Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied, dass ein im Ausland ansässiger Vermieter allein aufgrund der im Inland umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilie keine feste Niederlassung im Inland i.S.d. Mehrwertsteuersystemrichtlinie hat. Im entschiedenen Sachverhalt hatte der Vermieter kein eigenes Personal im Inland und der von ihm beauftragten Verwaltungsgesellschaft war es insbesondere nicht gestattet, über Abschluss von Mietverträgen oder Investitionsentscheidungen zu befinden; diese Entscheidungen traf der ausländische Vermieter selbst.
Das österreichische BFG hatte im Vorabentscheidungsersuchen gefragt, unter welchen Voraussetzungen eine feste Niederlassung in Österreich anzunehmen wäre: Ist stets eigenes Personal erforderlich? Welche Kompetenzanforderungen sind an im Inland beauftragte Dienstleister zu stellen? Ist dies kumulativ zu eigener technischer Ausstattung im Inland erforderlich? Der EuGH lässt eine abschließende Klarheit zu diesen Fragen vermissen, dürfte aber so zu verstehen sein, dass für eine feste Niederlassung (neben erforderlichen Sachmitteln) auch ein Personalbestand erforderlich ist (eigenes Personal oder Dienstleister), das befähigt ist, autonom zu handeln, insbesondere Verträge zu schließen. Irrelevant dürfte in diesem Zusammenhang sein, ob die konkrete Objektbewirtschaftung überhaupt einen (dauerhaften) personellen Bestand erfordert. In einer weiteren anhängigen Rechtssache „Berlin Chemie“ (C-333/20) hat der EuGH Gelegenheit, die Grundsätze für eine feste Niederlassung weiter zu präzisieren.
Das österreichische BFG folgte dem EuGH im fortgesetzten Verfahren und entschied, dass § 19 Abs. 1 öUStG unionsrechtskonform so auszulegen sei, dass nicht der in Jersey ansässige Vermieter Schuldner der Umsatzsteuer für die in Wien vermietete Immobilie sei, sondern die Steuerschuld auf die steuerpflichtigen Mieter übergehe (Urteil vom 28.06.2021 – RV/7103840/2015).
Deutsche Rechtsauffassung (bisher)
Die Rechtslage und Ansicht der deutschen Finanzverwaltung entspricht bisher dem ursprünglichen österreichischen Verständnis. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass fingiert die Ansässigkeit eines ausländischen Vermieters bereits aufgrund des im Inland liegenden Grundstücks (UStAE 13b.11 Abs. 2 Satz 2; 18.10 Abs. 1 Satz 4). Folge dieser Fiktion ist, dass bei umsatzsteuerpflichtiger Vermietung die Vermietungsumsätze beim ausländischen Vermieter zu besteuern sind. Die im Ausland ansässige Vermietungsgesellschaft wird mit eigener Steuernummer in Deutschland geführt und nimmt am Umsatzsteuerveranlagungsverfahren teil. Die für die Vermietung erhaltene Umsatzsteuer wird dem Finanzamt angemeldet und Vorsteuern aus Eingangsleistungen werden entsprechend geltend gemacht.
Folgen der EuGH-Entscheidung für das deutsche Recht
Die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung dürfte auf Grundlage der EuGH-Entscheidung ebenfalls europarechtswidrig sein.
Konsequente Folge wäre, dass bei ausländischen Vermietern das Vorliegen einer inländischen festen Niederlassung zu prüfen ist. Ist dies zu verneinen, wäre anstatt des Vermieters der Mieter im Reverse-Charge-Verfahren als Schuldner der Umsatzsteuer anzusehen (aufgrund der ertragsteuerlichen Bestrebungen, in diesen Strukturen gerade keine inländische Betriebsstätte zu begründen, dürfte das regelmäßig der Fall sein). Stellt der Vermieter dennoch Rechnungen mit Umsatzsteuer, steht dem Mieter ein Vorsteuerabzug aus diesen (fehlerhaften) Rechnungen nicht zu (§ 14c UStG, UStAE 13b.14 Abs. 1 Satz 5; das gilt jedenfalls seit 01.01.2020). Ungeachtet der fehlerhaften Rechnung schuldet der Mieter gleichwohl seinerseits die Umsatzsteuer.
Weitere Folge wäre, dass die im Ausland ansässigen Vermieter künftig die auf an sie für die Immobilie erbrachten Eingangsleistungen anfallende Vorsteuer (für CapEx-Maßnahmen etc.) grundsätzlich nicht mehr im Veranlagungsverfahren geltend machen könnten, sondern ihnen das Vergütungsverfahren beim BZSt zustünde (es gibt wenige Ausnahmefälle, in denen weiterhin das Veranlagungsverfahren in Betracht kommt). Hierbei wären die Antragsfristen und weiteren Voraussetzungen des Vergütungsverfahrens zu beachten, die sich vom bisherigen Veranlagungsverfahren unterscheiden (§§ 59-61a UStDV). Diese Umstellung würde nicht nur Steuerabteilungen / Steuerberater der Vermieter fordern, sondern würde vor allem zu einem kaum zu bewältigenden Mehraufwand beim BZSt führen.
Übergangsregelungen erforderlich
Wäre die Entscheidung für das deutsche Umsatzsteuerrecht – ohne weiteren Eingriff des Gesetzgebers – auch für die Vergangenheit anzuwenden, ginge damit ein volkswirtschaftlich sinnloser Mehraufwand für Vermieter, Mieter sowie die Finanzverwaltung einher.
Erinnert sei an die durch die BFH-Rechtsprechung 2013 zur Steuerschuldnerschaft bei Bauträgern ausgelösten umfangreichen „Regresskreisel“, die die Finanzämter noch heute beschäftigen.
Es bleibt insoweit der dringende Appell an die Finanzverwaltung bzw. den Gesetzgeber, die Entscheidung des EuGH abzufedern und – wenn überhaupt – nur im Rahmen einer auskömmlichen Übergangsregelung anzuwenden. Auch eine Abweichung von den Vorgaben der Mehrwersteuersystemrichtlinie wäre denkbar durch Schaffung einer gesetzlichen Ausnahme von der umgekehrten Steuerschuldnerschaft; dies wäre europarechtlich zulässig.