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19.12.2023

Steuerboard

Folgen der Umwandlung des Organträgers: Fußstapfentheorie wird nicht durch steuerliche Rückwirkungsmöglichkeit überlagert

Umstrukturierungshindernisse bei Organschaften aufgrund eines unterjährigen Übertragungsstichtags sind künftig passé. Der BFH hat klargestellt, dass aus Sicht der Organgesellschaft die Umwandlung auf Ebene des Organträgers nichts an der Eingliederung in ein anderes Unternehmen ändert.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

StB Clemens Mauch, LL.M.,
ist bei Menold Bezler in Stuttgart tätig

Ausgangslage

Ob die Verschmelzung eines Organträgers zu einer Pause der Organschaft führt oder ob die bestehende Organschaft nahtlos fortgeführt werden kann, war bislang umstritten. Die Finanzverwaltung vertritt zwar die Auffassung, dass der übernehmende Rechtsträger in den Ergebnisabführungsvertrag des übertragenden Rechtsträgers eintritt (vgl. BMF-Schreiben vom 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978 b/08/10001, Rz. Org.01). Sie verlangt jedoch für die Zurechnung einer im Verhältnis zwischen dem übertragenden Rechtsträger und der Organgesellschaft bestehenden finanziellen Eingliederung, dass die Verschmelzung mit steuerlicher Rückwirkung auf den Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft fällt (vgl. BMF-Schreiben, a.a.O., Rz. Org.02). Bei Umwandlungen des Organträgers ist die Beteiligung an der Organgesellschaft dem neuen Organträger zwingend rückwirkend zuzurechnen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung wird die Rückwirkung dabei auf den steuerlichen Umwandlungsstichtag fingiert, sodass lediglich die Beteiligung ab diesem Tag dem aufnehmenden Organträger zuzurechnen ist. Die Fußstapfentheorie wird dabei außer Acht gelassen. In der herrschenden Literatur und Praxis wurde dies bereits länger moniert. Inwieweit (k)ein Zusammenhang zwischen der steuerlichen Rückwirkungsfiktion und der Fußstapfentheorie bzw. eine Über-/ Unterlagerung besteht, war nun Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung.

Der Fall und das vorinstanzliche Urteil

Im zugrunde liegenden Sachverhalt bestand zwischen der A-GmbH (Klägerin und Organgesellschaft) und der B-GmbH (Organträgerin) eine ertragsteuerliche Organschaft seit dem Jahr 2010. Das Wirtschaftsjahr der A-GmbH entsprach dem Kalenderjahr. Nachdem die X-OHG im März 2015 sämtliche Anteile an der B-GmbH erworben hatte, wurde die B-GmbH im November 2015 mit steuerlicher Rückwirkung zum 01.04.2015 auf die X-OHG verschmolzen. Streitig war, ob die finanzielle Eingliederung der A-GmbH zum neuen Organträger (X-OHG) auch dann besteht, wenn der Übertragungsstichtag nicht mit dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft identisch ist. Im Übrigen bestand Einigkeit, dass die Voraussetzungen für eine Organschaft erfüllt waren.

Das FG Hessen (Urteil vom 14.05.2020 – 4 K 412/19) vertrat die Auffassung, dass die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft keine Beteiligung des neuen Organträgers zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft voraussetze. Vielmehr liege eine finanzielle Eingliederung auch dann vor, wenn die Mehrheitsbeteiligung nacheinander auf zwei Organträger verteilt wird, weil das Halten der Beteiligung des ersten Organträgers dem zweiten Organträger im Rahmen der steuerlichen Gesamtrechtsnachfolge zugerechnet wird.

Zur Begründung stellte das FG Hessen unter Bezugnahme auf ein Urteil des BFH (vom 28.07.2010 – I R 89/09, BStBl. II 2011 S. 528) darauf ab, dass die Rechtsnachfolge des § 12 Abs. 3 UmwStG ein „umfassendes Eintreten in die Position der übertragenden Körperschaft“ zur Folge hat. Soweit sich die gesetzliche Regelung (durch Verweis auf § 4 Abs. 2 und Abs. 3 UmwStG) auf die Bewertung der übernommenen Wirtschaftsgüter, die Absetzungen für Abnutzung etc. beziehe, handele es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung, die den umfassenden Eintritt in die Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft nach der Fußstapfentheorie gerade nicht ausschließe.

Urteil des BFH

Der BFH hat die Entscheidung des FG Hessen mit Urteil vom 11.07.2023 bestätigt (I R 21/20). Der BFH entschied unter Bestätigung und Fortentwicklung früherer Urteile (vom 28.07.2010 – I R 89/09, a.a.O. und I R 111/09, BFH/NV 2011 S. 67), dass das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung nicht vom steuerlichen Umwandlungsstichtag abhängig sei, sondern allein auf die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nach § 4 Abs. 2 UmwStG abzustellen sei. Demnach tritt die übernehmende Körperschaft umfassend und vorbehaltlos – auch für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen – nach der sog. Fußstapfentheorie in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein, wenn der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird. Nach Auffassung des BFH stehen die Rechtsinstitute der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge und der umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung gleichberechtigt nebeneinander. Demzufolge können diese den gleichen Zeitraum betreffen, müssen dies aber nicht.

Die aus dem Ausnahmecharakter der Organschaft folgende strenge Auslegung der gesetzlichen Vorschriften ändere nichts an dieser Einordnung, da die organschaftlichen Regelungen durch die Sondervorschriften des UmwStG ergänzt werden. Einfach ausgedrückt: „aus Sicht der Organgesellschaft ändert die Umwandlung auf Ebene des Organträgers nichts an der ‚Eingliederung‘ in ein anderes Unternehmen“.

Entgegen der Auffassung des FG hat der BFH entschieden, dass das Einkommen der Organgesellschaft in vollem Umfang ausschließlich der neuen Organträgerin zuzurechnen sei und keine zeitanteilige Einkommenszurechnung erfolge.

Mit diesem Urteil sind gleichzeitig drei weitere Urteile in Bezug auf dieses Thema veröffentlicht worden (I R 36/20, I R 40/20 und I R 45/20), die eine Anwendung der Fußstapfentheorie auch auf andere Umwandlungsvorgänge vorsehen.

Lob aus der Praxis – Bewertung und Ausblick

Das Urteil ist zu begrüßen. Es bekräftigt auch die vorherrschende Literaturmeinung. Die Umwandlung von Organträgern ist nicht mehr als „rote Flagge“ in der Praxis im Zusammenhang mit Umstrukturierungen von bestehenden Organschaftsstrukturen zu sehen. Dies führt zu erheblichen Erleichterungen in der Umwandlungspraxis, da eine größere Flexibilität in Bezug auf den steuerlichen Übertragungsstichtag besteht. Die abweichende Auffassung der Finanzverwaltung führt zu wirtschaftlich nicht sinnvollen Ergebnissen, da eine zwingende Organschaftspause durch die Umwandlung bei einem unterjährigen Umwandlungsstichtag entstehen würde und somit keine steuerlichen Ergebnisverrechnungen innerhalb der Unternehmensgruppe in diesem Veranlagungszeitraum ermöglicht werden.

Es ist zu hoffen, dass sich die Finanzverwaltung der Auffassung des BFH in dieser für die Unternehmens- und Konzernpraxis  bedeutenden Besteuerungsfrage anschließt und die Ausführungen zu Randziffer Org.02 in einem finalen BMF-Schreiben zur Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes entsprechend angepasst werden. Hierdurch könnte den Steuerpflichtigen ohne größeren Aufwand erhebliche Erleichterungen bei Umstrukturierung gewährt werden.

Dieser Beitrag entstand unter Mitwirkung von StBin Laura Bommer.

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