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10.10.2024

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Entgeltdiskriminierung – Anpassung „nach ganz oben“?

Equal Pay und Entgeltdiskriminierung werden derzeit nicht nur in der Fachöffentlichkeit heftig diskutiert. Das liegt unter anderem an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom Februar 2023 („Ende der Vertragsfreiheit“) und der bevorstehenden Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Einen speziellen Teilaspekt hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 01.10.2024 entschieden. Es ging um die Frage, welches konkrete Vergleichsentgelt für die Ermittlung des der benachteiligten Klägerin zustehenden Gehalts heranzuziehen ist.

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Die Klägerin war im streitigen Zeitraum in hälftiger Teilzeit auf der dritten Führungsebene des Unternehmens tätig. Ihr Entgelt lag sowohl unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe als auch unterhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe der dritten Führungsebene. Das Medianentgelt der weiblichen Vergleichsgruppe lag unterhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe.

Mit ihrer Klage verlangte sie in erster Linie die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Entgelt eines von ihr namentlich benannten männlichen Vergleichskollegen bzw. des weltweit bestbezahlten Kollegen der dritten Führungsebene, hilfsweise die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe.

Anspruch aus dem Entgelttransparenzgesetz

Der rechtliche Rahmen für den geltend gemachten Anspruch liegt im Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Hintergrund des EntgTranspG sind Bestimmungen aus dem Recht der Europäischen Union. Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. Die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt, darunter insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4, werden von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV miterfasst. Deshalb sind § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG und im Einklang mit Art. 157 AEUV unionsrechtskonform auszulegen. Zudem gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln.

Differenz zwischen männlichem und weiblichem Mediangehalt

Das Gericht sprach ihr jedoch lediglich die Differenz zwischen dem männlichen und dem weiblichen Medianentgelt zu. Das Entgelttransparenzgesetz verlange nicht nur irgendein Indiz für eine geschlechtsbedingte Vergütungsdiskriminierung, um einen Anspruch auf den maximal denkbaren Differenzbetrag zu begründen. Vielmehr müsse ein Indiz gerade für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung in einer ganz bestimmten Höhe bestehen. Da im vorliegenden Fall feststand, dass die Vergütung des zum Vergleich herangezogenen Kollegen oberhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe und die Vergütung der Klägerin zudem unterhalb des von der Beklagten konkret bezifferten Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe lag, bestand nach Auffassung des Gerichts keine hinreichende Kausalitätsvermutung dahingehend, dass die volle Differenz des individuellen Gehalts der Klägerin zum Gehalt des namentlich benannten männlichen Kollegen auf einer geschlechtsbedingten Benachteiligung beruhe.

Keine Anpassung nach ganz oben

Einen Anspruch auf Anpassung „nach ganz oben“ konnte die Klägerin nach Ansicht des Gerichts auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen, weil auch diese bei Differenzierungen innerhalb der begünstigten Gruppe auf den Durchschnittswert gerichtet sei. Mit dieser Auffassung weicht das LAG Baden-Württemberg von einer Entscheidung des LAG Düsseldorf aus dem vergangenen Jahr ab. Nicht nur deshalb wird sich das Bundesarbeitsgericht mit dieser Frage beschäftigen. Es wird dabei möglicherweise auch seine in der Entscheidung vom Februar 2023 vertretene Rechtsauffassung einer kritischen Prüfung unterziehen müssen. Es wird nämlich für die Entscheidung möglicherweise auch darauf ankommen, welche Indizien vorgetragen werden müssen, um die Vermutung einer Benachteiligung im Sinne des § 22 AGG zu begründen. Dem BAG ist teilweise vorgeworfen worden, es habe lediglich Indizien für eine benachteiligende Behandlung, nicht auch für eine diskriminierende Ungleichbehandlung verlangt.

EU-Entgelttransparenzrichtlinie

Aktuell steht die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie an, die zu einer vollständigen Neufassung des EntgTranspG führen wird. Kommt es wie angekündigt zu einer 1:1-Umsetzung, so sprich viel für die Auffassung des LAG Baden-Württemberg. Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie verlangt nämlich Folgendes: Durch den Schadensersatz oder die Entschädigung wird der Arbeitnehmer, der einen Schaden erlitten hat, in die Situation versetzt, in der er sich befunden hätte, wenn er nicht aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden wäre. Dann wäre das Niveau der weiblichen Vergleichsgruppe auf demselben Niveau wie das der männlichen Vergleichsgruppe. Der Unterschied entspricht genau dem, was das LAG in Stuttgart ausgeurteilt hat.

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