Beschränkte Verlustverrechnung für Verluste aus Aktien
Bekanntermaßen galt eine Einschränkung für Verluste aus Aktien. So konnten diese Verluste bislang lediglich mit Gewinnen aus Aktienveräußerungen verrechnet werden. Liegen entsprechende Gewinne nicht vor, ist eine Verrechnung erst in späteren Jahren möglich. Die Banken halten dafür entsprechende Verlustverrechnungstöpfe vor, weil die Verluste aus Aktien insoweit von den „anderen Verlusten“ aus Kapitalvermögen zu separieren sind. Gegen diese Beschränkung wehrte sich ein Ehepaar mit der Klage vor dem FG Schleswig-Holstein. Dieses hielt die Regelung zwar für verfassungsgemäß (Urteil vom 28.02.2018 – 5 K 69/15), legte diese Frage jedoch aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem BFH zur Entscheidung vor.
BFH hält Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a.F. für verfassungswidrig
Der BFH sah die Sache mit Beschluss vom 17.11.2020 anders. Er entschied in dem Revisionsverfahren (VIII R 11/18), dass er die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a.F. (heutiger Satz 4) für verfassungswidrig halte und holte eine Entscheidung des BVerfG darüber ein, auf welche die Anleger immer noch hoffnungsvoll warten. Denn sollte das BVerfG die Auffassung des BFH bestätigen (wofür vieles spricht), können Verluste aus Aktien (z.B. auch aus der Veräußerung von Wirecard-Aktien) auch mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen (wie z.B. Dividenden und Zinsen) verrechnet werden. In vielen Fällen dürfte dies dazu führen, dass die Verluste „schneller“ steuerlich geltend gemacht werden können, zumindest, wenn der private Anleger auch andere Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Darüber hinaus würde es jedoch dabei bleiben, dass die Verluste aus Aktien nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten (z.B. aus Gewerbebetrieb oder selbstständiger/nichtselbstständiger Tätigkeit) steuerlich verrechnet werden können, weil der BFH insoweit die Abzugsbegrenzung im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit nicht beanstandet hat. Vorsorglich sollte gegen die derzeitige fehlende Verrechenbarkeit von Verlusten aus Aktien weiterhin Einspruch eingelegt werden.
Weiter gehende Einschränkung durch die zeitlich gestreckte Verlustberücksichtigung insbesondere für Verluste aus Termingeschäften
Bislang hofften die Anleger, dass sie durch die Entscheidung des BVerfG auch Rückschlüsse auf die weiteren in § 20 Abs. 6 EStG enthaltenen Verlustbeschränkungen ziehen können. Dies gilt insbesondere für die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG, die seit 2021 gilt. Diese sieht vor, dass Verluste aus Termingeschäften lediglich mit Gewinnen aus diesen Geschäften sowie Stillhalterprämien und darüber hinaus nur in Höhe von 20.000 € p.a. steuerlich berücksichtigt werden können. Die in dieser Regelung enthaltene sog. zeitlich gestreckte Verlustnutzung sieht vor, dass nicht einmal in einem Jahr erzielte Gewinne aus Termingeschäften mit den im selben Jahr erzielten Gewinnen ausgeglichen werden dürfen. Sie beschränkt die Verlustverrechnung unabhängig davon auf 20.000 € p. a. Eine entsprechende Einschränkung sieht auch § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG für den Ausfall und die Übertragung von wertlosen Wirtschaftsgütern (z.B. Ausbuchung von Aktien, Ausfall privater Darlehen) vor, wobei eine Verrechnung mit allen Einkünften aus Kapitalvermögen (z.B. Zinsen und Dividenden) möglich ist.
Da die Regelungen der Sätze 5 und 6 zum Teil mit der Einschränkung der Verlustberücksichtigung von Aktien in § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG vergleichbar sind und durch die Beschränkung auf einen jährlichen Höchstbetrag von 20.000 € über diese hinausgehen, ist es wahrscheinlich, dass dann auch diese Regelungen als verfassungswidrig anzusehen sind. Hier wäre es erfreulich, wenn der Gesetzgeber bereits im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG (oder gerne auch vorher) reagiert und nicht erst weitere Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen geführt werden müssen. Auch hier sollten die Steuerpflichtigen zunächst Einspruch einlegen, sofern sie von diesen Regelungen der § 20 Abs. 6 Sätze 5 und 6 EStG betroffen sind.
FG Rheinland-Pfalz hält § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG für verfassungswidrig
Das FG Rheinland-Pfalz hat nun in seinem Beschluss vom 05.12.2023 (1 V 1674/23) entschieden, dass die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020 zur Ungleichbehandlung führe, für die nach vorläufiger Prüfung ein sachlicher Rechtfertigungsgrund nicht vorliege. Damit sieht das Gericht die Regelung für verfassungswidrig an. Für die betroffenen Anleger ist dies ein positives Zeichen. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht die Beschwerde beim BFH zugelassen, die bereits unter dem Az. VIII B 113/23 anhängig ist. Insoweit ist das weitere Verfahren abzuwarten. Es bleibt zu hoffen, dass es hier bald zu weiteren Entscheidungen kommt, welche den Anlegern Rechtssicherheit verschaffen. Zudem ist eine Musterklage gegen § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG seit dem 24.05.2023 beim FG Baden-Württemberg unter dem Az. 10 K 1091/23 anhängig. Insoweit besteht auch hier für die Anleger Hoffnung.
Fazit
Für die Anleger ist die Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 05.12.2023 ein weiterer Hoffnungsschimmer, sich gegen die Einschränkungen wehren zu können, die mit der zeitlich gestreckten Verlustnutzung insbesondere für Verluste aus Termingeschäften verbunden sind. Es wäre wünschenswert, dass hier zeitnah Klarheit darüber geschaffen wird, ob diese Regelung tatsächlich anwendbar ist. Insoweit bleibt zu hoffen, dass hier bald eine Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit der Beschränkungen der Verlustberücksichtigung bei Verlusten aus Aktien vorliegt und diese auch Rückschlüsse auf die Beschränkung für die Berücksichtigung von Verlusten aus Termingeschäften und den Ausfall wertloser Wirtschaftsgüter ermöglicht. Gerne darf der Gesetzgeber aber auch vorher aufgrund der geäußerten Bedenken tätig werden und die Regelungen anpassen.