Der Schaden, den die privaten Inhaber griechischer Schuldtitel im Jahr 2012 im Rahmen der Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden erlitten haben, ist nicht der EZB zuzurechnen, sondern den wirtschaftlichen Risiken, die regelmäßig mit Tätigkeiten im Finanzsektor einhergehen. Dies hat das erstinstanzliche Gericht der Europäischen Union (EuG) entschieden.
Mehr als 200 private Inhaber griechischer Schuldtitel (im Wesentlichen italienische Staatsbürger) beantragen beim Gericht der Europäischen Union, die EZB zu verurteilen, den Schaden zu ersetzen, der ihnen in Höhe von 12 Mio. Euro u. a. durch die Tauschvereinbarung vom 15.02.2012 und den Beschluss vom 05.03.2012 entstanden sei. Sie werfen der EZB vor, das berechtigte Vertrauen der privaten Inhaber von Schuldtiteln verletzt und gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung der privaten Gläubiger verstoßen zu haben.
Fragliche Vereinbarungen der EZB
In Anbetracht der Finanzkrise und der Gefahr eines Zahlungsausfalls Griechenlands hatten die EZB und die nationalen Zentralbanken (NZB) der Mitgliedstaaten der Eurozone (Eurosystem) am 15.02.2012 mit Griechenland vereinbart, die von der EZB und den NZB gehaltenen griechischen Schuldtitel gegen neue Titel mit gleichen Nominalwerten, Zinssätzen sowie Zins- und Rückzahlungsfälligkeiten, aber anderen Kennnummern und Daten auszutauschen. Ferner machte die EZB mit Beschluss vom 05.03.2012 bei griechischen Schuldtiteln, die nicht die Mindestanforderungen des Eurosystems an Bonitätsschwellenwerte erfüllten, die Verwendung als Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems von der Bereitstellung eines „Collateral Enhancement“ durch Griechenland zugunsten der NZB in Form eines Rückkaufprogramms abhängig.
Haftung der EZB ausgeschlossen
Mit seinem Urteil T-79/13 vom 07.10.2015 entscheidet das EuG, dass sich die privaten Investoren in einem Bereich wie dem der Geldpolitik, die Gegenstand einer ständigen Anpassung anhand der Veränderungen der wirtschaftlichen Lage ist, weder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen können. Nach Auffassung des Gerichts hätten die privaten Investoren die äußerst instabile wirtschaftliche Situation kennen müssen, die die Fluktuation des Werts der griechischen Titel bestimmte. Sie konnten daher das Risiko einer Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden in Anbetracht der insoweit innerhalb des Eurosystems und bei den anderen beteiligten Organisationen (Kommission, IMF und EZB) bestehenden unterschiedlichen Standpunkte nicht ausschließen. Der Schaden, den die Privatpersonen im vorliegenden Fall geltend machen, entspricht den wirtschaftlichen Risiken, die regelmäßig mit geschäftlichen Aktivitäten im Finanzsektor (Transaktionen mit handelbaren Staatsanleihen) verbunden sind; dies gilt umso mehr, wenn ein Staat – wie Griechenland ab Ende 2009 – ein verschlechtertes Rating aufweist. Im Ergebnis wies das Gericht die Klagen ab und schließt jede Haftung der EZB aus.
(EuG / Viola C. Didier)