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15.09.2020

Interview

Gesellschafterfinanzierung: Erleichterungen der Covid-Gesetzgebung vor Ende September nutzen

Beitrag mit Bild

Der Betrieb

Die Gesellschafterfinanzierung hat im Zuge der Covid-19-Gesetzgebung Erleichterungen erfahren. Das Gesetz aus dem März 2020 sieht vor, dass das Risiko für Gesellschafter, die ihrer Gesellschaft jetzt Darlehen gewähren, deutlich geringer ist als in „normalen Zeiten“: sowohl die Anfechtbarkeit als auch die Nachrangigkeit sind durch das Gesetz vorübergehend aufgehoben und machen den Weg frei, dass Gesellschafter mit geringerem Risiko finanziell aushelfen können. Dieser Vorteil ist allerdings nur noch kurze Zeit nutzbar. Dr. Benjamin Hub und Dr. Marcus Backes, beide Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Hamburg, geben konkrete Handlungsempfehlungen.

DB: Bei der Gewährung von Gesellschafterdarlehen galt bisher der Satz „das Geld ist weg“. Wo genau liegt das große Risiko bei einer Gesellschafterfinanzierung?

Hub: „Ein Darlehensgeber, der nicht Gesellschafter ist, hat im Falle der späteren Insolvenz des Darlehensnehmers Aussicht auf eine Insolvenzquote. Denn von Ausnahmen abgesehen stehen seine Forderungen auf der gleichen Stufe bzw. haben den gleichen Rang wie die Forderungen anderer Gläubiger, etwa den Lieferanten des Unternehmens.

Ist der Darlehensgeber hingegen Gesellschafter des Darlehensnehmers, so ist seine Darlehensforderung im Falle der Insolvenz des Darlehensnehmers nachrangig. Dies heißt, dass der Darlehensgeber erst dann aus der Insolvenzmasse eine Quote auf seine Forderung erhält, wenn sämtliche anderen Gläubiger befriedigt sind – was praktisch nie der Fall sein wird.“

Backes: „Und hinzu kommt das Risiko der Insolvenzanfechtung. Denn sämtliche Rückzahlungen, die ein Gesellschafter innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag auf ein von ihm an seine Gesellschaft gewährtes Darlehen erhalten hat, können vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Der Gesellschafter muss diese Darlehensrückzahlungen, die er von der Gesellschaft erhalten hat, dann an die Insolvenzmasse erstatten. Der Gesellschafter erleidet also nicht nur einen Ausfall mit seiner Restdarlehensforderung, sondern muss sogar bereits vereinnahmte Rückzahlungen wieder herausgeben. Häufig gilt dies sogar für länger als ein Jahr vor der Insolvenzantragstellung zurückliegende Darlehensrückzahlungen.“

DB: Bei dieser Ausgangslage fällt Gesellschaftern die Entscheidung, ihrer Gesellschaft ein Darlehen zu gewähren, sicherlich gerade in Zeiten wie dieser schwer…

Hub: „Sicherlich. Zumal Gesellschafterdarlehen in der Regel nicht besichert werden und auch gar nicht besichert werden können. Zum einen verfügt ein kränkelndes Unternehmen häufig über kein freies Vermögen, das als Sicherheit dienen könnte. Zum anderen sind auch solche Sicherheiten in der späteren Insolvenz oftmals anfechtbar.“

Backes: „Allerdings hat der Gesetzgeber erkannt, dass es unter diesen Vorzeichen für Gesellschafter nicht besonders attraktiv ist, ihrer Gesellschaft mit Darlehen bei der Überbrückung von pandemiebedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu helfen.“

DB: Was genau regelt denn jetzt das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ im Hinblick auf Gesellschafterdarlehn?

Hub: „Im Zusammenhang mit der vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist sowohl die Anfechtbarkeit als auch die Nachrangigkeit für solche Darlehen aufgehoben, die von Gesellschaftern an ihre Gesellschaft in der Zeit bis zum 30.09.2020 gewährt werden. Sämtliche auf solche Gesellschafterdarlehen bis zum 30.09.2023 erfolgenden Rückzahlungen sowie angemessene Zinszahlungen sind der Insolvenzanfechtung entzogen. Außerdem ist für solche Darlehen die Nachrangigkeit ausgesetzt. Dies gilt jedenfalls, wenn das Unternehmen vor der Pandemie wirtschaftlich gesund war.“

DB: Und wo liegt der Haken?

Hub: „Die Regelungen gelten nur für wirklich neu gewährten Darlehen, durch die der Gesellschaft effektiv zusätzliche Liquidität zur Verfügung gestellt wird. Demgegenüber werden die Prolongation bereits ausgezahlter Darlehen und diverse Umschuldungsmodelle nicht privilegiert.“

Backes: „Außerdem ist zu beachten, dass diese Privilegierungen nur für bis zum 30.09.2020 gewährte Darlehen gelten. Zwar wird aktuell im Zuge der Verlängerung der Aussetzung der überschuldungsbedingten Insolvenzantragspflicht ein Gesetz auf den Weg gebracht, das voraussichtlich auch die Privilegierungen von Gesellschafterdarlehen verlängert. Nach dem bisherigen Stand des Gesetzesentwurfs wird es künftig aber wohl nur eine Privilegierung für Gesellschafterdarlehen geben, die einer (noch) zahlungsfähigen Gesellschaft gewährt werden und nicht für Darlehen, die gewährt werden, um bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit die Zahlungsfähigkeit wieder herzustellen. Offensichtlich kann man unterschiedlicher Auffassung sein, ob diese Differenzierung sinnvoll ist.“

DB: Was empfehlen Sie jetzt einem Gesellschafter, der seine Gesellschaft grundsätzlich für überlebensfähig hält und Gesellschaftermittel zur Verfügung stellen möchte?

Hub: „In diesem Fall sollte die Darlehensgewährung noch im September 2020 erfolgen. Denn die im Rahmen der Corona-Pandemie eingeführten Privilegierungen für neu gewährte Gesellschafterdarlehen können dann zur Geltung kommen. Mitunter wird es auch sinnvoll sein, bis zum 30.09.2020 Gesellschafterdarlehen „auf Vorrat“ zu gewähren, um auf diese Weise die beschriebene insolvenzrechtliche Privilegierung bei der Gesellschafterfinanzierung zu erreichen. Dies wird sich insbesondere dann empfehlen, wenn ohnehin in Kürze Investitionen anstehen. Falls hingegen laufende Kosten zu decken sind, ist darauf zu achten, dass durch die vorzunehmende Passivierung des Darlehens keine Überschuldungsproblematik entsteht oder sich verschärft.“

Backes: „Im Rahmen der Diskussionen um die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gibt es zahlreiche kritische Stimmen. Sie sprechen sich dafür aus, den Weg „back to normal“ eher früher als später einzuschlagen. Es ist daher gut möglich, dass die aktuell geltende, vorteilhafte Rechtlage sich zum Nachteil von Gesellschafter-Darlehensgebern ändern wird. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, die aktuell möglichen Privilegien mitzunehmen, wenn bald sowieso eine Gesellschafterfinanzierung ansteht.“

DB: Gibt es auch bei der vertraglichen Gestaltung einer Gesellschafterfinanzierung bestimmte Eckpunkte zu beachten?

Backes: „Darlehensrückzahlungen sind nur anfechtungsfrei, wenn sie mit der anfangs vertraglich vereinbarten Laufzeit übereinstimmen. Spätere Änderungen der Rückzahlungsmodalitäten können für die Privilegierung schädlich sein. In den meisten Fällen wird es das Sinnvollste sein, eine möglichst lange Darlehenslaufzeit zu vereinbaren, aber frühere (Teil-) Rückzahlungen vertraglich zuzulassen.“

Hub: „Außerdem ist zu beachten, dass es der sicherere Weg ist, wenn das Darlehen nicht nur vertraglich zugesagt, sondern auch bis Ende September 2020 ausgezahlt wird. Bei komplexen Finanzierungen mag auch eine verbindliche Darlehenszusage ausreichen, wenn die Auszahlung dann kurzfristig nachfolgt. Nach Möglichkeit sollten etwaige Sicherheiten auch noch im September mit dinglicher Wirkung bestellt werden.“

DB: Vielen Dank für das spannende Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.


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