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07.12.2020

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Fondsetablierungskosten im „Verfassungsstreit“

In der Steuerpraxis sind derzeit etliche „Altfälle“ unterwegs, in denen die Finanzverwaltung den durch das „JStG 2019“ vom 12.12.2019 neu eingeführten § 6e EStG in Umsetzung des zeitlichen Ingangsetzungsbefehls gem. § 52 Abs. 14a EStG rückwirkend in allen offenen Fällen anwenden will. Betroffen sind vor allem Venture Capital- und Private Equity-Fonds, die sich noch in Betriebsprüfungen oder in einem finanzgerichtlichen Klageverfahren befinden. Es geht um Investoren – das Gesetz spricht von Anlegern in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit –, deren Erwerbsgeschäft gemäß einem von einem Projektanbieter vorformulierten Vertragswerk erfolgt. Sämtliche für investitionsbezogene Dienstleistungen getätigten „Fondsetablierungskosten“ sind in Anlehnung an den früheren Bauherren- und Fondserlass als Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts zu aktivieren. Insoweit wird der Anschaffungskostenbegriff steuerlich für Fondsstrukturen konstitutiv erweitert.

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„Steuerverschärfendes Sonderrecht“ für Fondsbeteiligungen

Es gilt ein „steuerverschärfendes Sonderrecht“ für Fondsbeteiligungen, um – als eine Art „Missbrauchsabwehr“ – eine „künstliche Aufspaltung“ in Anschaffungskosten einerseits und sofortige Betriebsausgaben andererseits bei miteinander verflochtenen Verträgen zu verhindern. Fehlende Einflussnahme auf das Vertragswerk sollen die „Gesamtanschaffung“ rechtfertigen. Der Tatbestand des § 6e EStG enthält – jenseits verfassungsrechtlicher Rückwirkungsfragen – etliche unklare Formulierungen, die einfachgesetzlich zu klären sind. Die Regelung gilt für den Werbungskostenabzug bei Fonds im Privatvermögen entsprechend (§ 9 Abs. 5 EStG).

„Nichtanwendungsgesetz“ ausgelöst durch BFH-Rechtsprechung

Nach der Regierungsbegründung zum JStG 2019 ist die Neuregelung des § 6e EStG notwendig geworden, da der BFH mit Urteil vom 26.04.2018 – IV R 33/15 (DB 2018 S. 2089; vgl. dazu Werth, StR kompakt, DB1280576) wegen Einführung des § 15b EStG ab Ende 2005 an seiner bisherigen Auffassung zur Komplettaktivierung sämtlicher investitionsbezogener Aufwendungen nicht weiter festhält. Die BFH-Entscheidung wurde erst kürzlich im November 2020 im BStBl. II 2020 S. 645 mit Bindungswirkung für sämtliche nachgeordneten Verwaltungsbehörden veröffentlicht.

Der IV. Senat formuliert im Leitsatz der Entscheidung: „Für Jahre seit Inkrafttreten des § 15b EStG kann die auf § 42 AO gestützte Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung nicht mehr angewendet werden“. Der Streitfall betraf den Vz. 2007 bei einem geschlossenen Fonds in bestehende Beteiligungen an Schiffsgesellschaften. Die objektive Rechtslage seit Ende 2005 lässt nach Meinung des BFH die Anwendung der für die Zeit davor geltenden Rechtsprechung nicht weiter zu, weil der Gesetzgeber selbst mit § 15b EStG ein „missbrauchsverdächtiges Feld“ geregelt hat und für § 42 AO insoweit kein Raum mehr bleibt. Dies ist keine Rechtsprechungsänderung, sondern die Begründung einer erstmaligen, ab 2005 geltenden Beurteilung. Das Veröffentlichungsdatum der Entscheidung ist deshalb für die zeitliche Rechtsprechungsgeltung unerheblich. § 6e EStG entfaltet als Aktivierungsgebot für Fondsetablierungskosten seit 2005 konstitutive (rechtsbegründende) Wirkung. Dabei ist einzuräumen, dass die Finanzverwaltung eine Aktivierung der neben der Kerninvestition getätigten Aufwendungen bei Bauherren- und Erwerbermodellen sowie den verschiedenen Typen geschlossener Fonds durchgehend seit dem Jahr 2003 verlangt hat.

Echte Rückwirkung des § 6e EStG ein Verfassungsverstoß?

§ 6e EStG ist in formaler Hinsicht eine mit „echter Rückwirkung“ ausgestattete Regelung, weil sie in bereits abgeschlossene Besteuerungsabschnitte konstitutiv eingreift. Die Bundesregierung begründet die Notwendigkeit einer rückwirkenden gesetzlichen Festschreibung des Aktivierungsgebots für Fondsetablierungskosten wie folgt: Die bisherige Auffassung von Rechtsprechung und Verwaltung habe „schon über einen Zeitraum von zehn Jahren ununterbrochen gegolten“. Stellt man auf die durch die frühere Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalte ab, so ist dies wohl unzutreffend (vgl. Haselmann/Cropp/Hundrieser, DStR 2020 S. 2580). Daraus folgt: Laut Beschluss des BVerfG vom 17.12.2013 sind Gesetze mit „echter Rückwirkung“ im Grundsatz zunächst einmal nicht mit der Verfassung vereinbar. Das Prinzip der Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz im Hinblick auf bereits vollzogene Dispositionen steht Gesetzen mit echter Rückwirkung grundsätzlich entgegen. Dies gilt allerdings nach Meinung des BVerfG dann nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig ist.

Der Zugriff des Gesetzgebers auf die Vergangenheit muss allerdings auch nach Meinung des BVerfG die Ausnahme sein. Dabei kommt es auf die Bezeichnung des Gesetzes durch den Gesetzgeber oder die den Gesetzgeber unterstützende Finanzverwaltung hinsichtlich der deklaratorischen Bedeutung einer Regelung nicht an. Vielmehr ist der Inhalt des Gesetzes entscheidend. Sofern durch ein neues Gesetz eine „offene Auslegungsfrage“ für die Vergangenheit geklärt wird, liegt aus verfassungsrechtlicher Sicht eine „konstitutive Regelung“ vor, die keine echte Rückwirkung entfalten darf. Das BVerfG ist an dieser Stelle ausdrücklich nicht dem „dissenting vote“ des Richters Masing gefolgt. Vielmehr schließt der Charakter einer Neuregelung als konstitutives Gesetz eine verfassungskonforme echte Rückwirkung aus. Birk formuliert dies in einer Anmerkung zu dem BVerfG-Beschluss wie folgt: „Es gibt ein Vertrauen auf den „offenen“ Gesetzeswortlaut, der die Chance eröffnet, sich mit seiner Position im Gerichtsverfahren durchzusetzen“ (FR 2014 S. 340).

Ergebnis: Rückwirkung des § 6e EStG ist ein Fall für das BVerfG

Mit der Einführung des § 6e EStG zum Ende des Jahres 2019 liegt bezogen auf abgeschlossene Vz. seit 2005 eine konstitutiv wirkende Norm vor. Denn die Rechtsprechung hat mit Inkrafttreten des § 15b EStG Ende 2005 entschieden, dass eine auf § 42 AO gestützte Aktivierung von Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung unzulässig wäre. Der Gesetzgeber greift deshalb Ende 2019 in eine vom BFH abweichend beurteilte Rechtslage konstitutiv ein. Dass die Finanzverwaltung die Rechtslage „schon immer“ abweichend beurteilt hatte, spielt für den konstitutiven Charakter des § 6e EStG und für die Frage der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit der rückwirkenden Gesetzesänderung keine Rolle. Betroffene Steuerpflichtige sollten bei Streitigkeiten rund um Fondsetablierungskosten bei Fondsgestaltungen prüfen, ob sie die Klärung der Rechtslage durch das BVerfG trotz aller „Mühen und Kosten“ als Steuerchance anstreben sollten.

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