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09.06.2021

Interview

Finanzieller und organisatorischer Mehraufwand durch das Steueroasen-Abwehrgesetz

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Der Betrieb

Die Bundesregierung hat am 31. März 2021 den Entwurf eines „Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze“ (StAbwG) verabschiedet. Ziel dessen: Steuerflucht aus Deutschland soll erheblich erschwert und mehr Steuergerechtigkeit hergestellt werden. Klingt sinnvoll – bringt für Unternehmen aber jede Menge mehr Bürokratie. Inwiefern und welche Maßnahmen sonst noch geplant sind, erläutern Fachanwalt für Steuerrecht und Partner, Dr. Björn Demuth sowie Rechtsanwalt Lukas Braun.

DB: Der Entwurf eines Steueroasen-Abwehrgesetzes soll Geschäftsbeziehungen zu sog. Steueroasen steuerlich unattraktiv machen. Was heißt das konkret?

Demuth: Durch den Gesetzesentwurf soll die ‚Steuerflucht‘ aus Deutschland erheblich erschwert und mehr Steuergerechtigkeit hergestellt werden. Personen und Unternehmen sollen künftig abgehalten werden, Geschäfte mit Staaten oder einzelnen Gebieten weiterzuführen, die gegen internationale Steuerstandards verstoßen.

DB: Aber neu ist die Idee nicht …

Demuth: Nein. Schon im Jahr 2009 erließ der Gesetzgeber das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, um an Geschäftsbeziehungen zu Steueroasen negative Konsequenzen zu knüpfen. Inzwischen gehen die internationalen Standards über die Anforderungen des damaligen Gesetzes hinaus, sodass sich der deutsche Legislator zum Handeln gezwungen sah. Mit dem Entwurf zum StAbwG knüpfte er an die europäischen Kriterien zur Aufnahme auf die sogenannte schwarze Liste an.

Die nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiete – so nennt der Gesetzgeber die Steueroasen – sollen durch den Gesetzesentwurf angehalten werden, die internationalen Standards gegen Steuervermeidung und unfairen Steuerwettbewerb zu erfüllen. Außerdem sollen sie die für ein automatisches Auskunftsverfahren notwendige Transparenz schaffen und zu einer global fairen Besteuerung beitragen. Hierzu enthält der Entwurf entsprechende Regelungen. Ein unfairer Steuerwettbewerb liegt beispielsweise vor, wenn ein Staat steuerliche Regelungen anwendet, die – im Vergleich zum sonst üblicherweise geltenden Besteuerungsniveau in dem Hoheitsgebiet – zu einer deutlich niedrigeren Besteuerung beziehungsweise einer Nullbesteuerung führen und diese vorteilhaften Regelungen ausschließlich für Gebietsfremde gewährt werden. Dies bedeutet zugleich eine Diskriminierung der heimischen Wirtschaft.

Damit setzt der Gesetzgeber seine 2009 als Folge der Wirtschaftskrise gestarteten Gesetzesinitiativen fort, um das Steueraufkommen zu sichern, die Gewinnverlagerung in Steueroasen zu unterbinden und diese dadurch bildlich gesprochen auszutrocknen.

DB: Was ist die Konsequenz für hiesige Unternehmen?

Braun: Sofern ein Steuerpflichtiger weiterhin Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einer Steueroase unterhält, sieht der Entwurf verschiedene Abwehrmaßnahmen vor. Aufgrund der Gesetzeskonzeption sollen Doppelmaßnahmen vermieden werden, sodass für jeden Vorgang lediglich eine der Konsequenzen greifen kann.

Eine mögliche Konsequenz ist eine Verschärfung der Einkommensermittlung: Die gewinnmindernde Geltendmachung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten in Deutschland wird versagt, wenn die damit korrespondierenden Erträge beim Empfänger nicht ebenfalls in Deutschland steuerpflichtig sind. Außerdem entfällt für Dividenden und Veräußerungsgewinne mit Bezug zu diesen Steueroasen die – teilweise – Steuerbefreiung. Ergänzend zum Referentenentwurf wurde diese Verschärfung auch auf Bezüge von einer nahestehenden Person ausgedehnt, wenn diese von einer Körperschaft aus einer Steueroase Gelder erhält.

Außerdem verschärft der Entwurf die Hinzurechnungsbesteuerung bei einer Beteiligung im Sinne des § 7 Außensteuergesetzes an einer Kapitalgesellschaft mit Ansässigkeit in einer Steueroase. In diesen Fällen gilt die Gesellschaft mit sämtlichen Einkünften als Zwischengesellschaft mit der Folge der Durchbrechung der Abschirmungswirkung von Kapitalgesellschaften.

Demuth: Als weitere Maßnahmen sieht der Entwurf unter bestimmten Voraussetzungen die Erweiterung des Katalogs beschränkt steuerpflichtiger Einkünfte, zum Beispiel in Bezug auf Finanzierungsbeziehungen, vor. Ebenfalls ist eine Verschärfung der Quellensteuerregelung vorgesehen. Diese Konsequenzen greifen jedoch nur dann, wenn das Hoheitsgebiet als nicht kooperativ gilt und zusätzlich auf der jeweils aktuellen Fassung der sogenannten schwarzen Liste aufgeführt ist. Der Gesetzesentwurf sieht die Anwendbarkeit der Regelungen grundsätzlich ab dem 1. Januar 2022 vor.“

DB: Welche nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiete stehen derzeit denn auf der Liste?

Braun: Die sogenannte schwarze Liste der EU wird zweimal jährlich, zuletzt im Februar 2021, aktualisiert. Derzeit umfasst sie zwölf Länder und Gebiete: Amerikanisch-Samoa, Anguilla, Dominica, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, die Amerikanischen Jungferninseln, Vanuatu sowie die Seychellen.

DB: Inwiefern müssen betroffene Unternehmen ihre Dokumentation jetzt anpassen und erweitern? Wie hoch ist der Aufwand – auf im Hinblick auf eine etwaige Betriebsprüfung?

Demuth: Die bereits in der Abgabenordnung genannten Mitwirkungspflichten erachtet der Gesetzesentwurf als nicht ausreichend. Vielmehr fordert er eine detaillierte Darstellung und Dokumentation bestimmter Sachverhalte, wie etwa der Geschäftsbeziehungen, der Vertragsverhältnisse oder der gewählten Geschäftsstrategie.

Der Referentenentwurf sah einen Aufwand auf Seiten der Steuerpflichtigen in Höhe von 116 Euro je Geschäftsvorfall vor. In Anbetracht der geforderten Dokumentationen, einer zu empfehlenden Errichtung eines Tax-Compliance-Systems und den über die Abgabenordnung ermöglichten erheblichen finanziellen Zuschlägen bei Verletzung der Mitwirkungspflichten, dürfte der tatsächliche Aufwand jedoch weit über diesem Betrag liegen.

DB: Ist Ihrer Meinung nach mit der Umsetzung des Entwurfs mehr Steuergerechtigkeit zu erwarten?

Demuth: Mit Sicherheit sind die Maßnahmen isoliert betrachtet effektiv. Denn: Die bisherigen Praktiken werden steuerlich und finanziell uninteressant. Unter diesem Gesichtspunkt führt der Entwurf möglicherweise zu einer größeren Steuergerechtigkeit.

Gleichwohl ist zu beachten, dass die betroffenen Unternehmen mit einem erheblichen finanziellen und organisatorischen Mehraufwand belastet werden. Damit drohen Nachteile im internationalen Vergleich. Ich möchte betonen, dass dies nicht nur irgendwelche halbseidenen Unternehmen betrifft, sondern vor allem seriöse Reisekonzerne, die bereits durch die Corona-Krise schwer gelitten haben.

Im Ergebnis stellt sich die Frage, ob die Bekämpfung einiger weniger Krimineller es rechtfertigt, alle rechtschaffenen Unternehmen in die Gruppenhaft zu nehmen. Insgesamt ist eine klare Tendenz dahingehend zu erkennen, dass die Gesetzgebung nicht mehr auf die Allgemeinheit, sondern auf die Sonderfälle ausgerichtet wird. So wird ein Wust an Bürokratie und Lasten für alle geschaffen. Unsere hiesige Wirtschaft wird im Namen der Gerechtigkeit gelähmt und das nur, weil unser Staat keine anderen Wege findet, um Kriminellen zu begegnen. In Bürokratie sind wir eben Weltmeister, leider aber nicht bei Eigenverantwortlichkeit und Effizienz.

DB: Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.


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