Die Erhebung von Einkommensteuern kann sachlich unbillig sein, wenn die festgesetzte Steuer bei Einbezug tatsächlich abgeflossener, aber aufgrund von Ausgleichsbeschränkungen steuerlich nicht zu berücksichtigender Aktienverluste das jährlich steuerfrei zu belassende Existenzminimum übersteigt. Dies hat das Finanzgericht Köln mit seinem Urteil vom 26.04.2023 (5 K 1403/21) entschieden.
Darum ging es im Sachverhalt
Die Klägerin erlitt Verluste aus Stillhaltergeschäften. Wegen der Verlustausgleichsbeschränkung nach § 22 Nr. 3 Satz 3 und 4 EStG in der Fassung des Streitjahrs erfolgte in Höhe von rund 390.000 Euro keine Verrechnung mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten. Dies führte zu einem entsprechend höheren Gesamtbetrag der Einkünfte. Unter Berücksichtigung des für 2002 geltenden Grundfreibetrags von 7.235 Euro begehrte die Klägerin eine Minderung ihrer Gesamtsteuerbelastung.
Erfolg vor dem Finanzgericht
Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht folgte der Argumentation der Klägerin. Nach dem sogenannten subjektiven Nettoprinzip müsse der Staat einem Steuerpflichtigen von seinem Erworbenen so viel steuerfrei belassen, wie zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich sei (Existenzminimum). Der existenznotwendige Bedarf bilde von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer. Hinsichtlich der Freistellung des Existenzminimums sei keine Gesamtbetrachtung über mehrere Jahre vorzunehmen. Der für den Lebensunterhalt tatsächlich und unabweisbar benötigte Geldbetrag sei vielmehr in jedem Veranlagungsjahr von der Besteuerung auszunehmen.
Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Aktenzeichen IX R 18/23 beim Bundesfinanzhof geführt wird.