Einführung einer Begründungspflicht für die Festlegung und Veröffentlichung der Zielgröße Null
Bislang galt für die Leitungs- und Vorstandsebene keine fixe Quote, sondern die Verpflichtung zur Festlegung von Zielvorgaben. Die flexible Quote muss von börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen beachtet werden. Der Vorstand muss für den Frauenanteil in den ersten beiden Ebenen unterhalb des Vorstands Zielquoten festlegen und Fristen für deren Erreichung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass fast 70% aller Unternehmen die Zielquote Null gewählt haben. Es stellt sich schon die Frage, ob ein Gesetz, das die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen beabsichtigt, sinnvollerweise eine Quote Null als zulässig halten kann. Und der empirische Befund bestätigt die Zweifel. Die Reaktion des Gesetzgebers hierauf ist wiederrum bemerkenswert. Unternehmen, die für den Frauenanteil die Zielgröße Null festlegen, sollen verpflichtet werden, diesen Beschluss klar und allgemein verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Dieser Vorschlag ist ein Meisterwerk bürokratischer Gesetzeskunst, aber sicherlich kein Beitrag zur Erhöhung der Frauenquote.
Erweiterung des Anwendungsbereichs der fixen Aufsichtsratsquote
Die Geschlechterquote von 30% für Aufsichtsräte galt bisher nur für rund 100 mitbestimmte börsennotierte Unternehmen. Auf das Merkmal der Börsennotierung wird zukünftig als Voraussetzung verzichtet, wodurch sich der Anwendungsbereich auf etwa 600 Unternehmen erweitert. Die Gesetzesbegründung stellt darauf ab, dass diese Unternehmen in ihrem Bereich oftmals weltmarktführend seien und daher im Ausland eine Vorbildrolle für die deutsche Unternehmenskultur einnähmen. Geht man davon aus, dass in jedem dieser zusätzlichen 500 Unternehmen nur ein weibliches Aufsichtsratsmitglied auf Anteilseignerseite fehlt, so ist die Herausforderung für die Headhunter bis zu den nächsten turnusmäßigen Aufsichtsratswahlen klar definiert.
Einführung einer Vorstandsquote im Sinne eines Mindestbeteiligungsgebots
Besonders heiß diskutiert wird die Vorstandsquote im Sinne eines Mindestbeteiligungsgebots. Der Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätischen mitbestimmten Unternehmens muss danach künftig mit mindestens einer Frau besetzt sein, wenn er mehr als drei Mitglieder hat. Eine Bestellung eines Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat unter Verstoß dieses Beteiligungsgebots soll nichtig sein. Die Diskussion hierüber wird vor allem ideologisch geführt. Von den Gegnern wird geltend gemacht, dass durch eine fixe Frauenquote im Vorstand die Gefahr besteht, dass Personalentscheidungen künftig nicht ausschließlich nach Kompetenz getroffen werden. Das mag so sein, ist aber ehrlicherweise kein neues Phänomen. Die praktische Relevanz ist derzeit eher gering. Von den 160 in DAX, MDax und SDax gelisteten Unternehmen unterfallen 82 der paritätischen Mitbestimmung, davon haben 71 mehr als 3 Vorstandsmitglieder. Hiervon müssten lediglich 24 Unternehmen das Beteiligungsgebot berücksichtigen, wenn sie nach Ablauf der geplanten Übergangsfrist ab dem 1. Januar 2021 ein neues Vorstandsmitglied bestellen wollen. Hierin sind auch Europäische Aktiengesellschaften berücksichtigt, für die über eine Ergänzung von §16 SE-AG die Regelung ebenfalls gelten soll. Allerdings sieht Art. 39 Abs. 4 SE-VO lediglich das Recht der Mitgliedsstaaten vor, eine Mindest- oder Höchstzahl von Mitgliedern des Leitungsorgans vorzusehen. Es erscheint nicht ganz zweifelsfrei, ob diese Regelung europarechtlich zulässig ist. In jedem Fall ausgenommen von der Vorstandsquote ist die Monistische SE. Das politische Schicksal des Gesetzentwurfs ist ungewiss. Der Koalitionsvertrag sieht ausschließlich Maßnahmen im Zusammenhang mit den Zielvorgaben, also der flexiblen Quote vor. Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Lage sein wird, einen so mutigen Schritt zu gehen, wie er in dem Entwurf angelegt ist.