Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld
Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn ein
erheblicher Arbeitsausfall
mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (§ 95 SGB III). Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, er vorübergehend und nicht vermeidbar ist und mindestens 10 % der Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von mehr als 10 % betroffen sind (§ 96 Abs. 1 SGB III). Die Bundesagentur für Arbeit erkennt die Coronakrise als
unabwendbares Ereignis
an. Allerdings muss die begründete Annahme bestehen, dass der
Arbeitsausfall nur vorübergehend
und nicht endgültig ist.
Voraussetzungen für betriebsbedingte Kündigungen
Voraussetzung für betriebsbedingte Kündigungen ist dagegen unter anderem, dass der
Beschäftigungsbedarf dauerhaft entfallen
ist. Der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kann auf inner- oder außerbetrieblichen Ursachen beruhen. Die inner- oder außerbetrieblichen Ursachen führen allein nicht zum Wegfall von Arbeitsplätzen. Vielmehr bedarf es einer gestaltenden
unternehmerischen Entscheidung
(z.B. einen Betrieb oder eine Abteilung zu schließen).
Vorgehen
Wenn Mitarbeiter abgebaut werden müssen, für die Kurzarbeitergeld beantragt wurde, könnte die Agentur für Arbeit vermuten, dass gar kein vorübergehender, sondern von Anfang an ein dauerhafter Arbeitsausfall vorlag. Das
Kurzarbeitergeld
müsste dann ggf.
zurückgezahlt
werden. Um schnell auszahlen zu können, wurde Kurzarbeitergeld häufig vorläufig gewährt. Bei späteren Prüfungen der Bescheide oder im Rahmen einer Betriebsprüfung könnten unangenehme Rückfragen gestellt werden, wenn zwischenzeitlich Kündigung erfolgt sind. Für die Geschäftsleitung können sich zudem
erhebliche strafrechtliche Risiken
ergeben. Die Einführung von Kurzarbeit ist nach den zugrunde liegenden Betriebsvereinbarungen oder Individualvereinbarungen häufig davon abhängig, dass Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht. Wenn dies nicht der Fall ist, könnten die Mitarbeiter
die Zahlung der
ausgefallenen Vergütung
und zwar in voller Höhe verlangen. Wenn
betriebsbedingte Kündigungen
ausgesprochen werden, könnten sich Mitarbeiter im Kündigungsschutzverfahren auf den Standpunkt stellen, dass diese mangels dauerhaften Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs
nicht wirksam
sind. Als Indiz würden sie im Zweifel die Kurzarbeit anführen. Eine
gute Vorbereitung
ist der Schlüssel, um die dargestellten Risiken zu vermeiden. Die Prognose zum Arbeitsausfall zum Zeitpunkt der Einführung der Kurzarbeit kann sich ändern. Die Folgen der Coronakrise für das Geschäftsmodell ließen sich im März und April nur schwer prognostizieren. Dies kann eine
neue Prognose
rechtfertigen, die zu einer Anpassung des Geschäftsmodells mit entsprechenden Auswirkungen auf den Beschäftigungsbedarf führt. Die Situation zum Zeitpunkt der
Einführung von Kurzarbeit
sollte bereits sauber aufgearbeitet sein. Es sollte sorgfältig dokumentiert sein, welche Annahmen der Prognose zugrunde lagen, dass der Arbeitsausfall nur vorübergehend ist. Nunmehr sollte dokumentiert werden, welche Tatsachen sich geändert haben, die nun zu einer
anderen Betrachtung
führen. Dies kann beispielsweise die Annahme sein, dass der Absatz nicht nur vorübergehend während und unmittelbar nach dem Lockdown, sondern langfristig einbricht und deshalb die Produktion dauerhaft gedrosselt oder ein Produkt oder eine Produktlinie komplett eingestellt werden muss. Die
unternehmerische Entscheidung
und deren Auswirkungen auf die Arbeitsplätze (z.B. Schließung eines Betriebs oder von Betriebsabteilungen) sollte
schriftlich dokumentiert
werden. Dies ist ohnehin erforderlich, um sich in Kündigungsschutzverfahren verteidigen zu können. Liegt eine solche saubere Fakten- und Aktenlage vor, lässt sich begründen, dass ursprünglich die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld gegeben waren. Die
Agentur für Arbeit
muss über relevante Änderungen informiert werden. Eine
enge Abstimmung
empfiehlt sich, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Denkbar ist es auch, dass in einem Teil des Betriebs weiter Kurzarbeit durchgeführt und in einem anderen Teil (z.B. weil ein Produkt oder eine Produktlinie eingestellt wird) abgebaut wird. Die Hintergründe für eine solche
Kombination von Kurzarbeit und Personalabbau
sollten sorgfältig geprüft und dokumentiert werden.
Timing
Wichtig ist auch das Timing. Die Agentur für Arbeit geht davon aus, dass die
Grundlage für die Gewährung des Kurzarbeitergelds entfällt
, wenn der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung, einen Betrieb oder Betriebsteile zu schließen oder einen erheblichen Personalabbau durchzuführen, trifft und konkrete Umsetzungsschritte einleitet (z.B. Ausspruch von Kündigungen oder Abschluss eines Interessenausgleichs). Das bedeutet, dass
während der Kündigungsfristen kein Kurzarbeitergeld
in Anspruch genommen werden kann. Besondere Herausforderungen ergeben sich, wenn vor dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen noch mit dem
Betriebsrat
wegen Vorliegens einer Betriebsänderung über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt werden muss. Da dies gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird, empfiehlt es sich, ergebnisoffen in die Verhandlungen zu starten und deren Ergebnis erst später mit dem Abschluss des Interessenausgleichs zu dokumentieren und erst zu diesem Zeitpunkt eine endgültige unternehmerische Entscheidung zu treffen. Dies kann helfen, dass das Kurzarbeitergeld noch bis zur Unterzeichnung des Interessenausgleichs weitergewährt wird.
Fazit
Der Wechsel von Kurzarbeit zum Personalabbau muss
gut überlegt und vorbereitet
werden. Eine
saubere Dokumentation
der angestellten Prognosen hinsichtlich der Entwicklung des Beschäftigungsbedarfs und eine Niederlegung der getroffenen
unternehmerischen Entscheidung
sind wesentliche Grundlagen, damit das Kurzarbeitergeld nicht wegen eines zwischenzeitlich erforderlich gewordenen Personalabbaus zurückgezahlt werden muss.