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12.04.2022

Interview

Führungskräfte 2022: Auf diese Soft- und Hardskills kommt es an

Die Berufswelt unterliegt seit jeher einem ständigen Wandel. Coronapandemie und Digitalisierung haben allerdings wie ein Brandbeschleuniger gewirkt und Führungskräften neue Spielregeln vorgegeben. Sie mussten sich in Rekordzeit auf neue Umstände, Bedürfnisse der Kunden und Anforderungen der Mitarbeitenden einstellen. Welche Skills 2022 besonders gefragt sind und wie sich die Bezahlung und Benefits verändert haben, zeigt Dennis Grabherr, Partner der Personalberatung Boyden und Experte für Management & Führung.

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Dennis Grabherr

DB: Welche Soft- und Hardskills werden derzeit bei Führungskräften gesucht?

Grabherr: Top-Manager und auch Führungskräfte der unteren Entscheidungsebenen müssen sich gleichermaßen neuen Gegebenheiten anpassen. Softskills haben hier einen viel höheren Stellenwert eingenommen als noch vor fünf Jahren. Heute müssen Manager jenseits der reinen Fachkompetenz in der Lage sein, andere Perspektiven einzunehmen und für das eigene Unternehmen als proaktiver Ratgeber, Risikominimierer und über die eigene Funktion hinweg als Problemlöser aufzutreten. Strategisches und Business-orientiertes Denken und Kommunikationsfähigkeiten auf Augenhöhe mit allen Stakeholdern innerhalb und außerhalb des Unternehmens sind daher unerlässlich, um der Aufgabe als „trusted advisor/leader“ gerecht zu werden. Das bedeutet auch, dass man zuhören und innovativ denken können muss. Daneben ist es fundamental, Digitalisierung branchenübergreifend zu verstehen. Allein, weil durch die Auswahl der richtigen digitalen Technologie ein Wettbewerbsvorteil entstehen kann, indem man beispielsweise Kundenwünschen besser und vor der Konkurrenz begegnen kann. Die Notwendigkeit digitaler innovativer Technologien entweder nach oben adäquat zu kommunizieren oder – bereits oben angekommen – zu erkennen und Vorteile für das eigene Geschäftsmodell zu sehen, ist unerlässlich für moderne Führungskräfte.

DB: Bleiben wir erstmal bei den Softskills: Waren innovatives Denken und eine starke Kommunikationsfähigkeit für Führungskräfte nicht schon immer sehr wichtig?

Grabherr: Das waren und sind sie. Aber auch wenn es sich wie eine Platitude anhört: Die einzige Konstante heute ist der Wandel. Fast alle Unternehmen verändern sich gegenwärtig in derartiger Geschwindigkeit, dass man verstärkt Führungskräfte braucht, die diesem Wandel mit offenem Visier begegnen möchten, mit innovativen Ideen darauf reagieren können und auch in der Lage sind, darüber mit allen wichtigen Stakeholdern angemessen zu kommunizieren. Das Übersetzen von Herausforderungen für das Unternehmen in Lösungsansätze, deren Erfolg von der richtigen Führungsstrategie abhängen, ist eine Kernkompetenz. Dafür ist auch ständige Lernbereitschaft und
-fähigkeit vonnöten, um sich dem permanent wandelnden Umfeld anzupassen. Dazu gehört stets die Offenheit gegenüber Neuem und ein Gespür für die richtige Positionierung und Wahrnehmung des eigenen Verantwortungsbereichs innerhalb des Unternehmens.

DB: Und woher kommt nun dieser starke Wunsch nach mehr Lernfähigkeit bei den Führungskräften?

Grabherr: Natürlich hat das auch mit der fortschreitenden Digitalisierung zu tun. Aber wir reden hier nicht unbedingt nur von den technologischen Fortschritten und Digitalisierungssprüngen innerhalb der Prozesse des jeweiligen Unternehmens selbst, sondern auch von industrie- und branchenübergreifenden Umwälzungen. Damit alle Möglichkeiten von digitalen Technologien aber auch vollends genutzt werden können, braucht es die Bereitstellung von sauber strukturierten Datensätzen. Auch hier sind die Führungskräfte gefragt. Einmal als wichtige Impulsgeber für den Einsatz neuer Technologien, aber auch als Lenker und Dirigenten der Umsetzung. Denn oft krankt es an den ‚basics‘, wenn beispielsweise für die neue Anwendung nur unbrauchbare historische Datensätze in Silos vorgehalten werden. Führungskräfte haben die Entscheidungsgewalt, diese Silos aufzubrechen und der Innovation den benötigten Raum zu geben. Dies kann aber nur geschehen, wenn sie sich im Vorfeld aktiv mit den Möglichkeiten auseinandergesetzt haben. Lernfähig müssen heute alle sein, umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte dies auch vorleben.

DB: Mit Blick auf die Hardskills: Die Beherrschung von digitaler Technologie war ja bereits seit einiger Zeit absehbar. Wie kann man sich hier möglichst schnell auf den neusten Stand bringen?

Grabherr: Ich denke, eine one-size-fits-all-Lösung kann es hier nicht geben. Die neuste digitale State-of-the-art-Technologie hat sehr viel mit der jeweiligen Branche und dem Industriezweig zu tun, in dem sich das Unternehmen bewegt. Daher ist es nötig, dass Führungskräfte hier das große Ganze im Blick behalten und ihren Mitarbeitern den nötigen Freiraum bieten, sich mit verschiedensten Technologielösungen auseinanderzusetzen. Auch mal Fehlschläge in Kauf zu nehmen und eine Kultur, die Experimente zulässt zu fördern, sind wichtige Einflussfaktoren dafür, um Unternehmen nachhaltig auf den neusten Stand zu bringen und zu halten.

DB: Wie hat sich das gewünschte Skillset in den letzten Jahren – vor allem seit Corona – verändert?

Grabherr: Hier beobachten wir vor allem, dass Führung in Zeiten von ‚remote-working‘ und einer 2-D-Welt vor den Bildschirmen viel herausfordernder ist als im Präsenzbetrieb. Als Vorgesetzter ist man gut beraten, sich intensiver als vor Corona, um die Führung, Motivation und Förderung seines Teams zu kümmern. Empathie ist inzwischen eine Kernkompetenz!

DB: Mit welchen kommenden Trends und Meta-Themen sollten sich Führungskräfte schon jetzt befassen?

Grabherr: Das kommt für den einzelnen Manager grundsätzlich auf die jeweilige Führungsebene und Branche an, in dem sein Unternehmen agiert. Denn hier entstehen die Impulse, die für seine Abteilung und Arbeit am Ende des Tages ausschlaggebend sind. Die Regulatorik muss hier ebenso im Blick behalten werden wie der internationale Wettbewerb und die veränderten Ansprüche ihrer Kunden. Kernbereiche sind sicherlich Nachhaltigkeit als Teil des Corporate Social Responsibility-Komplexes, Digitale Kompetenz und empathische Führung, denn in diesen Bereichen baut sich aktuell der Veränderungsdruck am schnellsten auf.

DB: Schauen wir noch kurz auf die andere Seite: Was können die Führungskräfte neuerdings von ihren Arbeitgebern erwarten? Wie haben sich Bezahlung und Benefits gewandelt?

Grabherr: Digitales Arbeiten, Home-Office- und Mobile-Office-Lösungen sind nicht mehr vom Markt wegzudenken. Abgesehen davon bieten die Unternehmen viel mehr in Richtung Work-Life-Balance als noch vor drei Jahren. Auch Modelle für Auszeiten, Sabbaticals und Elternzeiten sind mit weniger Hürden verbunden und werden freigiebiger von den Unternehmen angeboten und umgesetzt. Die Unternehmen haben inzwischen verstanden, dass sie es mit einem Bewerbermarkt zu tun haben und dass sich der „War for Talent“ – obwohl er uns schon lange begleitet – noch einmal verstärkt hat. Dies wirkt sich natürlich auch erhöhend auf die Rekrutierungsbudgets aus.

DB: In welchen Branchen sind derzeit besonders viele Top-Positionen vakant? Hat sich hier etwas verändert?

Grabherr: Das kann ich so nicht beobachten, eher stelle ich eine allgemein gestiegene Nachfrage fest. Alle Branchen ist ja momentan das Phänomen gemein, dass sie IT-lastiger und technologischer werden. Damit unterliegen sie also auch verstärkt strengen regulatorischen und Compliance-Anforderungen und das Top-Management muss von allen Führungskräften des C-Levels in diesen unsicheren Fahrwassern begleitet werden. Die dafür benötigten fachlichen Kompetenzen werden heute aber viel stärker als früher vorausgesetzt. Der große Differenzierungsfaktor ist heute das Entwicklungspotenzial für Management- und Führungspositionen, das ein Kandidat mitbringt. Denn von nahezu allen Abteilungen und Führungskräften wird zunehmend strategische Beratung für die oberste Führungsetage erwartet. Dafür braucht es sektorübergreifend die richtigen Köpfe.

DB: Vielen Dank für das Interview!


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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