Die deutschen Unternehmen erwarten mehr Bürokratie durch das Lieferkettengesetz. Das geht aus der Mai-Konjunkturumfrage des ifo Instituts hervor.
„Vor allem in der Industrie geben 43 % der teilnehmenden Unternehmen an, negative Auswirkungen durch Erhöhung der Bürokratie oder des Dokumentationsaufwandes zu erwarten, gefolgt vom Großhandel“, sagt Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft.
Angst vor juristischen Risiken in Haftungsfragen
„Viele Unternehmen fühlen sich auch indirekt vom Gesetz betroffen, beispielsweise durch Preiserhöhungen oder durch ihre Rolle als Zulieferer für Großunternehmen“, sagt Flach. Martin Braml, Mitverfasser der Analyse, sagt, viele Unternehmen befürchteten auch juristische Risiken in Haftungsfragen und zweifelten an der praktischen Durchsetzbarkeit, Produktionsstandards bei ihren Zulieferern effektiv zu kontrollieren.
Den geringsten Effekt erwarten Dienstleister, vermutlich aufgrund geringerer internationaler Verflechtungen innerhalb ihrer Wertschöpfungsketten. Das ifo Institut fragte im Mai 7.000 Unternehmen, wie groß sie die Auswirkungen des nationalen Lieferkettengesetzes auf ihr Unternehmen einschätzen.
ifo Institut gegen staatliche Eingriffe in Lieferketten
Das ifo Institut hat sich gegen eine allgemeine Rückverlagerung von Produktion nach Deutschland und gegen staatliche Eingriffe in Lieferketten ausgesprochen. Vielmehr sollten die Bezugsquellen der deutschen Wirtshaft international vielfältiger werden. Daher müssten der EU-Binnenmarkt vertieft und die Welthandelsorganisation gestärkt werden. Die deutsche Volkswirtschaft profitiere wie kaum eine andere von offenen Weltmärkten, schreibt Flach in ihrem aktuellen Aufsatz „Für robuste Lieferketten und gegen Protektionismus“. Eine allgemeine Rückverlagerung von Lieferketten würde zu enormen Einkommensverlusten führen, so Flach. Daher sollte der Staat sich mit Eingriffen in die Gestaltung von Lieferketten grundsätzlich zurückhalten.
Lieferkettengesetz: Der EU kommt bedeutsame Rolle zu
67 % der importierten Waren, die aus fünf oder weniger Zuliefererländern bezogen würden, stammten aus anderen EU-Staaten. Daher gelte es, den gemeinsamen EU-Binnenmarkt zu stärken. Vor allem bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen sei das Integrationspotenzial längst nicht ausgeschöpft. Häufig stünden mangelnde Harmonisierung, Defizite bei der Umsetzung von EU-Recht oder bürokratische Hürden einer wirtschaftlichen Integration im Weg. Ein besonderes Augenmerk sollte zudem auf die Schaffung eines vollständig integrierten europäischen Marktes für digitale Leistungen gelegt werden.
(ifo Institut vom 11.06.2021 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)