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18.04.2024

Steuerboard

Fondsetablierungskosten: FG Münster bestätigt rückwirkende Anwendung des § 6e EStG

Die steuerliche Behandlung sog. Fondsetablierungskosten entpuppt sich immer mehr als unendliche Geschichte. Mit der Einführung des § 6e EStG im Jahr 2019 sollte die Auffassung der Finanzverwaltung festgeschrieben und alle offenen Fragen und Unklarheiten beseitigt werden, doch davon kann keine Rede sein. Der unglückliche Wortlaut, zahlreiche undefinierte Begriffe sowie die unsystematische und von handelsrechtlichen Grundsätzen abweichende Behandlung von Kosten führt zu mehr Unklarheiten als Klarheiten. Welche Kosten sind zu aktivieren? Wie lange läuft die Investitionsphase? Was ist ein vorformuliertes Vertragswerk? Wann haben Anleger eine Einflussnahmemöglichkeit?

Fondsetablierungskosten: FG Münster bestätigt rückwirkende Anwendung des § 6e EStG

StB/FBIStR Dipl.-Fw. (FH) Raphael Baumgartner, M.A. (Taxation)
ist Counsel bei POELLATH in München

Wie sind aktivierte Kosten zu behandeln? Garniert wird der Themenkomplex mit der Anordnung des Gesetzgebers, dass § 6e EStG rückwirkend in allen offenen Fällen anzuwenden sei – verfassungsrechtliche Bedenken sind der Vorschrift somit auf die Stirn geschrieben (vgl. Prinz, Steuerboard vom 07.12.2020). Das FG Münster beschäftigte sich nun in einem Urteil vom 24.01.2024 (12 K 357/18 F) mit der Anwendung des § 6e EStG und bezog erstmalig zu Rechtsbegriffen sowie der rückwirkenden Anwendung Stellung – mit einem für die Praxis wenig erfreulichen Ergebnis.

Sachverhalt

Im Streitfall war die Behandlung sog. Weichkosten eines im Jahr 2007 gegründetem geschlossenen Schiffsfonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG streitig. Der Fonds schloss einen Vertrag über den Bau eines Massengutfrachters ab, der im Jahr 2009 geliefert werden und anschließend verchartert werden sollte. Bei fehlender Lieferung bestand ein Recht zur Kündigung des Bauvertrags. Der Gesellschaftsvertrag des Fonds sah einen Investitionsplan und eine Beschreibung der geplanten Tätigkeit vor, welche in einem Emissionsprospekt detaillierter dargestellt wurden.

Während der Vertriebsphase tätigte der Fonds Aufwendungen, die zunächst als Anzahlung auf das zu bauende Schiff aktiviert wurden. Als sich abzeichnete, dass das Schiff nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte, tagte der Verwaltungsrat des Fonds erstmalig im Jahr 2010. Der Verwaltungsrat einigte sich darauf, den über 900 Anlegern vorzuschlagen, den Bauvertrag des Schiffs zu kündigen. Gleichzeitig sollte jedoch ein Alternativkonzept, bestehend aus einer Beteiligung an einem anderen typengleichen Schiff, als Investitionsobjekt vorgeschlagen werden. Die Gesellschafterversammlung beschloss, der Empfehlung zu folgen, woraufhin der Fonds der A2 KG beitrat, die wiederum das Alternativobjekt erwarb.

In der Feststellungserklärung des Jahres 2010 behandelte der Fonds die bisher als Anschaffungskosten aktivierten Aufwendungen als sofort abziehbare Betriebsausgaben (vergebliche Aufwendungen). Nach erfolgter Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt die Kosten nicht als sofort abziehbare Aufwendungen an, da es sich um sog. Fondsetablierungskosten handele. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Das FG entschied, dass die Weichkosten der rückwirkenden Anwendung des § 6e EStG unterliegen und somit steuerlich nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben zu behandeln seien. Nach Ansicht des Gerichts liege ein vorformuliertes Vertragswerk vor, wenn die Anleger nur die Wahl haben, entweder das gesamte Bündel der Verträge zu übernehmen oder sich nicht zu beteiligen und somit das Vertragswerk durch die Initiatoren des Fonds vorgegeben werden, während die Investoren nur passive Geldgeber seien, die keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Konzeption des Fonds haben. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, obwohl ein anderes als das ursprünglich geplante Objekt erworben wurde. Denn auch der Erwerb des Alternativobjekts sowie die Rahmenbedingungen des Erwerbs wurden durch die Initiatoren vorbereitet und vor der Gesellschafterversammlung abgestimmt – es wurde also ein „Gesamtpaket“ angeboten. Das Gericht sah diese Voraussetzungen in vorliegendem Fall als gegeben an, obwohl der Fonds schlussendlich in ein anderes als das ursprünglich geplante Investitionsobjekt investiert hat, welches aber weiterhin dem ursprünglichen Konzept entsprach. Da auch für das Alternativinvestment die vertraglichen Rahmenbedingungen bereits vor der Entscheidung durch die Investoren abgestimmt waren, ändere diese nichts am Vorhandensein eines vorformulierten Vertragswerks. Die Alternative wurde als Gesamtpaket vorgestellt und auch die Änderung des Gesellschaftszwecks sei bereits vorformuliert gewesen. Da eben ein vorformuliertes Vertragswerk vorlag (§ 6e Abs. 1 Satz 1 EStG), komme es nach Auffassung des Gerichts auch auf eine wesentliche Einflussnahmemöglichkeit auf das Vertragswerk durch die Investoren an (§ 6e Abs. 1 Satz 2 EStG).

Die Weichkosten seien auch als Anschaffungskosten nach § 6e Abs. 2 EStG zu qualifizieren. Fondsetablierungskosten nach § 6e Abs. 2 Satz 1 EStG sind alle aufgrund des vorformulierten Vertragswerks neben den Anschaffungskosten im Sinne des § 255 HGB vom Anleger an den Projektanbieter oder an Dritte gezahlte Aufwendungen, die auf den Erwerb der Wirtschaftsgüter gerichtet sind. Zu den Anschaffungskosten nach § 6e Abs. 1 Satz 2 EStG gehören nach § 6e Abs. 2 Satz 2 EStG auch alle an den Projektanbieter oder Dritte geleisteten Aufwendungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts in der Investitionsphase, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Kosten unmittelbar auf den Erwerb der Wirtschaftsgüter gerichtet sind. Da die Anleger keine wesentliche Einflussnahmemöglichkeit hatten, finde § 6e Abs. 1 Satz 2 EStG und damit auch die sehr weite Definition der Fondsetablierungskosten nach § 6e Abs. 2 Satz 2 EStG Anwendung. Bei den ursprünglichen Kosten handele es sich demnach um Kosten im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts in der Investitionsphase, die zu aktivieren seien. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Kosten zunächst im Zusammenhang mit einer nicht durchgeführten Investition zusammenhängen. Die Kosten seien auch während der Investitionsphase angefallen, da diese erst mit dem Erwerb des Objekts ende. Nicht streitgegenständlich war augenscheinlich die Aktivierung von Management Fees, die mittlerweile in § 6e Abs. 2 Satz 3 EStG gesetzlich geregelt ist.

Die fehlende Einflussnahmemöglichkeit begründet das Gericht damit, dass die Anleger weder bei der ursprünglich prospektierten Investitionsvariante noch bei der tatsächlich umgesetzten Alternative wesentliche Einflussnahmemöglichkeit hatten. Denn bezüglich der ursprünglichen Investitionsstrategie lag das Emissionsprospekt zu einem Zeitpunkt vor, in dem die Investition bereits konzipiert war. Auch die Konzeption des Alternativinvestments konnte nicht durch die Anleger beeinflusst werden. Es genüge nicht, dass die Gesellschafter zu dem Konzept Fragen stellen konnten oder auf die Vergütungsstruktur Einfluss nehmen konnten, da das Investitionsobjekt dadurch nicht betroffen sei. Auch die vorgesehenen Handlungsalternativen, über die in der Gesellschafterversammlung abgestimmt wurde, sahen lediglich eine Zustimmung oder Ablehnung vor, was nicht ausreichen würde, um eine Einflussnahmemöglichkeit zu begründen. Auch die Abstimmung mit dem Verwaltungsrat ändere daran nichts, da dieser aus drei Personen bestand, wovon wiederum eine Person dem Fondsmanagement angehört. Der Verwaltungsrat könne dadurch nicht die über 900 Gesellschafter vertreten und die Entscheidungen des Verwaltungsrats auch nicht diesen zugerechnet werden.

Schließlich ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die rückwirkende Anwendung von § 6e EStG im Streitfall verfassungswidrig ist. Vorliegend handele es sich um eine ausnahmsweise zulässige echte Rückwirkung. Da im konkreten Fall das Wirtschaftsjahr 2010 betroffen ist, durfte der Gesetzgeber eine Rückwirkung anordnen, da dadurch die Rechtslage vor der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch das am 11.07.2018 veröffentlichte BFH-Urteil (IV R 33/15) festgeschrieben wurde. Die Klägerin konnte somit kein schutzwürdiges Vertrauen in die Abzugsfähigkeit der Kosten entwickeln, da die höchstrichterliche Rechtsprechung im Streitjahr eine Aktivierung vorgesehen hätte. Ob dies auch für Zeiträume zwischen Veröffentlichung des o.g. Urteils vom 11.07.2018 und der damit verbundenen Änderung der ständigen Rechtsprechung sowie der Veröffentlichung des JStG 2019 so gelte, konnte das Gericht offenlassen.

Auswirkung für Private Equity und Venture Capital Fonds?

Malt man den Teufel an die Wand, lassen sich aus dem Urteil thesenartig die folgenden Schlüsse für Private Equity und Venture Capital Fonds ziehen:

  • Für die Anwendung des § 6e EStG könnte es bereits ausreichen, dass die Fondsdokumentation weitestgehend von den Initiatoren vorbereitet wird.
  • Eine Ausübung etwaiger eingeschränkter Rechte zur Zustimmung oder Ablehnung eines Vorschlags der Geschäftsführung bezüglich eines Investments durch ein Investorengremium, die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Änderungen an der Vergütungsstruktur zu erwirken, könnte nicht ausreichen, um eine wesentliche Einflussnahme zu begründen.
  • Während der Investitionsphase könnten sämtliche Kosten – einschließlich sog. Broken Deal Expenses – zu aktivieren sein, da die Kosten mit der Abwicklung des Projekts im Zusammenhang stehen könnten.
  • Eine konkrete Definition der Investitionsphase besteht nicht. Sie ende jedoch mit dem Erwerb des (letzten) Investitionsobjekts.
  • Die rückwirkende Anwendung des § 6e EStG ist zumindest für Zeiträume bis zur Veröffentlichung des BFH-Urteils (IV R 33/15) am 11.07.2018 nicht verfassungswidrig.

Gleichzeitig muss jedoch auch festgehalten werden, dass dem Urteil ein geschlossener Schiffsfonds zugrunde lag, welcher nicht ohne Weiteres mit typischen Private Equity und Venture Capital Fonds vergleichbar ist. Insbesondere im Hinblick auf die rückwirkende Anwendung des § 6e EStG kann festgehalten werden, dass keine ständige Rechtsprechung des BFH vorlag, sodass die verfassungsrechtlichen Bedenken offenkundig sind. Auch die Definition der Investitionsphase lässt das Urteil für den Fall, dass mehrere Investments getätigt werden, offen. Um eine praktikable Anwendung zu gewährleisten, sollte man sich hierfür an der Definition der Investitionsphase laut Gesellschaftsvertrag orientieren, soweit dies nicht augenscheinlich zu einem unzutreffenden Ergebnis führt. Schließlich scheint gerade die Aktivierung sog. Broken Deal Expenses als zweifelhaft, da es dabei an einem Wirtschaftsgut fehlt, auf welches die Kosten aktiviert werden können.

Da der BFH über die Anwendung des § 6e EStG noch nicht entschieden hat, ließ das FG die Revision zu. Diese ist unter dem Az. IV R 6/24 beim BFH anhängig. Bis das letzte Kapitel in diesem Fall geschrieben sein wird, werden daher noch einige Jahre vergehen, sodass es sich lohnt, die Flinte nicht vorschnell ins Korn zu werfen, sondern entsprechende Verfahren bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung offenzuhalten. Gleichzeitig wird man sich aber auf zähe Verhandlungen und Diskussionen mit der Finanzverwaltung einstellen müssen, sofern nicht der sehr weitreichenden Auslegung durch die Finanzverwaltung gefolgt wird.

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