Verlängerung der Frist für Altgesellschafterstellung für § 1 Abs. 2a GrEStG auf zehn Jahre auch bei Altfällen möglich
Aber auch Altfälle, die bereits vor Inkrafttreten der neuen Reform (also vor dem 01.07.2021) verwirklicht wurden, können von diesen Änderungen betroffen sein. Dies gilt bei Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG z.B. dann, wenn der Gesellschafter zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Grunderwerberreform zum 01.07.2021 noch kein Altgesellschafter i.S. der bisherigen Regelung war. Diese Voraussetzung wäre z.B. erfüllt, wenn zu diesem Zeitpunkt seit dem Ankauf der Anteile an der Personengesellschaft und der damit verbundenen Begründung der Neugesellschafterstellung noch nicht mindestens fünf Jahre vergangen sind. Denn durch die Grunderwerbsteuerreform wurde der für die Altgesellschaftereigenschaft maßgebliche Zeitraum auf zehn Jahre verlängert. Ist die bisherige Frist von fünf Jahren zum 01.07.2021 noch nicht abgelaufen, gilt der Neugesellschafter bis zum Ablauf der neuen, zehnjährigen Frist als Neugesellschafter, obwohl die Anteile an der Personengesellschaft vor Inkrafttreten der Grunderwerbsteuerreform erworben wurden. Die Verlängerung dieser Fristen sollte insbesondere bei bereits vereinbarten RETT-Blocker-Strukturen beachtet werden, weil bei Ausübung der vereinbarten Optionen allein aufgrund der Verlängerung der Fristen Grunderwerbsteuer ausgelöst werden kann.
Diese Auffassung vertritt auch die Finanzverwaltung in ihren Gleichlautenden Ländererlassen vom 29.06.2021 („Wer vor dem 1. Juli 2021 Altgesellschafter nach dem bis zum 30. Juni 2021 geltenden Recht (altes Recht) ist, bleibt auch Altgesellschafter nach dem ab dem 1. Juli 2021 geltenden Recht (neues Recht). Wer demgegenüber mit Ablauf des 30. Juni 2021 Neugesellschafter ist, bleibt bis zum Ablauf des (verlängerten) Zehnjahreszeitraums Neugesellschafter“).
Beispiele (aus den genannten Ländererlassen vom 29.06.2021):
- Am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft ist A zu 90% und B zu 10% beteiligt. Zum 01.08.2011 überträgt A 89,9 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf C. Zum 01.07.2021 überträgt A seinen restlichen Anteil am Gesellschaftsvermögen von 0,1% auf D. § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht erfüllt, da innerhalb des (verlängerten) Zeitraums von zehn Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen (sondern nur 0,1%) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Der Anteilsübergang zum 01.08.2011 auf C wird nicht berücksichtigt, weil C mit Ablauf des 30.06.2021 bereits Altgesellschafter ist (01.08.2011 + fünf Jahre = Altgesellschafter mit Ablauf des 31.07.2016) und daher auch nach neuem Recht Altgesellschafter bleibt.
- Am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft ist A zu 90% und B zu 10% beteiligt. Zum 01.08.2016 überträgt A 89,9% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf C. Zum 01.08.2021 überträgt A seinen restlichen Anteil am Gesellschaftsvermögen von 0,1% auf D. § 1 Abs. 2a GrEStG ist erfüllt, da innerhalb von zehn Jahren mindestens 90% der Anteile am Gesellschaftsvermögen (89,9% + 0,1%) auf die Neugesellschafter C und D übergegangen sind. Der Anteilsübergang zum 01.08.2016 auf C wird berücksichtigt. C war mit Ablauf des 30.06.2021 kein Altgesellschafter, da der Fünfjahreszeitraum zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.
Verlängerung der Nachbehaltensfrist der §§ 5, 6 GrEStG für Altfälle möglich
Entsprechende Grundsätze gelten auch im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung nach §§ 5, 6 GrEStG, welche zur Anwendung kommt, wenn Grundstücke von einer Gesamthand oder auf eine Gesamthand übertragen werden. Vor der Grunderwerbsteuerreform 2021 betrugen die Betrachtungszeiträume für die Steuerbefreiung nach §§ 5 und 6 GrEStG ebenfalls fünf Jahre. Ist der fünfjährige Betrachtungszeitraum vor dem 01.07.2021 bereits abgelaufen, findet keine Verlängerung der Nachbehaltensfrist statt. Anteilsveränderungen und -übertragungen sind nach Ablauf des Betrachtungszeitraum daher möglich, ohne dass die Steuerbefreiung rückwirkend aufgehoben wird. Ist der Betrachtungszeitraum von fünf Jahren am 30.06.2021 jedoch noch nicht abgelaufen, verlängert sich dieser auf insgesamt zehn Jahre. Der zehnjährige Betrachtungszeitraum gilt ab dem Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs. Der bereits abgelaufene Zeitraum bis zum 30.06.2021 wird auf die zehn Jahre angerechnet. Innerhalb des zehnjährigen Betrachtungszeitraums gelten die gesetzlichen Regelungen fort. Das bedeutet, dass Anteilsübertragungen und die Verletzung von Nachbehaltensfristen innerhalb der zehn Jahre zu einer Auslösung von Grunderwerbsteuer führen würden.
Fazit
Die Grunderwerbsteuerreform kann ausnahmsweise auch Auswirkungen auf sog. Altfälle haben. Dabei kann es insbesondere zu einer Verlängerung des Beurteilungszeitraums, der maßgeblichen Zeitdauer für die Altgesellschaftereigenschaften und eine Verlängerung der Nachbehaltensfristen kommen. In einigen Fällen informiert die Finanzverwaltung die betroffenen Personen von der Gesetzesänderung, wenn sich der Betrachtungszeitraum für sog. Altfälle verlängert hat. Aber auch ohne eine Benachrichtigung ist die Rechtsfolge für alle Vorgänge anwendbar. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das bisherige Recht für Fälle, in denen ein Erwerb von Anteilen zwischen 90% und 94,9% in der Vergangenheit bereits stattgefunden hat, zunächst anwendbar bleibt.