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08.03.2024

Interview

Erbschaftsteuer erneut vor dem Bundesverfassungsgericht

Derzeit ist ein spannendes Normenkontrollverfahren beim BVerfG (Az. 1 BvF 1/23) anhängig. Es geht um die Erhöhung der Freibeträge bei der Erbschaftsteuer. Das Land Bayern hat im Juni 2023 den entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht. Worum es genau geht und wer jetzt handeln sollte, erklärt StB Markus Schmitz, Partner bei Deloitte in München.

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StB Markus Schmitz

DB: Herr Schmitz, wieso muss sich das Bundesverfassungsgericht schon wieder mit der Erbschaftsteuer befassen?

Schmitz: Dies liegt an dem bayrischen Antrag auf ein Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht vom 16.06.2023, bei dem es vorrangig um die Vorschrift des § 16 ErbStG geht. In diesem Paragrafen sind die bundeseinheitlichen Freibeträge für Schenkungen und Erbschaften geregelt, die den Beschenkten oder Erben persönlich jeweils zustehen. Bayern sieht diese Beträge als zu gering an und lässt das Gesetz nun vom Bundesverfassungsgericht überprüfen.

DB: Die Freibeträge wurden seit 2008 nicht erhöht, während Inflation und Immobilienpreise durch die Decke gegangen sind. Stehen da die Chancen auf eine Anhebung nicht gut?

Schmitz: Nicht nur die Inflation und die realen Immobilienpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Ein zusätzlicher Grund für die Überprüfung der Freibeträge durch das Land Bayern könnte das Jahressteuergesetz 2022 gewesen sein. Seit 2023 gilt im Bewertungsgesetz nun ein geändertes steuerliches Wertermittlungsverfahren bei bebauten Grundstücken, Erbbaurechtsfällen und Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, die nach dem Ertrags- oder Sachwertverfahren ermittelt werden. Die Änderungen führen oft zu höheren Werten bei Grundbesitz und somit auch zu höheren Schenkungs- und Erbschaftsteuern. Ob es zu einer Erhöhung der persönlichen Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer kommt, würde ich aber persönlich nicht nur anhand von gestiegenen Grundbesitzwerten festmachen.

DB: Sondern woran noch?

Schmitz: Neben den persönlichen Freibeträgen gibt es darüber hinaus noch weitere Steuerbefreiungen, z.B. für das von der bayrischen Regierung angesprochene „Familienheim“ oder den 10%-Abschlag für vermietete Wohnimmobilien, bei denen ich mir persönlich eine Anpassung eher vorstellen kann.

DB: Bayern argumentiert, die Erbschaftsteuer stehe in voller Höhe den Ländern zu. Wie realistisch wäre eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer?

Schmitz: Die Aussage der bayrischen Staatsregierung stimmt in diesem Fall. Die Steuern aus der Erbschaftsteuer stehen als Landessteuer nach Art. 106 Abs. 2 des Grundgesetzes ausschließlich den Ländern zu. Eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer sehe ich persönlich als unwahrscheinlich an. In Deutschland wird aktuell eher an einem Bürokratieabbau gearbeitet. Regionale Unterschiede bei der Erbschaftsteuer würden diesem Ansatz wohl eher entgegenstehen. Außerdem würde man durch eine Regionalisierung zusätzlichen Steuerwettbewerb zwischen den Ländern herbeiführen. Daraus könnte ein Anreiz bei vielen Personen entstehen, nur aufgrund von steuerlichen Vorteilen Vermögen oder den eigenen Wohnsitz im hohen Alter nochmal zu verlegen.

DB: Wie sieht denn Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Lage?

Schmitz: Herr Lindner fordert eine mehrheitliche Initiative aller Länder, wenn es um die Frage von Einnahmen aus der Erbschaftsteuer geht, die zwar durch Bundesgesetz geregelt ist, aber allein den Ländern zustehen. Zudem hat er der bayrischen Regierung ein Wahlkampfmanöver vorgeworfen.

DB: Wann ist mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen und was denken Sie, wie diese Entscheidung ausfallen wird?

Schmitz: Da die Dauer eines Verfahrens nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, ist es schwer abzuschätzen, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Schaut man auf das aktuelle Urteil zum Bundeswahlgesetz 2020, hat die Entscheidung hier jedoch 2,5 Jahre gedauert. Ich persönlich glaube nicht, dass man wegen gestiegener Immobilienpreise oder geänderten Wertermittlungsverfahren für Grundbesitz die allgemeinen persönlichen Freibeträge für Schenkungen und Erbschaften nach oben korrigieren wird. Diese Freibeträge gelten ja nicht nur für das Grundvermögen, sondern auch für alle anderen Arten von Vermögen. Zudem gibt es Statistiken, dass nur etwa 5% der Bevölkerung eine Erbschaft erhalten, die nicht vollständig von den geltenden Freibeträgen abgedeckt ist.

DB: Das heißt, es sind gar nicht so viele potenzielle Erben von dem Normenkontrollverfahren betroffen. Gibt es dennoch etwas bei derzeitigen Steuerfestsetzungen zu beachten?

Schmitz: Von dem Normenkontrollverfahren sind aktuell die Personen potenziell betroffen, die Schenkungen oder Erbschaften mit einem mittleren sechsstelligen Betrag in der näheren Zukunft erwarten oder durchführen möchten. Für bereits bestandskräftig festgesetzte Erbschaft- oder Schenkungsteuern mit den jetzt noch gültigen Freibeträgen dürfte auch bei einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Änderung mehr möglich sein. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit zudem regelmäßig eine Fortgeltung des Gesetzes angeordnet und dem Gesetzgeber eine Frist zur gesetzeskonformen Neuregelung gesetzt, jedoch nicht rückwirkend das Gesetz für unanwendbar erklärt. Hofft man dennoch auf eine rückwirkende Verfassungswidrigkeit, müsste man Steuerbescheide unter Verweis auf das laufende Verfahren durch Einspruch offenhalten.

DB: Vielen Dank für das Interview!

Zum Interviewpartner:

Markus Schmitz ist Steuerberater und Partner bei Deloitte in München. Er betreut national und international tätige Familienunternehmen und deren Gesellschafter sowie vermögende Privatpersonen und Family Offices. Sein Beratungsschwerpunkt liegt in den Bereichen Umstrukturierungen, Unternehmensnachfolge und Vermögensnachfolge, Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der steuerlichen Unternehmens- und Grundstücksbewertung.

 


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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