Zahlreiche Unternehmen sind heute nicht mehr nur ausschließlich in Deutschland aktiv, sondern längst international aufgestellt. Umstrukturierungen mit Auslandsbezug spielen auch vor dem Hintergrund sich ändernder Geschäftsmodelle somit zunehmend eine größere Rolle. Welche Hindernisse in der Praxis auftauchen können, erklärt Christian Schiessl, Partner bei KPMG im Bereich International Tax anhand von ausgewählten Fällen auf der INTERNATIONAL TAX CONFERENCE in Berlin.
DB: Während nationale Umstrukturierungen bereits als Herausforderung gelten, gilt dies für internationale Umstrukturierungen umso mehr. Was sind die besonderen Anforderungen in steuerlicher Hinsicht?
Schiessl: „Insbesondere die Wechselwirkungen zwischen nationalen und ausländischen Rechtsvorschriften stellen Unternehmen und Berater oftmals vor größere Herausforderungen. Um diesen gerecht zu werden, ist eine tiefe Kenntnis des nationalen Rechts, aber auch ein großes Verständnis für die ausländischen steuerlichen Vorschriften erforderlich. Vor dem Hintergrund der sich stets weiter entwickelnden steuerlichen Rechtsordnungen sollte bereits im Zeitpunkt der Reorganisation versucht werden abzuschätzen, welche Auswirkungen zu erwartende Rechtsänderungen auf die gewählte Strukturierung haben könnten. Neben den ertragsteuerlichen Anforderungen ergeben sich für Verkehrssteuern, wie beispielsweise die Grunderwerbsteuer, oftmals zusätzliche Anforderungen, die in Einklang miteinander gebracht werden müssen. Des Weiteren muss bei internationalen Umstrukturierungen – sofern dabei verschiedene Konzernebenen involviert sind – auch das deutsche Außensteuerrecht beachtet werden.“
DB: Auf welche Schwierigkeiten kann der Steuerpflichtige bei internationalen Umstrukturierungen stoßen?
Schiessl: „Beispielsweise auf eine unterschiedliche Rechtstypenqualifikation eines ausländischen Rechtsträgers nach deutschem und ausländischem Steuerrecht, abweichende Anforderungen an steuerliche Voraussetzungen, wie beispielsweise den steuerlichen Teilbetriebsbegriff, oder nicht übereinstimmende steuerliche Rückwirkungszeiträume. Diese und viele weitere Punkte sind bei der Konzeption und der zeitlichen Umsetzung von Beginn an zu beachten.“
DB: Gibt es auch Stolperfallen in Bezug auf Wechselwirkungen zwischen nationalem Recht und den diversen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)?
Schiessl: „Viele Vorschriften des Umwandlungsrechts knüpfen daran an, dass das Besteuerungsrecht hinsichtlich des übertragenen Betriebsvermögens nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden darf. Also ist eine DBA-Analyse bei grenzüberschreitenden Reorganisationen zwingend erforderlich. Zusätzlich können sich wiederum über sogenannte „Treaty-Overrides“ weitere Wechselwirkungen ergeben, die im Inland und im Ausland analysiert werden sollten. Auch das MLI und dessen jeweilige nationale Umsetzung gilt es auf dem Radar zu haben.“
DB: Inländische und auslandsbezogene Umstrukturierungen sind normalerweise stets das Ergebnis betriebswirtschaftlicher Reorganisationsmaßnahmen. Dennoch konfrontiert die Finanzverwaltung zahlreiche Unternehmen mit dem Verdacht „steuergetriebener“ Umstrukturierungsvorgänge. Sollte deshalb ein Missbrauchstest gleich in die Planungsüberlegungen einbezogen werden?
Schiessl: „Eine Vielzahl von Vorschriften im deutschen Steuerrecht begünstigt Umstrukturierungen in inländischen und grenzüberschreitenden Fällen. Der Gesetzgeber hat bei diesen Vorschriften offensichtlich gezielt darauf verzichtet, diese unter den Vorbehalt einer betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit zu stellen, da dies doch einen sehr weiten Ermessenspielraum eröffnen würde. Dennoch achten wir bei Reorganisationen darauf zu dokumentieren, welche wirtschaftlichen Gründe für die jeweilige Maßnahme sprechen und nehmen diese in unseren Überlegungen zur Planung mit auf. Vor dem Hintergrund der 6. Änderungsrichtlinie (2018/822/EU) zur EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU (DAC6), welche eine Anzeigepflicht steuerlicher Gestaltung vorsieht, rückt zudem die Prüfung und Dokumentation von außersteuerlichen Gründen noch weiter in den Fokus.“
DB: Haben Sie einen Rat für betroffene Unternehmen zur Vorgehensweise bei grenzüberschreitenden Reorganisationen?
Schiessl: „Sicherlich sollte bei Umstrukturierungen insbesondere dann eine detaillierte Analyse erfolgen, wenn auf Ebene des übergehenden Vermögens ein deutsches Besteuerungsrecht besteht, geschaffen wird und/oder eine entsprechende Situation auf Gesellschafterebene gegeben ist – inklusive der Dokumentation der jeweiligen gemeinen Werte. Allerdings ist dies oftmals nicht der einzige deutsche steuerliche Anknüpfungspunkt. Beispielsweise fordert das Außensteuergesetz, Umwandlungen bei mittelbaren Beteiligungen Zwischengesellschaften aus deutscher steuerlicher Sicht im Detail zu analysieren und ggf. geeignete Nachweise zu erstellen. Bestenfalls erfolgt dies vor Umsetzung der Reorganisation, um bei Bedarf gestaltend tätig werden zu können.
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.
Mehr erfahren:
Mehr zum Thema erfahren Sie im Workshop „Praxisprobleme bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug“ mit Christian Schiessl und Jörg Eschtruth auf der INTERNATIONAL TAX CONFERENCE am 25.03.2019 in Berlin.