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12.02.2020

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Freiwillige Leistungen in Betriebsvereinbarungen richtig beenden – auch nach Betriebsübergang!

Will sich ein Unternehmen von freiwilligen Leistungen aus einer Betriebsvereinbarung lösen, ist dies durch Kündigung grundsätzlich möglich. Selbst nach einem Betriebsübergang kann der Erwerber eine solche Betriebsvereinbarung kündigen, auch wenn diese infolge des Betriebsübergangs zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden ist, also nicht mehr kollektiv-rechtlich als Betriebsvereinbarung gilt. Doch muss die Leistung vollständig eingestellt werden. Andernfalls kann eine gekündigte Betriebsvereinbarung nachwirken, was ein zusätzliches Haftungsrisiko birgt, insbesondere wenn eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung gekündigt wird.

Freiwillige Leistungen in Betriebsvereinbarungen richtig beenden – auch nach Betriebsübergang!

RA Dr. Thomas Frank
Mitglied der Praxisgruppe Pensions im Münchner Büro der internationalen Kanzlei Hogan Lovells

Freiwillige Leistungen in teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen

Sozialleistungen oder andere freiwillige Leistungen beruhen auf einer freiwilligen Entscheidung des Unternehmens, diese Leistungen erbringen zu wollen. Die Entscheidungsfreiheit darüber, diese Verpflichtung einzugehen, hat auch Einfluss darauf, wie das Unternehmen aus dieser Verpflichtung wieder herauskommt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierfür ein paar Regeln aufgestellt, die zu beachten sind. Freiwillige Leistungen können nicht vom Unternehmen allein an die Belegschaft verteilt werden. Vielmehr darf der Betriebsrat mitbestimmen, allerdings nur hinsichtlich der Ausgestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Den Dotierungsrahmen darf das Unternehmen hingegen mitbestimmungsfrei vorgeben. Dieses entscheidet also über das „Ob“, währen der Betriebsrat über das „Wie“ mitbestimmen darf. Solche Betriebsvereinbarungen sind teilmitbestimmt. Wichtigstes Beispiel teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen sind solche zur betrieblichen Altersversorgung. Dort bestimmt der Arbeitgeber die Höhe der zur Verfügung gestellten Mittel. Der Betriebsrat muss jedoch dem Verteilungs- und Leistungsplan zustimmen.

Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen

Kündigt ein Unternehmen eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung, muss es durch seine Kündigungserklärung sicherstellen, dass die Anwendung der Regelungen tatsächlich endet. Eine Nachwirkung muss ausgeschlossen werden. Betriebsvereinbarungen, die mitbestimmungspflichtige Regelungen enthalten, wirken nach, wenn sie gekündigt werden. Das bedeutet, sie gelten weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Für teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen, die aus einem mitbestimmungspflichtigen und einem freiwilligen Teil bestehen, ist zu differenzieren (vgl. BAG vom 05.10.2010 – 1 ABR 20/09). Wird durch die Kündigung die Leistung aus der Betriebsvereinbarung vollständig und ersatzlos eingestellt, tritt keine Nachwirkung ein. Ein Unternehmen, das freiwillig über die Einführung einer Leistung entscheiden kann, soll diese auch wieder beseitigen können. Wird dagegen mit der Kündigung nur das Verteilungsvolumen verringert und der Verteilungsplan geändert, verbleibt ein Finanzvolumen, über das der Betriebsrat mitzubestimmen hat, so dass die gekündigte Betriebsvereinbarung bis zu einer Neuregelung nachwirkt. Der gekündigte Vergütungsbestandteil muss allerdings alleiniger Gegenstand der gekündigten Betriebsvereinbarung sein. Werden in einer Betriebsvereinbarung auch andere Vergütungsbestandteile geregelt, für die eine vertragliche oder gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht, sind sämtliche Vergütungskomponenten Teil der Gesamtvergütung, bei deren Ausgestaltung der Betriebsrat mitzubestimmen hat. Eine solche Betriebsvereinbarung gilt daher weiter, da andernfalls das Verhandlungsergebnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat durch die Kündigung nur der freiwilligen Leistung zu Lasten der Arbeitnehmer verschoben würde.

Erklärung der Leistungseinstellung

Der Kündigungserklärung muss sich demnach entnehmen lassen, dass keine Neuverteilung erfolgen soll, sondern die Leistung eingestellt wird. Dies bedeutet, dass das Unternehmen eindeutig erklären muss, ob und ggf. in welcher Höhe es nach dem Ablauf der Kündigungsfrist für den bisherigen Leistungszweck Mittel zur Verfügung stellen wird. Des Weiteren muss es sich über seine Vorstellung zum weiteren Schicksal der bisherigen Leistung erklären, wenn es den Eintritt der Nachwirkung vermeiden will.

Kündigung einer Betriebsvereinbarung auch nach Betriebsübergang

Die Grundsätze gelten auch nach einem Betriebsübergang, wenn der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber eine finanzielle Leistung vollständig und ersatzlos einstellen will. Dies hat das BAG jüngst in einem Urteil bestätigt (BAG vom 19.11.2019 – 1 AZR 386/18). Wahrung der Betriebsidentität Wenn ein Betrieb als Ganzes den Inhaber wechselt und die Betriebsidentität gewahrt bleibt, gelten Betriebsvereinbarungen (auch Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen) als kollektiv-rechtliche Normen in diesem Betrieb weiter. Die Kündigung der Betriebsvereinbarung ist dann nach dem Betriebsübergang unverändert möglich. Möglicherweise wird eine lokale Betriebsvereinbarung des Veräußerers durch eine (höherrangige) Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung des Erwerbers abgelöst werden. Die geltende Betriebsvereinbarung ist dann nach den allgemeinen Grundsätzen kündbar. Doch ist auch in diesen Fällen in der Kündigungserklärung klarzustellen, dass die Leistung eingestellt wird, wenn eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung gekündigt wird. Verlust der Betriebsidentität Klargestellt hat das BAG nunmehr, dass nach einem Betriebsübergang die Kündigung auch dann möglich ist, wenn die Betriebsvereinbarung nicht mehr kollektiv-rechtlich gilt. Vollzieht sich ein Betriebsübergang unter Verlust der Betriebsidentität, werden die Rechte und Pflichten aus einer (Gesamt-/Konzern-)Betriebsvereinbarung zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Regelungen werden in das Arbeitsverhältnis transformiert. Auch diese transformierten Regelungen können weiterhin durch Erklärung gegenüber dem Betriebsrat gekündigt werden. Denn der kollektiv-rechtliche Charakter der Normen bleibt trotz der Transformation gewahrt. Sie stehen also weiterhin unter dem Vorbehalt einer kollektiv-rechtlichen Änderung und können daher wie Betriebsvereinbarungen durch eine neue Betriebsvereinbarung geändert oder abgelöst werden. Ebenso können sie gekündigt werden. Die Kündigung ist gegenüber dem Betriebsrat im Erwerberbetrieb zu erklären. Dieser Betriebsrat wäre nach dem Betriebsübergang auch für Änderungen oder Ablösungen von Betriebsvereinbarungen zuständig (vgl. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB). Er ist daher ebenso der Adressat für die Erklärung der Kündigung transformierter Normen. Wichtig ist auch hier, dass im Fall der Kündigung einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung die vollständige Einstellung der Leistung erklärt wird, damit keine Nachwirkung eintritt. Nicht erforderlich ist es dagegen, die Kündigung (auch) gegenüber den Arbeitnehmern zu erklären.

Praxisfolgen für die Beendigung freiwilliger Leistungen

Unternehmen können nunmehr auch nach einem Betriebsübergang rechtssicher Kündigungen von transformierten Betriebsvereinbarungen gegenüber dem Betriebsrat aussprechen. Eine Kündigung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern ist nicht erforderlich. Dies gilt für alle transformierten Betriebsvereinbarungen, nicht nur für teilmitbestimmte. Im Fall der Kündigung von teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen sind aber die Vorgaben des BAG einzuhalten, um eine Nachwirkung auszuschließen: eine eindeutige Erklärung (1.) über den zukünftigen Dotierungsrahmen und (2.) über das Schicksal der Leistung nach der Kündigung. In der Kündigung sollte daher (sinngemäß) formuliert werden, dass in Zukunft keine Mittel mehr für die Leistung aufgewendet werden und das Unternehmen den Arbeitnehmern keine Leistungen mehr erbringen wird. In der Praxis wird dies nicht selten vernachlässigt. Aus dem einen oder anderen Grund möchte der Arbeitgeber beim Betriebsrat nicht für Verärgerung sorgen und stellt daher in Aussicht, dass man sich zusammensetzen werde, um über Alternativen zu sprechen. Dies könnte bedeuten, dass die Leistung gar nicht eingestellt wird, sondern eine Diskussion über die Ausgestaltung der Leistung erfolgen soll, so dass nach Ablauf der Kündigungsfrist die Nachwirkung beginnt. Der Kündigungserklärung sollte sich daher immer die vollständige und ersatzlose Einstellung entnehmen lassen. Insbesondere in der betrieblichen Altersversorgung sollte bei einer Kündigung nicht zugleich eine neue Versorgung in Aussicht gestellt werden. Dies könnte als Fortführung der betrieblichen Altersversorgung unter bloßer Neu- oder Umverteilung der zur Verfügung gestellten Mittel gewertet werden. In diesem Fall bliebe eine ausgestaltungsfähige Verteilungsmasse erhalten, über die der Betriebsrat mitzubestimmen hätte. Bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung wirkt dann die alte Betriebsvereinbarung nach, so dass auch neu eintretende Mitarbeiter noch in den Anwendungsbereich der vermeintlich geschlossenen Versorgungsordnung fallen können. 

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