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29.10.2019

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Es wird komplizierter: bAV im Betriebsübergang – BAG schützt Versorgungsrechte übergehender Arbeitnehmer

Wird eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung geändert, sind Versorgungsberechtigte vor Eingriffen geschützt. Die Rechtsprechung prüft Eingriffe an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 22.10.2019 (3 AZR 429/18) festgestellt hat, gilt dies auch dann, wenn nach einem Betriebsübergang nicht mehr die Versorgungsordnung des Veräußerers Anwendung fände, sondern eine ungünstigere Versorgungsordnung des Erwerbers. Dem Kläger stand daher eine höhere Betriebsrente zu, weil für ihn auch nach einem Betriebsübergang weiterhin die günstigere Versorgungsordnung des Veräußerers galt. Die Richter sahen keine rechtfertigenden Gründe für einen Eingriff in die Versorgungsrechte des Klägers. Das BAG hat den Rechtsstreit an das LAG Niedersachsen zurückverwiesen, damit dieses die korrekte Höhe der Betriebsrente ermittelt.

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Mitglied der Praxisgruppe Pensions im Münchner Büro der internationalen Kanzlei Hogan Lovells

Kollision von Versorgungsordnungen im Betriebsübergang

Eine Ablösung der Versorgungsordnung des Veräußerers durch eine Versorgungsordnung des Erwerbers kann sich infolge eines Betriebsübergangs ergeben. Denn wenn beim Erwerber eine Betriebsvereinbarung gilt, kann diese nach einem Betriebsübergang auch für die übergehenden Arbeitnehmer Anwendung finden (§ 613 Abs. 1 Satz 3 BGB). Eine in einer Betriebsvereinbarung geregelte Versorgungsordnung beim Erwerber gilt daher auch für die übergehenden Arbeitnehmer und löst die bisherige Versorgungsordnung des Veräußerers ab. Die Ablösung könnte sich auch infolge des allgemeinen Konkurrenzverhältnisses zwischen lokaler Betriebsvereinbarung und Gesamtbetriebsvereinbarung ergeben. Eine lokale Betriebsvereinbarung des Veräußerers, die eine Versorgungsordnung zum Gegenstand hat, kann durch eine (höherrangige) Gesamtbetriebsvereinbarung des Erwerbers abgelöst werden. Auch auf diesem Weg könnte die bisherige Versorgungsordnung des Veräußerers abgelöst werden.

Besitzstandsschutz im Betriebsübergang

Im Fall eines Betriebsübergangs schützt die Rechtsprechung die Versorgungsberechtigten insoweit vor Eingriffen in ihre Versorgungsrechte, dass als Besitzstand durch die Versorgungsordnung des Erwerbers mindestens die Höhe der bereits zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs erdienten Anwartschaft gewährt werden muss. Eine Addition der Versorgungszusagen vor und nach dem Betriebsübergang hält das BAG aber nicht für erforderlich. Hatte ein Arbeitnehmer bis zum Betriebsübergang z.B. eine Anwartschaft von € 100 erworben und erhält er nach der Versorgungsordnung des Erwerbers € 120, dann ist nach dieser Rechtsprechung der Besitzstand gewahrt. Der Arbeitnehmer kann nicht fordern, eine Betriebsrente von € 220 zu erhalten. Wenn ihm jedoch nach der Versorgungsordnung des Erwerbers nur € 80 gewährt würden, müsste auf die bereits erworbenen € 100 aufgestockt werden. Der jüngsten Entscheidung folgend ist ein weiterer Besitzstandsschutz erforderlich nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Es stellt sich dann nicht nur die Frage, ob die vorstehend beispielhaft genannten € 100 erreicht werden. Vielmehr ist auch ein Vergleich mit fiktiven weiteren Anwartschaften aus der Versorgungsordnung des Veräußerers anzustellen. Hätte der Arbeitnehmer ohne den Betriebsübergang unter der Versorgungsordnung des Veräußerers im Versorgungsfall € 160 statt € 120 nach der Versorgungsordnung des Erwerbers erhalten, ist dieser Eingriff um € 40 an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu messen.

Drei-Stufen-Theorie des BAG

Das BAG hat diese Grundsätze für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften außerhalb von Betriebsübergängen durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert (sog. Drei-Stufen-Theorie). Danach sind den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe der Arbeitgeber gegenüberzustellen. Liegen solche Eingriffsgründe nicht vor, ist die Ablösung unwirksam und die Versorgungsordnung des Veräußerers gilt fort. Dies ist nun auch im Betriebsübergang zu beachten. Danach müssen die Gründe für einen Eingriff umso schwerwiegender sein, je tiefer in die Besitzstände eingegriffen wird. Die Rechtsprechung unterscheidet drei Besitzstandsstufen:

  • Der bereits in der Vergangenheit erdiente Teilbetrag kann nur in seltenen Ausnahmefällen bei Vorliegen zwingender Gründe entzogen werden.
  • Zuwächse, die sich dienstzeitunabhängig aus der zukünftigen Änderung von variablen Berechnungsfaktoren ergeben würden (wenn z.B. die Höhe der Versorgungsleistung vom Endgehalt bei Rentenbeginn abhängt), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden (z.B. drohende, langfristige Substanzgefährdung des Unternehmens, Umstrukturierungen).
  • Für Eingriffe in noch nicht erdiente, sondern erst durch weitere Dienstzeiten noch zu erwerbende Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe (z.B. wirtschaftlich ungünstige Entwicklung, Vereinheitlichung der Altersversorgung, Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes).

Der Schutz der Rechtsprechung erstreckt sich auf der dritten Stufe also auch auf das, was erst noch zukünftig erworben wird. Die Gerichte erkennen insoweit als möglichen Eingriffsgrund die Harmonisierung und Vereinheitlichung verschiedener Versorgungssysteme an (vgl. BAG vom 14.07.2015, 3 AZR 517/13, Rn. 62). Ob im Betriebsübergang, bei dem immer mindestens zwei Versorgungssysteme aufeinander treffen, allein ein solches Interesse an einer Harmonisierung und Vereinheitlichung ausreicht, um Eingriffe zu rechtfertigen, ist abzuwarten. Erschwerend kommt aber hinzu, dass allein eine Vereinheitlichung auf dem geringsten Niveau nicht anerkannt wird (vgl. BAG vom 02.09.2014, 3 AZR 951/12, Rn. 72). Eine Gleichbehandlung kann im Falle eines Betriebsübergangs auch nicht ohne weiteres als Eingriffsgrund dienen. Denn es ist anerkannt, dass nach einem Betriebsübergang die übergehenden Arbeitnehmer und das „Stammpersonal“ des Erwerbers unterschiedlich behandelt werden dürfen (vgl. BAG vom 19.01.2010, 3 ABR 19/08, Rn. 34).

Fazit: Bewertung im Einzelfall

Der Betriebsübergang ist ein Weg, auf dem das Niveau der betrieblichen Altersversorgung abgesenkt werden kann. Doch birgt der Vorbehalt einer (späteren) gerichtlichen Nachprüfung nach den Grundsätzen der Drei-Stufen-Theorie eine Rechtsunsicherheit in sich, da – wie das BAG in ständiger Rechtsprechung einräumt – die Frage, ob ein Eingriff durch Ablösung der bisherigen Versorgungsordnung wirksam ist oder nicht, oft nur für den Einzelfall und erst beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis festgestellt werden kann. Welche Rechtfertigungsgründe für einen Eingriff anerkannt werden, ist derzeit ebenso noch offen. Es bleibt also die Unsicherheit, ob durch eine Betriebsvereinbarung des Erwerbers tatsächlich eine wirksame Ablösung der Versorgungsordnung des Veräußerers erfolgt ist. Auf welche Konstellationen die aktuelle Entscheidung des BAG Auswirkung haben kann, lässt sich noch nicht abschließend feststellen. Denn schon im Ausgangspunkt kann für die Frage einer etwaigen Ablösung entscheidend sein, wie viele Betriebe vom Betriebsübergang betroffen sind und ob deren Identität gewahrt bleibt. Ebenso kann es darauf ankommen, ob Konzern-, Gesamt- oder lokale Betriebsvereinbarungen vorliegen. Wie letztlich auf die Entscheidung zu reagieren sein wird, lässt sich erst mit Kenntnis der Entscheidungsgründe sagen. Deren Veröffentlichung ist abzuwarten. Derzeit kann nicht viel mehr getan werden, als im Betriebsübergang die Ist-Situation im Unternehmen im Hinblick auf etwaige Eingriffsgründe zu dokumentieren und die zu erwartende Entwicklung in der betrieblichen Altersversorgung nach dem Betriebsübergang zu analysieren. 

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