Nach § 7 Entgelttransparenzgesetz darf in Übereinstimmung mit den europarechtlichen Vorgaben für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des oder der Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Und § 3 verbietet umgekehrt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen.
Dass die Klägerin ein geringeres Gehalt hatte als ihr Kollege, war offensichtlich. Zu klären war, ob diese Benachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfolgte. Hierzu half der Klägerin die Beweislastregelung in § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Wenn im Streitfall die Arbeitnehmerin Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, so kehrt sich die Beweislast um. Die unterschiedliche Bezahlung im konkreten Fall führte dazu, dass der Arbeitgeber den Beweis hätte erbringen müssen, dass die Entgeltdifferenz gerade nicht auf dem Geschlecht beruht. Das ist dem Arbeitgeber im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gelungen, wie das BAG ausdrücklich feststellt. Das Urteil ist also ausschließlich eine Einzelfallentscheidung aufgrund der Beweislastregelung und stellt keinerlei neue Rechtsgrundsätze auf, kein Paukenschlag, kein Untergang des Abendlandes, wie bisweilen verkündet.
Die Argumente des Arbeitgebers, um die geschlechtsbezogene Benachteiligung zu widerlegen, ließ das Gericht nicht gelten. Den Verweis auf die Vertragsfreiheit widerlegt das BAG überzeugend. Wenn die individuelle Vereinbarung mit einem männlichen Arbeitnehmer über ein höheres Gehalt zur Vermutung der Benachteiligung führt, dann kann nicht die gleiche Tatsache – individuelle Vereinbarung – zur Widerlegung dieser Vermutung führen. Dem ist nichts hinzuzufügen! Auch das Argument, für weniger Geld hätte die Stelle nicht besetzt werden können, verfing nicht. Zwar können arbeitsmarktbezogene Gesichtspunkte geeignet sein, eine unterschiedliche Bezahlung zu rechtfertigen. Allerdings war hier der Vortrag des Arbeitgebers offensichtlich zu „dünn“. Und seine Berufung auf die bessere Qualifikation des männlichen Bewerbers, ebenfalls dem Grunde nach ein geeignetes Differenzierungskriterium, hatte der Arbeitgeber zu spät im Verfahren eingebracht. Weitere Gesichtspunkte, die zwar in diesem Verfahren keine Rolle spielten, aber grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können, sind das Dienstalter sowie Leistung und Kompetenz. Gerade dabei wird aber ein pauschaler Verweis nicht ausreichen. Die Gerichte erwarten eine ausführliche und detaillierte Darlegung der Gründe. Die eigentliche Lehre aus der Entscheidung des BAG für die Arbeitgeber liegt deshalb auch darin, Personalentscheidungen und deren Umstände sauber und umfassend zu dokumentieren, natürlich unter Berücksichtigung der Anforderungen an die geschlechtsneutrale Bezahlung. Hätte sich der Arbeitgeber in dem entschiedenen Fall daran gehalten, dann hätte er möglicherweise den Gegenbeweis erbringen können.
Wenn es nach der Europäischen Union geht, dürfte ein solcher Fall ohnehin bald nicht mehr vorkommen. Die Anfang Juni in Kraft getretene „Pay Transparency Directive“, die innerhalb von drei Jahren in nationales Recht umzusetzen ist, bringt eine Vielzahl neuer Verpflichtungen zur Entgelttransparenz. So werden Arbeitgeber in Zukunft verpflichtet sein, bei der Stellenausschreibung oder spätestens zum Beginn des Vorstellungsgesprächs das vorgesehene Gehalt oder die Gehaltsspanne bekanntzugeben. Hätte der Arbeitgeber in unserem Fall eine Spanne von 3.500 bis 4.500 Euro angegeben, dann wäre das unterschiedliche Verhandlungsgeschick wahrscheinlich nicht als geschlechtsbezogene Benachteiligung zu bewerten.
Hintergrund der EU-Transparenzrichtlinie ist die Erkenntnis, dass fehlende Transparenz über die Entgeltsysteme und Entgelte eine wesentliche Ursache für das Gender Pay Gap ist. Daher wird den Mitgliedsstaaten auch aufgegeben, vertragliche Regelungen zu verhindern, mithilfe derer der Austausch zwischen den Beschäftigten über ihr Gehalt verhindert werden soll. Geheimhaltungsverpflichtungen zum eigenen Gehalt werden bald der Vergangenheit angehören. Und eine weitere Unart mancher Arbeitgeber wird mit der Richtlinie begraben. Die Frage nach dem bisherigen Entgelt wird nicht mehr zulässig sein. Das ist zu begrüßen. Die Bezahlung sollte nach stellenbezogenen Merkmalen erfolgen, nicht danach, wie gut oder schlecht beim letzten Arbeitgeber bezahlt wurde.
Das bereinigte Gender Pay Gap beträgt in Deutschland immer noch 6%. Die Ursachen für dieses Gap lassen sich nicht genauer ermitteln. Die hier besprochene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die einen speziellen Einzelfall betraf, leistet einen Beitrag zur Schließung der Entgeltlücke ebenso wie die EU-Transparenzrichtlinie. Arbeitgeber sollten ihre Entgeltsysteme auf Geschlechtsneutralität untersuchen und Personalentscheidungen, auch was die Entgeltfestsetzung betrifft, sauber dokumentieren.