Anwendungsbereich des geplanten Verbandssanktionengesetzes
Das VerSanG soll künftig bei der Ahndung sogenannter Verbandstaten anwendbar sein. Darunter werden Straftaten verstanden, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E). Unter den Verbandsbegriff sollen wiederum u.a. sämtliche Kapital- und Personengesellschaften fallen, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (§ 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 VerSanG-E), womit gemäß Gesetzesbegründung gemeinnützige Organisationen grundsätzlich ausscheiden. Jedenfalls die erstgenannte Alternative der Verbandstatendefinition wird bei Steuervergehen regelmäßig erfüllt sein, da Erklärungspflichten – insbesondere in den Bereichen Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer – die Gesellschaft als solche treffen.
Eine Verbandstat wird nach dem Entwurf mit einer Verbandssanktion geahndet, wenn die sogenannte Verbandsverantwortlichkeit vorliegt. Dafür muss die Tat entweder von einer Leitungsperson begangen worden sein oder sonst in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbandes, wenn sie durch angemessene Vorkehrungen (Organisation, Aufsicht) durch eine Leitungsperson hätte verhindert oder erschwert werden können (§ 3 Abs. 1 VerSanG-E). Hinsichtlich der zweiten Alternative hat der Bundesrat allerdings angemahnt, das Verschulden einer Leitungsperson angesichts des verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzips zur ausdrücklichen Voraussetzung zu machen.
Als Leitungspersonen werden unter anderem Mitglieder von Geschäftsführung/Vorstand, Prokuristen, aber auch bspw. Aufsichtsratsmitglieder definiert (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E).
Pflicht zur Verfolgung – Legalitäts- statt Opportunitätsprinzip
Als mögliche Sanktionen sieht der Gesetzesentwurf insbesondere Geldstrafen vor („Verbandsgeldsanktion“). Deren Höhe kann bei einer vorsätzlichen Verbandstat bis zu 10 Mio. € betragen, bei Verbänden mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz (dieser kann geschätzt werden!) von mehr als 100 Mio. € bis zu 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes (§ 9 VerSanG-E). Die zwischenzeitlich diskutierte „Todesstrafe“ für Unternehmen, also die Zwangsauflösung, wurde indes nicht in den Regierungsentwurf übernommen. Der vorgesehene, jedoch vom Bundesrat kritisierte „Pranger“ durch öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung (§ 14 VerSanG-E) dürfte im Steuerrecht aufgrund des Erfordernisses einer „großen Zahl von Geschädigten“ keine Relevanz erlangen.
Ein wichtiger Grundsatz des neuen Verbandssanktionengesetzes wird sein, dass Sanktionen gegen das Unternehmen selbst nicht mehr – wie bisher im Rahmen von § 30 OWiG – im Ermessen der Strafverfolgungsbehörden stehen sollen. Diese sollen vielmehr zur Einleitung von Verfahren gemäß dem strafrechtlichen Legalitätsprinzip verpflichtet sein. Das dürfte bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen, die im Zusammenhang mit Gesellschaften stehen regelmäßig zu mindestens zwei Strafverfahren führen – eines gegen die Person und eines gegen die Gesellschaft. Das dürfte auch bei vermögensverwaltenden (Familien-)Gesellschaften oder Ein-Mann-GmbHs grundsätzlich der Fall sein, was zu vielfältigen Problemen führt, bis hin zur Problematik mehrerer notwendiger Prozessvertreter.
Jedenfalls in diesem Punkt darf man nach der Stellungnahme des Bundesrats noch auf Nachbesserungen hoffen: Insgesamt mahnen die Ländervertreter an, das Gesetz mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen verhältnismäßiger auszugestalten. Zudem soll das Legalitätsprinzip eingeschränkt werden, indem in Fällen, in denen die Verbandsverantwortlichkeit neben der Verantwortlichkeit des Täters nicht ins Gewicht fällt, keine Verbandssanktion verhängt wird.
Helfen Selbstanzeigen auch dem Verband?
Ein wichtiges Rechtsinstitut des Steuerstrafrechts ist die strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO), bzw. bei höheren Hinterziehungsbeträgen, das Absehen von Strafverfolgung gegen Zahlung eines zusätzlichen Strafzuschlages (§ 398a AO).
Die daraus folgende Straffreiheit (bzw. das Verfolgungshindernis) soll sich zwar grundsätzlich auch auf das Verbandsstrafverfahren auswirken (§ 5 Nr. 1 VerSanG-E). In der Praxis könnte die Problematik jedoch künftig oft darin bestehen, dass alle an der Tat beteiligten Leitungspersonen (die mitunter dem Unternehmen gar nicht mehr angehören) die Voraussetzungen der Selbstanzeige erfüllt haben müssen. Dies gilt umso mehr, als es sich meist um Fälle des § 398a AO handeln dürfte. Zahlt also auch nur eine beteiligte Leitungsperson den danach fälligen Strafzuschlag nicht, dürfte die befreiende Wirkung gegenüber dem Unternehmen vollständig ausbleiben.
Milderungen bei internen Untersuchungen möglich
Erstmals gesetzlich geregelt werden sollen interne Untersuchungen (§§ 16, 17 VerSanG-E). Hierdurch sollen Unternehmen insbesondere Sanktionsmilderungen erreichen können, d.h. konkret eine Halbierung der Höchststrafe sowie einen Wegfall der Mindeststrafe (§ 18 VerSanG-E).
Dies gilt allerdings nur, wenn die umfangreichen gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Als kritisch könnte sich hier in der Praxis insbesondere das Erfordernis der „ununterbrochenen und uneingeschränkten“ Zusammenarbeit des Verbands bzw. des mit der internen Untersuchung beauftragten Dritten mit den Strafverfolgungsbehörden erweisen.
Im Ergebnis wird sich die Praxis auf die Verabschiedung des Verbandssanktionenregisters noch in dieser Wahlperiode einzustellen haben. Insbesondere im Steuerrecht dürfte sich hierdurch die Aufarbeitung möglicher steuerlicher Unregelmäßigkeiten (weiter) verkomplizieren. Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren zumindest die Anregungen des Bundesrats zu einer möglichst weitgehenden Ausnahme kleiner und mittlerer Unternehmen sowie einer Lockerung des Legalitätsprinzips umgesetzt werden. Das würde es den Rechtsanwendern sowohl auf Seiten der Steuerbehörden und Strafverfolger wie auch auf Seiten der Berater ermöglichen, die meisten Fälle auch künftig sachgerecht und mit Augenmaß zu lösen.