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07.04.2025

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Gewerkschaftsbonus: Zurück auf der Tarifbühne?

Ein zusätzlicher Urlaubstag im aktuellen Haustarifvertragsabschluss 2025 von Mercedes Benz, ein zusätzlicher Freistellungstag im Flächentarifvertrag der Chemieindustrie 2024, Einmalzahlungen im Haustarifvertrag des Internationalen Bundes sowie die Verpflichtung zu weiteren Verbesserungen des aktuellen Tarifabschlusses in der Papierindustrie – solche Bestandteile von Tarifabschlüssen sind nicht unüblich. Das Besondere an diesen Leistungen: Sie werden nur an Gewerkschaftsmitglieder geleistet. Damit stellt sich die Frage, ob der von Arbeitgeberseite zurecht kritisierte „Gewerkschaftsbonus“ wieder regelmäßig in Tarifverhandlungen vorkommt.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

RA/FAArbR Bernd Pirpamer
ist Partner bei Eversheds Sutherland sowie Co-Head der Praxisgruppe Labour & Employment in Deutschland.

RAin Anja Renz
ist Associate in der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei Eversheds Sutherland und dort im Bereich Industrial Relations tätig.

Weshalb Sonderleistungen für Gewerkschaftsmitglieder?

Jede Gewerkschaft ist nur so durchsetzungsstark wie es der Organisationsgrad in einem Unternehmen oder in einer Branche zulässt. Mehr Mitglieder bedeuten in der Regel auch eine höhere Streikmacht. Da die Mitgliederzahlen in den Gewerkschaften stetig zurückgehen, ist es nachvollziehbar, dass Gewerkschaften alle Hebel in Bewegung setzen, damit Mitglieder gehalten oder neu gewonnen werden können. Ein Mittel hierzu sind Sonderleistungen für Gewerkschaftsmitglieder. Damit können zum einen der Beitrag für die Gewerkschaftsmitgliedschaft ausgeglichen und zum anderen die Vorteile einer Gewerkschaftsmitgliedschaft neben den bestehenden Dienstleistungen ausgebaut werden. Aus Sicht der Gewerkschaften ist dies nachvollziehbar. Doch die Frage bleibt, weshalb Unternehmen oder Verbände in Tarifverträgen Gewerkschaftsmitglieder gezielt bevorzugen. Gründe hierfür sind vor allem die Tarif- und Streikmacht der Gewerkschaft oder das Ergebnis eines „Koppelungsgeschäfts“, durch das der Arbeitgeber eigene Forderungen durchsetzen kann.

Der Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Die Regelungen zur Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern reichen von der einfachen Einmalzahlung, stichtagsabhängigen Leistungen, erhöhten Abfindungen, Zusatzurlaub und Zusatzfreistellung über erhöhtes Transferkurzarbeitergeld bis hin zu komplexen Fördervereinsmodellen. Im Ergebnis erfolgt jedoch immer eine Besserstellung des Mitarbeiters aufgrund der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Daher wird in der Regel auch die Offenlegung der Gewerkschaftsmitgliedschaft gefordert.

Risiken für Arbeitgeber und Verbände

Die Risiken für Arbeitgeber liegen klar auf der Hand. Die Vereinbarung eines Gewerkschaftsbonus kann tarif- und betriebspolitisch erhebliche Auswirkungen haben. Wer Gewerkschaftsmitglieder bevorzugt, riskiert, die Belegschaft zu spalten. Nicht-Gewerkschaftsmitglieder fühlen sich benachteiligt, empfinden dieses Vorgehen als unfair und unsachlich. Letztendlich ist der Betriebsfrieden gefährdet.

Dieses Vorgehen kann das Risiko von Klagen durch Nicht-Gewerkschaftsmitglieder erhöhen, den Gewerkschaftsbonus rechtlich in Frage zu stellen beziehungsweise ihn auch für sich durchzusetzen. Der gewerkschaftliche Einfluss im Betrieb verstärkt sich wahrscheinlich. Die Durchsetzungskraft der Gewerkschaftsmitglieder in Tarifverhandlungen, aber auch innerhalb der Betriebsratsgremien, steigt.

Schließlich ist zu erwarten, dass Unternehmen sehr verbandskritisch agieren werden, wenn der Gewerkschaftsbonus künftig zum tarifpolitischen Kurs des Arbeitgeberverbandes gehört. Denn kurzfristig mag es vermeintliche Vorteile für die Verbandsmitglieder bringen, wenn die Tarifergebnisse wegen eines Gewerkschaftsbonus bspw. insgesamt niedriger als erwartet ausfallen. Langfristig steigt aber der Organisationsgrad der Gewerkschaftsmitglieder. Erkennt die Gewerkschaft ihre – wiedergewonnene – Stärke, werden künftige Tarifverträge wieder teurer.

Auswirkungen auf andere Betriebe

Beginnen Tarifvertragsparteien für Flächentarifverträge oder branchenbedeutende Unternehmen und Konzerne in Haustarifverträgen Gewerkschaftsboni zu vereinbaren, kann dies Kettenreaktionen auf Unternehmen auslösen, die diesen Tarifverträgen nicht unterliegen. Gewerkschaften und Betriebsräte werden diese Leistungen von diesen Unternehmen einfordern, sofern sie in der Branche, im Geschäftsumfeld oder in der Region angesiedelt sind.

Damit besteht aktuell die erhebliche Gefahr, dass der Gewerkschaftsbonus breiter akzeptiert wird. Entscheiden sich Unternehmen gegen einen solchen Bonus, geraten sie unter Druck und ihre Wettbewerbsfähigkeit sowie Attraktivität am Arbeitsmarkt könnte leiden.

Die Übernahme eines Gewerkschaftsbonus in einem Unternehmen, das dem entsprechenden Tarifvertrag mit dem Gewerkschaftsbonus nicht unterliegt, kann zudem Beteiligungsrechte des Betriebsrats auslösen. Je nach Gegenstand des Gewerkschaftsbonus kämen bspw. die Beteiligungsrechte nach § 87 BetrVG zur Entgeltstruktur oder wegen Urlaubsgrundsätzen in Betracht. Folglich sind Unternehmen ohne eine tarifvertragliche Umsetzung erhöhten rechtlichen und betrieblichen Konflikten ausgesetzt als Firmen, für die der Gewerkschaftsbonus per Tarifvertrag gilt.

Rechtlicher Rahmen für den Gewerkschaftsbonus

Die Rechtslage zum Gewerkschaftsbonus erlaubt Gestaltungsspielraum und unterschiedlich vertretbare Ansichten zur Zulässigkeit dieser Sonderleistungen.

Die wesentlichen rechtlichen Argumente gegen die Zulässigkeit eines Gewerkschaftsbonus begründen sich in der negativen Koalitionsfreiheit eines Arbeitnehmers sowie einer unzulässigen Ungleichbehandlung. Die negative Koalitionsfreiheit besagt, dass jeder Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Freiheit hat, einer Koalition beizutreten oder fernzubleiben. Arbeitnehmer sollen also frei entscheiden dürfen, ob sie Gewerkschaftsmitglied werden oder nicht. Dies kann eingeschränkt sein, wenn ein Arbeitnehmer nur als Gewerkschaftsmitglied eine Sonderleistung erhält. Eine zulässige Ungleichbehandlung kann vorliegen, wenn die Gewerkschaftszugehörigkeit als unzulässiger Sachgrund gewertet wird. In diesem Fall kann ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorliegen.

Blickt man auf die Rspr. des BAG stellt man fest, dass diese seit dem Jahr 1967 von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit aller Differenzierungsklauseln ausgegangen ist. Seit 2007 hat sich diese Auffassung wieder zugunsten des Gewerkschaftsbonus gedreht. Zum leichteren Verständnis der Rspr. ist zwischen der sogenannten einfachen und qualifizierten Differenzierungsklausel zu unterscheiden.

Die einfache Differenzierungsklausel besagt, dass in einem Tarifvertrag Sonderleistungen nur für Gewerkschaftsmitglieder vorgesehen sind. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der Arbeitgeber auch Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern die gleichen Sonderleistungen gewährt. Das BAG hält diese einfachen Differenzierungsklauseln für grds. zulässig.

Die qualifizierte Differenzierungsklausel geht deutlich weiter. Sie verbietet zwar nicht, die Sonderleistung an Nicht-Gewerkschaftsmitglieder weiterzugeben, sorgt aber dafür, dass Gewerkschaftsmitglieder einen „Aufstockungsanspruch“ auf diese Sonderleistung haben. D.h., der Arbeitgeber muss einen Abstand zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern einhalten. Hierbei spricht man auch von Spannungssicherungsklauseln beziehungsweise Abstandsklauseln.

Darf die Leistung an Nicht-Gewerkschaftsmitglieder weitergegeben werden?

Diese Frage lässt sich erfreulicherweise mit Ja beantworten. Denn das BAG hält die beschriebenen Abstands-, Spannungs- oder Spannungssicherungsklauseln derzeit für unzulässig. Damit bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, den tariflichen Gewerkschaftsbonus auch an Nichtmitglieder weiterzugeben. Beachtenswert können Beteiligungsrechte des Betriebsrats sein, sofern bspw. die Tatbestände des § 87 BetrVG erfasst sind. In jedem Fall ist die Weitergabe des Gewerkschaftsbonus an die Nichtmitglieder wohl ein entscheidender Schritt, um den Betriebsfrieden zu wahren. Selbstverständlich muss in diesen Fällen mit erheblicher negativer Reaktion der Gewerkschaft gerechnet werden.

Fazit

Aufgrund der Zunahme von vereinbarten Gewerkschaftsboni bei Unternehmen wie Mercedes Benz, aber auch in Flächentarifverträgen wie der Chemieindustrie, werden Unternehmen zukünftig wohl verstärkt mit dem Thema Gewerkschaftsbonus konfrontiert sein. Unternehmen sollten sich daher auf diese Diskussionen vorbereiten und eine klare Meinung dazu entwickeln. Beabsichtigt ein Unternehmen oder ein Verband, einem Gewerkschaftsbonus zuzustimmen, sollten die Vor- und Nachteile sowie die Auswirkungen genau bedacht werden. Aus Sicht eines Arbeitgebers ist von einer Bevorzugung oder Besserstellung der Gewerkschaftsmitglieder strikt abzuraten. Sieht der Arbeitgeber keinen anderen Ausweg, bleibt nur die Option, diese Sonderleistungen auch an die Nicht-Gewerkschaftsmitglieder weiterzugeben.

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