I. Einleitung
Das Regime ist gekennzeichnet von zahlreichen praktischen Problemen und rechtlichen Unsicherheiten in der Anwendung. So müssen die Einkünfte auf Stiftungsebene nach deutschem Steuerrecht ermittelt werden. Die Ermittlung des Anteils der Zurechnung ist – da meist keine prozentuale Berechtigung der Begünstigten auf Zuwendungen durch die Stiftung geregelt ist – unklar. Jährlich ist eine sogenannte Feststellungserklärung abzugeben, selbst wenn eine Zurechnung im Ergebnis unterbleibt.
Erleichterung versprach bislang der sog. Entlastungsnachweis, wonach eine Zurechnung unterblieb, wenn insbesondere Stifter und Begünstigten die Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen tatsächlich entzogen war (§ 15 Abs. 6 AStG). Dies, zumal der BFH erst kürzlich den Anwendungsbereich dieser Klausel spürbar erweitert hatte, insbesondere auf Stiftungen und Trusts über den EU/EWR-Raum hinaus (BFH vom 03.12.2024 – IX R 31/22 u.a., vgl. Steger, DB-Steuerboard vom 21.05.2025, DB1475504)
Nunmehr plant die Bundesregierung eine Neufassung der Norm. Mit BMF-Schreiben vom 18.11.2025 hat das BMF einen Entwurf hierfür veröffentlicht und zahlreichen Verbänden und der interessierten Fachöffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme bis Mitte Januar 2026 gegeben.
Wesentliche Eckpunkte des Entwurfs sind:
- Einführung einer Niedrigsteuergrenze von 15%.
- Neufassung des Entlastungsnachweises: statt der Entziehung der Verfügungsmacht soll es künftig darauf ankommen, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass „keine künstliche Gestaltung“ vorliegt.
- Verschärfung der mehrstufigen Zurechnung bei von der Stiftung gehaltenen Gesellschaftsanteilen (insb. insoweit ausdrücklicher Ausschluss einer Entlastungsmöglichkeit).
Auffällig ist, dass der vorliegende Gesetzesentwurf anscheinend bereits im Rahmen des Mindeststeueranpassungsgesetzes verabschiedet werden sollte. In der Begründung findet sich insoweit ein Hinweis auf die (ursprünglich geplante) Aufhebung der sogenannten erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung (§ 13 AStG). Die Gesetzesänderung scheint also schon bereits seit längerem geplant gewesen.
Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Eckpunkte sowie erste Einschätzungen zu Auswirkungen auf die Praxis.
II. Vorgeschlagene Änderungen im Detail
1. Niedrigsteuergrenze von 15%
Während die Zurechnungsbesteuerung in der aktuellen Fassung sämtliche Einkünfte erfasst, sieht die Entwurfsfassung (nur) eine Zurechnung für die Einkünfte vor, die – auf Ebene der Stiftung – einer niedrigen Besteuerung, d.h. einer Belastung durch Ertragsteuern von weniger als 15%, unterliegen.
Der Gesetzesentwurf unterscheidet hierbei nicht, wie im Bereich der auf Gesellschaftsbeteiligungen anwendbaren Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG), zwischen aktiven und passiven Einkünften. Mithin werden auch aktive Einkünfte (bspw. Veräußerungsgewinne und Dividenden aus Kapitalgesellschaftsanteilen) zugerechnet, wenn diese niedrig besteuert werden. Da der Entwurf ausdrücklich eine Angleichung an die Hinzurechnungsbesteuerung anstrebt, ist er in diesem Punkt somit inkonsequent.
Offen ist, ob hinsichtlich der vorgesehen Niedrigsteuergrenze eine Segmentierung hinsichtlich unterschiedlicher Einkünfte vorzunehmen ist, z.B. wenn Einkünfte aus Kapitalvermögen und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer unterschiedlichen Besteuerung unterliegen.
2. Zuzurechnender Anteil
Der den Zurechnungsempfängern zuzurechnende Anteil an den niedrig besteuerten Einkünften der ausländischen Familienstiftung wird gesetzlich definiert.
Dabei soll nunmehr bei der vorrangigen Zurechnung an den inländischen Stifter der gemeine Wert des jeweils übertragenen Vermögens, bei der nachrangigen Zurechnung an die inländischen Bezugs- und Anfallsberechtigten der gemeine Wert der jeweiligen Berechtigung maßgebend sein.
Es enttäuscht, dass die Finanzverwaltung an dieser Stelle – auch in der Begründung – keine Stellung nimmt zu den in der Praxis besonders häufig anzutreffenden diskretionären Strukturen. Sowohl bei Stiftungen als auch bei den im angelsächsischen Raum weitverbreiteten Trusts findet sich regelmäßig keine quantifizierbare „Berechtigung“ der einzelnen Bezugsberechtigten. Vielmehr hat dort der Stiftungsvorstand bzw. Trustee weitgehend freie Hand, wann, an wen und wie viel (innerhalb des Begünstigtenkreises) ausgeschüttet werden soll. Besonders schwierig gestaltet sich eine sinnvolle Bestimmung einer Zurechnungsquote in diesen Fällen insbesondere dann, wenn es in den vergangenen Jahren zu keinen oder nur unregelmäßigen Zuwendungen gekommen ist. Insoweit wären im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens entsprechende Erläuterungen für die Rechtsanwender hilfreich.
3. Definition der ausländischen Familienstiftung
Eine Familienstiftung i.S.d. § 15 Abs. 2 AStG ist gegeben, wenn die Stifter, ihre Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind. Diese Definition soll durch den Gesetzesentwurf klarer gefasst werden. Der relevante „Familienkreis“ umfasst zukünftig auch sog. nahestehende Personen. Das zielt wohl insbesondere auf Strukturen, in denen Kapitalgesellschaften entweder als Stifter oder als Begünstigte „zwischengeschaltet“ werden – anders als die Finanzverwaltung möglicherweise vermutet, sind solche Konstrukte in der Praxis allerdings selten, da sie in der laufenden Besteuerung zu Nachteilen führen können.
4. Entlastungsnachweis
Im Rahmen der aktuellen Regelungen ist die Zurechnungsbesteuerung für Familienstiftungen (oder Trusts) mit Geschäftsleitung oder Sitz innerhalb der EU/EWR nicht anzuwenden, wenn insbesondere nachgewiesen wird, dass das Stiftungsvermögen der Verfügungsmacht der Familienmitglieder rechtlich und tatsächlich entzogen ist.
Historisch geht die Regelungen zurück auf die Europäische Kommission, welche im Jahr 2007 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und die Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Behandlung inländischer und ausländischer Stiftungen mit dem freien Kapitalverkehr (Art. 56 EGV, nunmehr Art. 63 AEUV) und der Freizügigkeit (Art. 18 EGV, nunmehr Art. 21 AEUV) gerügt hatte. In der Folge führte der deutsche Gesetzgeber daraufhin mit dem Jahressteuergesetz 2009 den jetzigen § 15 Abs. 6 AStG als Entlastungsnachweis ein, um den europarechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Da die Kapitalverkehrsfreiheit auch gegenüber Drittstaaten gilt, hat sich zuletzt auch der BFH der Auffassung angeschlossen, dass der Entlastungsnachweis auch für Familienstiftungen in Drittstaaten möglich sein muss (vgl. BFH, Urteil vom 03.12.2024 – IX R 32/22, DB 2025 S. 1184 = DB1474531). Die Neuregelung vollzieht diese Rechtsprechung nach und weitet den Anwendungsbereich des neuen Entlastungsnachweises nun auch im Wortlaut auf Drittstaaten aus.
Allerdings soll es zukünftig nicht mehr darauf ankommen, ob Stiftern oder Begünstigten die Verfügungsmacht am Stiftungsvermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist. Vielmehr soll eine Entlastung künftig den Nachweis erfordern, dass die Einschaltung der ausländischen Familienstiftung nicht auf einer „künstlichen Gestaltung“ beruht.
Gänzlich offen bleibt hierbei aber, was unter einer künstlichen Gestaltung zu verstehen sein soll. Die Begründung des Entwurfs verweist diesbezüglich lediglich auf die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH und insbesondere die Vorgaben aus dem Urteil des EuGH vom 26.02.2019 – C-135/17, Rechtssache X. Konkrete Kriterien lassen sich dieser Entscheidung allerdings nur schwerlich entnehmen. Der Rückgriff auf die genannte Entscheidung ermöglicht u.E. immerhin eine Einschränkung dahingehend, dass eine „künstliche Gestaltung“ insbesondere Vorkehrungen umfassen solle,
„bei der das Hauptziel oder eines der Hauptziele darin besteht, durch Tätigkeiten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erzielte Gewinne künstlich in Drittländer mit niedrigem Besteuerungsniveau zu transferieren“ (Rz. 84, Rs. X).
Auch die Frage des Zeitpunkts bleibt offen. Soll es nur auf den Zeitpunkt der Stiftungserrichtung ankommen, oder kann eine ausländische Stiftung künftig in eine „künstliche Gestaltung“ hineinwachsen oder umgekehrt? Da der Gesetzesentwurf für die Prüfung des Vorliegens einer künstlichen Gestaltung auf den Zeitpunkt der „Einschaltung der ausländischen Familienstiftung“ abstellt, spricht vieles für den Errichtungszeitpunkt.
Bei einer konsequenten Auslegung wären damit angelsächsische Trust-Strukturen dem Anwendungsbereich der Zurechnungsbesteuerung weitestgehend entzogen, da es sich hierbei in der Praxis überwiegend um etablierte Strukturen der Vermögensnachfolge und Asset Protection handelt.
An dieser Stelle bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber dieser unbestimmten Rechtslage weiter abhilft, in dem er zumindest in der Gesetzesbegründung konkretisiert, was er unter einer künstlichen Gestaltung im vorliegenden Kontext überhaupt versteht.
5. Ausschluss des Entlastungsnachweis für mehrstufige Strukturen
Im Fall einer nachgeschalteten ausländischen Gesellschaft oder Stiftung bleibt das Konzept der mehrstufigen Zurechnung grundsätzlich bestehen (bisher geregelt in § 15 Abs. 9 und 10 AStG), wird jedoch in einzelnen Aspekten angepasst. Besonders ins Gewicht fällt, dass der Entlastungsbeweis hinsichtlich der zugerechneten Einkünfte von nachgelagerten Gesellschaften und Stiftungen ausdrücklich ausgeschlossen werden soll (§ 15 Abs. 3 Satz 3 AStG-E). Damit würde eine Stiftung (oder ein Trust), die für sich genommen keine „künstliche Gestaltung“ darstellen, dennoch zum Scharnier für die Zurechnung von passiven Einkünften nachgelagerter Kapitalgesellschaften. Das kann in der Praxis zu nahezu unlösbaren Problemen führen, weil in Deutschland ansässige Begünstigte oft nicht einmal wissen (können), welche Beteiligungen eine Stiftung oder ein Trust im Einzelnen hält und wie deren Einkünfte (ermittelt nach deutschem Steuerrecht!) aussehen. Entsprechende Auskunftsrechte bestehen typischerweise – wenn überhaupt – nur für die Ebene der Stiftung oder des Trusts, nicht aber für nachgelagerte Strukturen.
Die Entwurfsfassung entspricht in diesem Punkt der bereits zum jetzigen Recht höchstumstrittenen Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Rz. 852 AEAStG). Nach der Begründung des Diskussionsentwurfs handele es sich bei der geplanten Einschränkung des Entlastungsbeweises daher lediglich um eine Klarstellung. Dem ist ausdrücklich zu widersprechen: Die Finanzverwaltungsauffassung steht in eindeutigem Wiederspruch zum derzeitigen Wortlaut („ist Abs. 1 nicht anzuwenden“) und zum Willen des Gesetzgebers. In der ursprünglich von der Bundesregierung im Jahressteuergesetz 2013 vorgeschlagenen Fassung des § 15 Abs. 6 war ein Satz 2 vorgesehen, welcher regelte, dass § 15 Abs. 6 AStG nicht gelten solle für die der ausländischen Stiftung nach § 15 Abs. 9 AStG zuzurechnenden Beträge. Hiervon wäre das obige Verständnis der Finanzverwaltung vom Gesetzeswortlaut gedeckt gewesen. Im damaligen Finanzausschuss sind sodann aber europarechtliche Bedenken an dieser Einschränkung vorgebracht worden. Der Finanzausschuss empfahl daher eine Streichung des Satz 2,
„sodass eine Zurechnung von Einkünften nach den neu eingefügten Absätzen 9 und 10 bei Stiftungen mit Sitz und Geschäftsleitung in der EU/EWR ebenfalls nur in Betracht kommt, wenn die vorgesehenen Nachweise zur Existenz einer echten Stiftung nicht erbracht werden (§ 15 Absatz 6 AStG)“.
In die finale Gesetzesfassung fand daraufhin der ursprüngliche Vorschlag für einen neuen § 15 Abs. 6 Satz 2 AStG keinen Eingang. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht sich also erneut europarechtlichen Zweifeln ausgesetzt.
Zwar soll auch nach dem neuen Entwurf auf nachgelagerten Ebenen der Substanznachweis für EU/EWR-Gesellschaften möglich sein (§ 8 Abs. 2 AStG). Ob dadurch den grundsätzlichen europarechtlichen Bedenken Rechnung getragen werden kann, ist allerdings zweifelhaft. Im Kern führt auch die geplante Neuregelung dazu, dass ein unbeschränkt steuerpflichtiger Stifter oder Begünstigter einer ausländischen Familienstiftung im Vergleich zu dem einer inländischen Familienstiftung schlechter gestellt ist. Bei einer inländischen Familienstiftung kommt es gerade nicht zu einer dry-income Besteuerung aufgrund einer Zuflussfiktion, ohne dass dieser tatsächlichen Ausschüttungen gegenüberstehen. Hierzu ist ergänzend anzumerken, dass Stifter und Begünstigte einer ausländischen Familienstiftung regelmäßig – im Vergleich mit dem Gesellschafter einer ausländischen Gesellschaft – überhaupt keine Möglichkeit haben, Zuwendungen an sie herbeizuführen. Sollten die Begünstigten darüber hinaus keine quantifizierbare „Berechtigung“ am Vermögen der ausländischen Familienstiftung haben, sondern Zuwendungen vollständig diskretionär erfolgen, stehen Betroffene in der Praxis vor der Herausforderung notwendige Liquidität aus anderen Quellen beschaffen zu müssen.
III. Fazit
Eine Reform der Zurechnungsbesteuerung und eine Annäherung an die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung ist grundsätzlich zu begrüßen. Herausfordernd ist und bleibt die europarechtskonforme Ausgestaltung. Die jüngste Rechtsprechung des BFH zur Ausweitung des Entlastungsnachweis auf Drittstaaten zeigt hierbei erneut Grenzen auf. Die anstehende Reform sollte vor diesem Hintergrund nicht genutzt werden, um „alten Wein in neuen Schläuchen“ zu servieren. Zu nennen ist hierbei insbesondere der geplante Ausschluss des Entlastungsnachweis für mehrstufige Strukturen.
Für die Praxis dürfte der Reformentwurf in seiner jetzigen Form etwas Licht und viel Schatten bereithalten. An der grundsätzlichen Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Zurechnungsquote in diskretionären Strukturen dürfte sich nichts ändern. Die Neufassung des Entlastungsnachweises zeichnet ein gemischtes Bild: Für zuziehende Begünstigte ausländischer Trust-Strukturen, die typischerweise Teil der dortigen Nachlassplanung sind, sollte der Nachweis regelmäßig möglich sein, dass keine „künstliche Gestaltung“ vorliegt. Schwerer vorherzusagen ist der Umgang mit Strukturen deutscher Herkunft, insbesondere bei der Errichtung ausländischer (v.a. liechtensteinischer) Stiftungen durch deutsche Steuerpflichtige. Zwar sind solche Strukturen regelmäßig durch außersteuerliche Gründe – beispielsweise das flexiblere Stiftungszivilrecht, die fehlende Aufsicht und die im Gegensatz zu deutschen Stiftungen bestehende Mobilität – motiviert. Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass es künftig häufiger mit der Finanzverwaltung zu Diskussionen über den unbestimmten Rechtsbegriff der „künstlichen Gestaltung“ kommen wird. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass der Gesetzgeber insbesondere an dieser Stelle weitere Konkretisierungen liefert.
Das BMF gibt der interessierten Fachöffentlichkeit bis zum 15.01.2026 Gelegenheit zur Stellungnahme. Die weitere Entwicklung sollte aufmerksam verfolgt werden.

