Eine Auszubildende wollte von ihrem Wohnort mit dem Motorrad zu ihrer ca. 18 km entfernten Ausbildungsstätte fahren, zuvor aber noch ihr Motorrad an einer in entgegengesetzter Richtung gelegenen Tankstelle betanken. Noch vor Erreichen der Tankstelle musste sie – die vorfahrtsberechtigte Hauptstraße befahrend – einem von rechts kommenden Pkw ausweichen. Sie stürzte, fiel auf das rechte Bein, erlitt eine Knie- und Unterschenkelprellung und war sie mehrere Wochen arbeitsunfähig.
BG lehnt Anerkennung als Arbeitsunfall ab
Nachdem die Berufsgenossenschaft als zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hatte und auch der Widerspruch der Klägerin erfolglos blieb, wandte sie sich an das Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Klägerin machte geltend, erst beim Anfahren festgestellt zu haben, dass der im Tank vorhandene Kraftstoff nicht ausreichen würde, um die Arbeitsstelle zu erreichen. Erstmals im Klageverfahren gab sie dazu an, sie habe nicht gewusst, dass ihr Bruder am Vorabend des Unfalls das Motorrad noch benutzt und so viel Kraftstoff verbraucht habe, dass dieser nicht mehr zur Fahrt zur Arbeitsstelle ausgereicht hätte. Die Notwendigkeit einer Betankung sei mithin für die Klägerin unvorhersehbar gewesen, sodass dies ausnahmsweise zu einer Einbeziehung in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung führe. Das Zurücklegen des Weges, „auch“ zur Tankstelle, sei eine Vorbereitungshandlung zum Erreichen der Arbeitsstätte.
Tanken ist rein privatwirtschaftliche Verrichtung
Das SG wies die Klage jedoch ab. Beim Tanken handele es sich um eine rein privatwirtschaftliche Verrichtung, die nicht unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung stehe. Denn der Unfall habe sich eben nicht auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit ereignet, sondern zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin in die entgegengesetzte Richtung fuhr. Außergewöhnliche Umstände, bei denen ausnahmsweise dennoch die Einbeziehung des Tankens in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gerechtfertigt sein könnte, lägen nicht vor, insbesondere sei das von der Klägerin vorgebrachte „Leerfahren“ des Motorrads durch den Bruder am Unfallvortag nicht als solcher Umstand zu qualifizieren.
Kein Erfolg vor dem LSG
Diese Entscheidung hat das LSG mit Urteil vom 26.09.2024 (L 10 U 3706/21) bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hatte, dass sie erst beim Anlassen des Motorrads die – aufgrund der Fahrt ihres Bruders – nicht mehr ausreichende Tankfüllung bemerkt habe, begründe einen außergewöhnlichen Umstand, der einem Benzindiebstahl vergleichbar sei, führte dies nicht zu einer anderen Entscheidung. Der entscheidende Senat hat dazu ausgeführt, es sei bereits nicht positiv festgestellt, dass die Tankfüllung nicht ausreichend gewesen sei. Aber auch dies unterstellt, liege es unter Risiko- und Einflusssphärengesichtspunkten allein bei dem Versicherten, etwaige Fahrzeugnutzungen, noch dazu innerhalb der Familie, in geeigneter Weise zu unterbinden. Es würde zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn der vorausschauende Versicherte regelmäßig nicht unter Versicherungsschutz stünde, wohingegen der nicht vorsorgende Versicherte in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen würde. Dies gelte umso mehr, wenn der angeführte (vermeintliche) Kraftstoffmangel wie hier gerade nicht auf einem (unvorhersehbaren) Diebstahl beruhe, sondern auf einer nicht unterbundenen Fahrzeugnutzung durch ein Familienmitglied oder die unterlassene Aufforderung, das Fahrzeug nach einer entsprechenden Nutzung nur aufgetankt wieder abzustellen.