einsichtsrecht. Ist die Behörde der Ansicht, dass die Tätigkeit auch im Homeoffice erfolgen kann, darf sie nach § 22 Abs. 3 S. 3 ArbSchG letztlich sogar die Beschäftigung im Betrieb untersagen. Wichtig ist, dass die Verordnung zunächst bis zum 15. März 2021 befristet ist. Selbst wenn die Regelungen um drei oder sogar sechs Monate verlängert werden sollten, werden sich rechtskräftige Entscheidungen über Maßnahmen der Arbeitsschutzbehörden im Hauptsacheverfahren vor den dafür zuständigen Verwaltungsgerichten bis zum Ablauf der Befristung kaum erreichen lassen. Es ist daher davon auszugehen, dass im einen oder anderen Falle hier doch der Weg des einstweiligen Rechtsschutzes beschritten wird, auch wenn dieser für Arbeitnehmer, die im Homeoffice arbeiten wollen, nicht zur Verfügung stehen soll. Zur vorübergehenden Homeoffice-Pflicht kommen verschärfte Maßnahmen zum Infektionsschutz und zur Kontaktreduktion im Betrieb. Zunächst hat der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung auf zusätzlich erforderliche Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes zu überprüfen und zu aktualisieren. Die Untersuchung muss dokumentiert werden, weil sie von den Arbeitsschutzbehörden überprüft wird. Im Kern regelt die Verordnung zahlreiche Punkte, um das Ansteckungsrisiko am Arbeitsplatz zu minimieren:

  • Es sind alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren.
  • Zusammenkünfte mehrerer Personen sind auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren und nach Möglichkeit durch die Verwendung von Informationstechnologie, etwa Videokonferenzen, zu ersetzen. Ist das nicht möglich, sind geeignete Schutzmaßnahmen wie Lüften oder Abtrennungen zwischen den anwesenden Personen zu treffen.
  • Die Mindestfläche von 10 Quadratmeter für jede im Raum befindliche Person darf im Betrieb nicht unterschritten werden.
  • In Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten müssen möglichst kleine Arbeitsgruppen gebildet werden. Personenkontakte zwischen den Arbeitsgruppen sind so niedrig wie möglich zu halten. Lassen die betrieblichen Gegebenheiten es zu, soll zeitversetzt gearbeitet werden.
  • Schließlich hat der Arbeitgeber den Beschäftigten medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen, wenn die Anforderungen an die Raumbelegung oder der Mindestabstand von 1,5 Meter nicht eingehalten werden kann.

Letzte Warnung vor dauerhafter Homeoffice-Pflicht

Viele Corona-Arbeitsschutzregelungen werden durch die neue Verordnung lediglich konkretisiert oder verschärft. Neu ist, dass jeder Arbeitgeber verpflichtet wird, Heimarbeit zu gestatten, wo immer dies möglich ist. Das bedeutet für die IT- und Personalabteilungen jede Menge Aufwand. Aber der lohnt sich. Wichtig ist, dass die technischen Voraussetzungen für ein gut funktionierendes Homeoffice geschaffen werden und eine klare Vereinbarung zu Punkten wie Erreichbarkeit, Zeiterfassung und Leistungserwartung getroffen wird. Dabei kommt es am Ende darauf an, den Beschäftigten zu vertrauen. Denn oftmals wird am Heimarbeitsplatz sogar mehr geleistet als im Betrieb.


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