Wie der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt entschieden hat, können auch unbekannte Erben zur Erbschaftsteuer herangezogen werden – zumindest dann, wenn ausreichend Zeit bestand, die wahren Erben zu ermitteln, dies aber nicht gelungen ist.
Im Streitfall war die Erbengemeinschaft nach dem im Februar 2014 verstorbenen Erblasser zunächst nicht ermittelbar. Es erfolgte die Bestellung eines Nachlasspflegers. Dieser gab eine Erbschaftsteuererklärung ab. Ca. 14 Monate nach dem Tod des Erblassers setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer gegen „unbekannte Erben“ fest. Es schätzte, dass 20 Personen, die nicht näher mit dem Erblasser verwandt waren und deshalb in die Steuerklasse III fielen, den Erblasser zu gleichen Teilen beerbt hätten. Der Bescheid ging an den Nachlasspfleger.
Finanzamt schätzt Zahl der Erben
Der Nachlasspfleger legte dagegen in Vertretung der unbekannten Erben Einspruch ein und monierte, dass er nicht ausreichend Zeit gehabt hätte, die Erben zu ermitteln. Das Finanzamt könne nicht einfach schätzen, wie viele Erben etwas geerbt hätten und wie hoch die Freibeträge seien. Daraufhin änderte das Finanzamt die Anzahl der Erwerber auf 30 Erben ab. Ansonsten hielt es die Erbschaftsteuerfestsetzung unverändert aufrecht.
BFH: Schätzen bei der Erbschaftsteuer erlaubt
Der BFH gab der Finanzbehörde mit Urteil vom 17.06.2020 (VIII R 3/17) Recht. Sind die Erben noch nicht bekannt und ist eine Nachlasspflegschaft angeordnet, kann Erbschaftsteuer gegen die „unbekannten Erben“ festgesetzt werden. Bei diesen handelt es sich zunächst um ein abstraktes Subjekt, das sich später als eine oder mehrere reale Personen herausstellen kann. Somit ist ein Schuldner für die Erbschaftsteuer vorhanden. Das Finanzamt kann sich an den bestellten Nachlasspfleger wenden, der für die unbekannten Erben eine Erbschafsteuererklärung abzugeben hat.
Das Finanzamt darf dann die Anzahl der Erben, die Erbquoten, die Zugehörigkeit zu einer Steuerklasse und die anwendbaren Freibeträge schätzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Nachlasspfleger nach dem Erbfall ausreichend Zeit hatte, zunächst die Erben zu ermitteln. Wieviel Zeit ihm dafür einzuräumen ist, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Im Allgemeinen gilt die Faustregel, dass ein Jahr ausreichend ist.
BFH prüft nur grobe Fehler
Ruft der Nachlasspfleger das Finanzgericht an, dann muss dieses die Schätzung des Finanzamts voll überprüfen. Können die zunächst unbekannten Erben bis zum Schluss des Gerichtsverfahrens ermittelt werden, darf die Erbschafsteuer aber nicht mehr gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden. Werden die Erben auch im Verfahren vor dem Finanzgericht nicht ermittelt, kann das Gericht die Erbschaftsteuerschätzung gegen die unbekannten Erben aufrechterhalten und als seine eigene übernehmen. Der BFH ist in solchen Fällen dann ebenfalls an die Schätzung gebunden und kann sie nur auf grobe Fehler überprüfen.
(BFH, PM vom 15.10.2020 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)