Die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland beginnt am 14.06.2018. Wie immer bringt so ein Event auch für Unternehmen gewisse Herausforderungen mit sich. Sei es der Kollege, der im Nationalmannschaftstrikot zur Arbeit kommt, oder der Kollege, der im Livestream auf dem Firmen-PC die Spiele verfolgt. Klare Antworten zu den auftauchenden Fragen liefern Jörn Kuhn und Dr. Alexander Willemsen, Partner der Kanzlei Oppenhoff & Partner.
DB: Dürfen Mitarbeiter während der Arbeitszeit via TV oder Livestream die WM-Spiele verfolgen?
Willemsen: Nein, der Mitarbeiter ist vertraglich verpflichtet, während der Arbeitszeit für den Arbeitgeber tätig zu werden, sodass ohne Erlaubnis seitens des Arbeitgebers bereits das Aufrufen eines Livestreams für 30 Sekunden eine Verletzung dieser Pflicht bedeuten würde, die arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge haben könnte.
DB: Darf der Mitarbeiter den Internetzugang des Arbeitgebers nutzen, um einen Liveticker oder Spielberichte abzurufen?
Kuhn: Der Arbeitgeber entscheidet, ob die Mitarbeiter den Internetzugang für private Zwecke nutzen dürfen. Eine Nutzung ohne Erlaubnis kann abgemahnt werden. Selbst mit Erlaubnis darf das Internet nur in angemessenem Umfang genutzt werden. Unseres Erachtens sind die Grenzen allerdings gewahrt, wenn der Mitarbeiter gelegentlich die Zwischenergebnisse der Spiele oder Spielberichte abruft, solange die Arbeit nicht darunter leidet.
DB: Gilt etwas anderes, wenn der Mitarbeiter seine Privatgeräte zur Verfolgung der Fußball-WM nutzt?
Kuhn: Ein Mitarbeiter, der auf seinem Smartphone oder seinem Tablet einen Videostream schaut, ist dabei nicht in der Lage seine Arbeit konzentriert, zügig und fehlerfrei zu verrichten; damit gilt nichts anderes als vorstehend ausgeführt.
Ein sporadischer Blick auf einen Liveticker oder der Abruf des aktuellen Spielstands alle 15 Minuten mag aber – je nach ausgeübter Tätigkeit – zulässig sein. Wird die Arbeitsleistung beeinträchtigt, bleibt es unzulässig.
DB: Ist das Hören einer Radioübertragung erlaubt?
Willemsen: Radiohören ist in vielen Betrieben außerhalb der WM erlaubt. Erfahrungsgemäß werden Radioübertragungen von Fußballspielen aber mit höherer Aufmerksamkeit verfolgt als z.B. das übliche Musikprogramm. Das kann dazu führen, dass der Mitarbeiter seiner Leistungspflicht nicht ordnungsgemäß nachkommt, sodass einige Arbeitgeber trotz grds. erlaubter Radionutzung das Verfolgen von Spielübertragungen untersagen. Zudem gilt: Selbst wenn der Arbeitgeber das Hören erlaubt, sollte immer auch Rücksicht auf die Kollegen genommen werden, die sich von einer (ggf. lautstarken) Übertragung gestört fühlen können.
DB: Dürfen Angestellte im Fantrikot zur Arbeit kommen?
Kuhn: Grds. nur, wenn keine Anordnung hinsichtlich der Kleidung und des äußeren Erscheinungsbildes besteht und kein spezielles betriebliches Bedürfnis wie Kundenkontakt oder Hygienevorschriften diesem Anliegen entgegenstehen.
DB: Dürfen Flaggen aus dem Bürofenster gehängt werden?
Willemsen: Der Mitarbeiter hat alles zu unterlassen, was die berechtigten Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen und den geordneten Arbeitsablauf stören könnte. Möglicherweise wollen nicht alle Mitarbeiter die Flagge des gleichen WM-Teilnehmers aus dem Fenster hängen und es kommt zu Diskussionen unter den verschiedenen Fangruppen in der Belegschaft. Möglicherweise will sich der Arbeitgeber seinerseits gar nicht positionieren, bei einem Blick auf sein Gebäude aber denken alle Passanten, er würde der Mannschaft A, B oder C anhängen. Da hier vielfältige Interessen zu berücksichtigen sind und der ordnungsgemäße Arbeitsablauf sowie das störungsfreie Miteinander unmittelbar beeinflusst werden können, ist eine klare Absprache des Mitarbeiters mit dem Arbeitgeber in jedem Fall sinnvoll.
DB: Dürfen Flaggen o.Ä. am Dienstwagen befestigt werden?
Willemsen: Hier ist zu differenzieren: An Dienstwagen, die auch privat genutzt werden dürfen, dürfen durch den Mitarbeiter auch Flaggen o.Ä. befestigt werden. Dies gilt jedoch nur eingeschränkt, wenn der Dienstwagen zugleich durch Logos eindeutige Rückschlüsse auf den Arbeitgeber zulässt. Dann muss der Mitarbeiter vorab den Arbeitgeber fragen.
Bei der Nutzung eindeutiger Dienstfahrzeuge (z.B. Poolwagen, LKW) muss eine vorherige Zustimmung vorliegen.
DB: Wie viel „Nationalstolz“ darf im Büro herrschen?
Kuhn: Die WM lebt vom Konkurrenzkampf der unterschiedlichen Nationalmannschaften und dieser Wettbewerb setzt sich auch bei den Fangruppen fort. Im Betrieb sollte allerdings eine gewisse Zurückhaltung geübt werden.
Mitarbeiter müssen aufeinander und gegenüber den Arbeitgeberinteressen Rücksicht nehmen, sodass ein Verhalten keinesfalls den Betriebsfrieden oder die betriebliche Ordnung beeinträchtigen darf.
DB: Sind Tippspiele unter den Mitarbeitern erlaubt?
Willemsen: Ja, allerdings dürfen die Tipps nicht während der Arbeitszeit, sondern nur vor und nach der Arbeit sowie in den Pausen abgegeben werden. Ist die private Nutzung der Firmencomputer untersagt, dürfen diese nicht für das Tippspiel genutzt werden.
DB: Haben Mitarbeiter das Recht, während der WM kurzfristig Urlaub zu nehmen, z.B. für den Tag nach einem Sieg der Nationalmannschaft?
Kuhn: Der Arbeitgeber muss dem Urlaubsantrag zustimmen, wenn kein Ablehnungsgrund (bereits beantragter und genehmigter Urlaub oder vorrangige Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter, betriebliche Notwendigkeiten) besteht. Ein Mitarbeiter, der sich „selbst beurlaubt“, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
DB: Welche Konsequenzen sind möglich, wenn Mitarbeiter wegen der WM „blau“ machen oder nach einer durchfeierten Nacht zu spät auf die Arbeit kommen?
Willemsen: Neben den arbeitsrechtlichen Konsequenzen (wie z.B. Abmahnungen) ist für die Zeit der Abwesenheit kein Arbeitsentgelt zu zahlen. Hier kommt es aber maßgeblich auf die betrieblichen Arbeitszeitregelungen an.
DB: Wie kann mit ersichtlich nicht arbeitsfähigen Mitarbeitern umgegangen werden?
Kuhn: Erscheint ein Mitarbeiter zur Arbeit und ist ersichtlich nicht arbeitsfähig, ist er sofort aufzufordern, die Arbeit einzustellen. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann zudem die sofortige Durchführung einer Alkoholkontrolle durch den Betriebsarzt erforderlich sein. Hieraus sind dann arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen.
Wir wünschen viel Spaß bei der Fußball-WM und bedanken uns für das Interview, Herr Kuhn und Herr Dr. Willemsen!