Sachverhalt und Entscheidung
§ 14 Abs. 1 KStG setzt – neben zahlreichen weiteren Bedingungen – voraus, dass die Unternehmen, die eine körperschaftsteuerliche Organschaft begründen möchten, einen Gewinnabführungsvertrag über eine Mindestvertragsdauer abschließen und diesen Vertrag während dieser Zeit auch durchführen. Im Fall des FG Schleswig-Holstein war ein Gewinnabführungsvertrag wie gefordert abgeschlossen worden. Im fünften Jahr der Mindestlaufzeit erwirtschaftete die (vermeintliche) Organgesellschaft (erstmals seit Abschluss des Gewinnabführungsvertrags) einen Verlust. Dieser wurde später tatsächlich ausgeglichen.
Es hatte sich allerdings ein Fehler eingeschlichen. Der Anspruch der Organgesellschaft auf Verlustübernahme (§ 266 Abs. 2 B. II. Nr. 2 HGB) war im Jahr der Verlustentstehung nicht bei der (vermeintlichen) Organgesellschaft verbucht worden. Aus diesem Grund versagte das Finanzamt der Organschaft die Anerkennung. Es liege ein Durchführungsmangel vor. Dieser sei noch innerhalb der Mindestlaufzeit von fünf Jahren aufgetreten, weshalb alle bisherigen Festsetzungen zu ändern seien („verunglückte Organschaft“).
Die Klage gegen diese Behandlung vor dem FG Schleswig-Holstein blieb ohne Erfolg. Auch die Kieler Richter betrachten den Gewinnabführungsvertrag schon mangels entsprechender Abbildung der resultierenden Ansprüche in der Buchführung der (vermeintlichen) Organgesellschaft als nicht durchgeführt. Es könne daher offenbleiben, ob die spätere Zahlung taugliche Erfüllungshandlung gewesen sei. Die Nichtbeanstandungsregel gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG erfasse nicht den Fall eines nicht verbuchten Verlustübernahmeanspruchs. Außerdem sei der nicht bilanzierte Verlustübernahmeanspruch keinesfalls ein vernachlässigbarer Fehler.
Bilanzielle Abbildung als Teil der Vertragsdurchführung?
Die Entscheidung bestätigt eine im Schrifttum vertretene Ansicht, wonach die ordnungsgemäße Durchführung des Gewinnabführungsvertrags eine korrekte bilanzielle Erfassung der mit dem Vertrag verbundenen Folgen verlangt (Krumm, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 14 KStG Rz. 138). Es wird also aus der Tatsache, dass in der Bilanz der Klägerin nicht die richtigen Folgen aus dem Gewinnabführungsvertrag gezogen wurden, auf die Nichtdurchführung des Vertrags geschlossen. Eine solche Schlussfolgerung ist sehr weitreichend. Im allgemeinen Sprachgebrauch würde man unter Vertragsdurchführung die Erfüllung der vertraglichen Leistungspflichten durch die Vertragspartner verstehen. Gleichbedeutend mit der korrekten bilanziellen Erfassung der jeweiligen Rechtsposition aus dem Vertrag ist das nicht. So ist etwa für die Frage der steuerlichen Anerkennung einer Treuhandvereinbarung die bilanzielle Behandlung des jeweiligen Wirtschaftsguts ein Indiz, und zwar sowohl für den Abschluss einer Treuhandabrede als auch für deren Durchführung (z.B. BFH vom 10.05.2016 – IX R 13/15, BFH/NV 2016 S. 1556). Das bedeutet allerdings, dass bei Treuhandverhältnissen der korrekte Bilanzausweis nicht Teil der Vertragsdurchführung ist. So wie dort Wirtschaftsgüter zugerechnet werden, wird hier das Organeinkommen zugerechnet.
Wieso man im Anwendungsbereich der Organschaft strenger verfahren sollte, mag nicht recht einleuchten. Das öffnet keineswegs der Beliebigkeit Tür und Tor. Denn dass das Durchführungsgebot verlangt, dass der „ganze Gewinn“ tatsächlich abgeführt wird, ist nicht zu bestreiten und wird auch hier nicht in Abrede gestellt. Das ist vorliegend auch geschehen, jedenfalls wurde von keiner Seite vorgebracht, dass die geleistete Zahlung nicht den vollständigen Verlust abdecke. Der Fehler erschöpft sich darin, dass die Bilanz der Organgesellschaft diesen Anspruch nicht ausweist.
Keine Notwendigkeit zur „Heilung“
Bei genauer Betrachtung kann man nicht einmal sagen, dass der Verlustübernahmeanspruch fehlerhaft ermittelt wurde. Wurde der Jahresfehlbetrag korrekt ermittelt, lässt sich unproblematisch ableiten, was der Organträger an Verlusten zu übernehmen hatte. Das hatte der seinerzeitige Steuerberater ja auch getan, ohne dass der Beklagte die Richtigkeit des gezahlten Betrags bestritten hätte. So gesehen ist dem FG darin zustimmen, dass kein Fall des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG vorliege.
Diese Vorschrift bewirkt nach ihrem Wortlaut die Fiktion der Durchführung des Gewinnabführungsvertrags, wenn eine Bilanz einen Fehler enthält, aufgrund dessen eine betragsmäßige Abweichung zum korrekten Gewinn/Verlust eintritt. Sie geht nämlich von einer zunächst erfolgten Gewinnabführung/Verlustübernahme (in fehlerbehaftetem Umfang) und einer späteren Abführung/Übernahme des Ergebnisses gemäß Korrektur aus. Einer entsprechenden „Heilung“ bedurfte es im Fall des FG Schleswig-Holstein schon nicht.
Normzweck gebietet kein strengeres Verständnis
Auch unter dem Gesichtspunkt des Normzwecks der Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft ergibt sich kein anderes Bild. Gewiss bringt das strenge Regime der §§ 14 ff. KStG die Kombination einer besonderen rechtlichen Stellung mit einer besonderen Rechtsfolge mit sich. Das Einstehenmüssen des Organträgers für die Verluste der Organgesellschaft darf freilich nicht dadurch unterlaufen werden, dass die vertraglichen Pflichten nicht eingehalten werden. Sonst entfällt der Grund für die ausnahmsweise Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips. Der Fall des FG Schleswig-Holstein bietet aber bei unvoreingenommener Betrachtung nicht den geringsten Anlass für die Annahme, dass sich der (vermeintliche) Organträger aus der Verantwortung hätte stehlen wollen: Über einen fehlenden Ausweis der auf seiner Seite bestehenden Verbindlichkeit gegenüber der (vermeintlichen) Organgesellschaft sagt der Sachverhalt dementsprechend auch nichts aus. Der damalige Steuerberater hatte in seinem Begleitschreiben explizit auf die Einstandspflicht hingewiesen. Der Ausgleich wurde in der Folge auch geleistet.
Restriktionen der Organschaft als „Gestaltungsmittel“?
Auch den Ausführungen des FG Schleswig-Holstein zur andernfalls eintretenden Gestaltungsanfälligkeit des Organschaftsrechts ist zu widersprechen. In diesem Zusammenhang sei, so das FG, zu bedenken, dass den Vertragspartnern die (zeitweilige) Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags durch bewusste Herbeiführung von Durchführungsmängeln auch als „Gestaltungsmittel“ zur Verfügung stehe, um die steuerliche Organschaft zur Erzielung steuerlicher Vorteile zu beenden oder zu unterbrechen. Die §§ 14 ff. KStG normieren bekanntlich eine Fülle von Voraussetzungen für die ertragsteuerliche Organschaft. Dass der Steuerpflichtige dann viele Möglichkeiten hat, die Organschaftsfolgen planvoll zu vermeiden, ist die Kehrseite umfangreicher Anforderungen. Wer das eine will, muss das andere hinnehmen. Wäre wirklich, wie es beim FG heißt, „bei der Beurteilung der Frage, ob ein EAV tatsächlich durchgeführt worden ist, kein kleinlicher Maßstab anzulegen“, dann müssten die Steuerpflichtigen sich auch an diesem milderen Maßstab messen lassen. Wer nur unwesentliche Beträge nicht abführen würde oder nicht übernähme, könnte sich dann auf ein Scheitern der Organschaft nicht berufen. Dass eine relevante Anzahl von Steuerpflichtigen dem Wegfall der Möglichkeit einer Flucht in die Nicht-Organschaft als „Gestaltungsmittel“ nachtrauern würde, ist zu bezweifeln.
Modalitäten hinreichender Erfüllungshandlungen
Ob die Zahlung im Jahr 2015 eine hinreichend zeitnahe Erfüllung der Verlustübernahmeverpflichtung darstellt, steht auf einem anderen Blatt. Wie – und wann genau – die Parteien des Gewinnabführungsvertrags ihren Leistungspflichten nachkommen müssen, wird sehr unterschiedlich beurteilt (siehe etwa Neumann, in: Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 14 Rz. 318 ff. m.w.N.). Auch wenn nicht zu ersehen ist, dass der Organträger nicht leisten wollte, wäre eine noch frühere Erfüllung naturgemäß noch besser gewesen.
Den Anschein zögerlicher Erfüllung erweckte der (vermeintliche) Organträger allerdings nicht. Für ausreichend wird überwiegend eine Novation der Verlustausgleichsforderung gehalten, wobei sich dann Fragen nach der Verzinslichkeit und der Sicherheitengestellung im Rahmen der Darlehensgewährung stellen. Es empfiehlt sich, in diesem Zusammenhang die Entwicklungen der Rechtsprechung zu den konzerninternen Darlehen zu beachten. Was nach dieser – wenn auch nicht zu Unrecht kritisierten – Rechtsprechung (BFH vom 27.02.2019 – I R 73/16, DB 2019 S. 1120; zur Kritik vgl. Kahlenberg/Kempelmann/Rieck, DB 2019 S. 1752) fremdunüblich ist, könnte die Organschaft gefährden und ist aus Vorsichtsgründen zu vermeiden. Wie weit diese Rechtsprechung auf rein innerstaatliche Fälle ausstrahlt, bleibt abzuwarten.
Fazit
Der Ausgang der Revision, die bereits beim BFH unter I R 37/19 anhängig ist, bleibt abzuwarten. Die generell sehr restriktive Rechtsprechung des I. Senats zu §§ 14 ff. KStG gibt Anlass, der Revisionsentscheidung mit eher gedämpftem Optimismus entgegenzusehen. Für die Praxis ist schon jetzt klar, dass der korrekten bilanziellen Abbildung von Gewinnabführungsverträgen größte Aufmerksamkeit zu schenken ist. Wer Jahresabschlüsse für Gesellschaften erstellt, die Organgesellschaft einer Organschaft i.S.d. § 14 KStG sein sollen, ist gut beraten, ein Kontrollsystem zu entwickeln, das Fehler wie den, der den vorliegenden Streit ins Rollen brachte, weitgehend ausschließt. Tätigkeiten im Umfeld ertragsteuerlicher Organschaften sind leider unverändert haftungsträchtig.